Lippenbekenntnisse und Peinlichkeiten

Der Kommunalwahlkampf kommt langsam auf Touren, so auch beim Stadtseniorenrat. Gut 40 ZuhörerInnen lauschten den Kandidierenden zu den Gemeinderatswahlen. Das Positionspapier des Stadtseniorenrates spreche viele Dinge an, die gemacht werden müssten, erklärten die VertreterInnen der einzelnen Parteien und Listenverbindungen. Über Finanzen wollte man indes ungern reden und ob das Papier Niederschlag im nächsten Haushalt findet, werde sich zeigen.

Für die Diskussion lieferte der Stadtseniorenrat ein fünfseitiges Positionspapier, das vor allem die  fehlende Barrierefreiheit in der Stadt bemängelte. So fehle es am Sternenplatz immer noch an passenden Querungsmöglichkeiten für Menschen mit eingeschränktem Geh-, Seh- und/oder Hörvermögen. Die halbherzige Umsetzung der Begegnungszone am Bahnhof wurde darin ebenfalls kritisiert. Die enge Aneinanderreihung der städtischen Busse sowie hohe Bordsteine werden darin zurecht als Hindernisse gewertet. Belegt ist jedenfalls, dass es deswegen schon zu mehreren Stürzen gekommen ist.

Barrierefreie Stadt: Die Pläne liegen in der Schublade

Alle VertreterInnen auf dem Podium bekräftigten während der ersten Fragerunde, dass sie das Positionspapier so mittragen könnten. Charlotte Dreßen (Stadträtin für die FGL-Fraktion), sprach sich für eine Analyse der derzeitigen Situation aus und regte an, den tatsächlichen Bedarf einer barrierefreien Stadt zügig zu ermitteln: „Es muss dann eben jemanden in der Verwaltung geben, der es macht.“ Zwar würde es genügend Einzelerhebungen geben, diese müsse aber bei der Stadt erst einmal jemand zusammentragen.

Der Grünen-Rätin scheint im Laufe ihrer fünfjährigen Amtszeit wohl entgangen zu sein, so Anke Schwede (Spitzenkandidatin der Linken Liste) sinngemäß, dass Stephan Grumbt, der neue Behindertenbeauftragte der Stadt, diesbezüglich schon ziemlich rege ist und auch sein Vorgänger Conrad Schechter einiges in die Wege geleitet habe. Die Pläne für eine barrierefreie Stadt, so die LLK-Kandidatin, lägen längst vor und warteten auf ihre Umsetzung.

In Bezug auf halbwegs bequeme Sitzgelegenheiten in der Stadt gab Schwede zu bedenken, dass sie aus ihrer Kindheit noch ein Konstanz kenne, in dem es allgemein mehr Bänke und vor allem mit Rückenlehnen ausgestattete Exemplare gab: „Das ist eine diskriminierende Praxis aus den 80-er und 90-er Jahren, mit der man verhindern wollte, dass Obdachlose darauf nächtigen, da man von einer Bank ohne Lehne mal leichter herunterfällt. Das verschlechtert natürlich die Situation für alle Menschen.“

Auch über die Herzklinik wurde geredet. Sie habe viele Leben gerettet, darüber waren sich vor allem Jürgen Puchta (SPD), Ewald Weisschedel (Freie Wähler) und Heinrich Everke (FDP) einig. Ganz wohl war den DiskutantInnen bei dieser Frage aber nicht. Seit Monaten wird gegen die Herzklinik ermittelt und das Unternehmen ist gewaltig in die Schräglage geraten. Ob die massiven Vorwürfe gegen die Herzklinik überhaupt entkräftet werden können, bleibt abzuwarten.

Stimmrecht für den Stadtseniorenrat

Ein Zuhörer monierte, dass die durchweg übereinstimmenden Aussagen auf dem Podium ihm keine Hilfe gewesen seien, sich für eine der Parteien oder Listen zu entscheiden. Er vermisse auch deren Kritik an dem Positionspapier des Stadtseniorenrates. Von einer lebendigen Debatte habe er sich mehr erhofft.

Beim Thema innerstädtischer Verkehr erklärte CDU-Stadtrat Wolfgang Müller-Fehrenbach, dass eine autofreie Innenstadt angeblich dazu führe, dass Reisende mit zwei Koffern sicherlich Probleme hätten, den Bahnhof per Fußmarsch zu erreichen. Ein bisschen Autolobbyismus durfte schon sein an diesem Abend. Und wer sollte dieses Tänzchen tanzen, wenn nicht der CDU-Mann.

Die Vertreterin der Freie Grüne Liste regte an, ob es denn nicht sinnvoller wäre, lieber den Bahnhof Wollmatingen zum Verkehrsknotenpunkt der Stadt zu machen, da dieser bereits behindertengerecht sei. Doch als es um eine konkrete Finanzierung dieser Idee ging, wurde es ziemlich still auf dem Podium.

Überhaupt drückte sich die Mehrheit der amtierenden Stadträte um die Frage der Finanzierung der vom Seniorenrat vorgeschlagenen Maßnahmen. Einzig LLK-Kandidatin Schwede betonte, für ihre Liste hätten solche Aufgaben Priorität, auch wenn das heiße, dass dann für Konziljubiläen, Kongresszentren und ähnliche Projekte weniger Geld da sei.

Monika Schickel, die als ehemalige Stadträtin für die Linke Liste ebenfalls auf dem Podium saß, schlug außerdem vor: „Der Stadtseniorenrat muss in Fragen, die ihn betreffen, auch ein Stimmrecht haben, es dürfe nicht allein bei einer beratenden Funktion bleiben“. Sonst habe er nicht viel mehr als eine Feigenblatt-Funktion.

Keine Anerkennung fürs Pflegepersonal

Positiv aufgenommen wurde im Publikum der FGL-Vorstoß, den städtischen Pflegebediensteten  einen einmaligen Zuschuss von 200 Euro pro Person zukommen zu lassen, da diese wenig Geld für viel Leistung bekämen. Der Antrag wurde kürzlich im Gemeinderat mit einer bürgerlichen Mehrheit abgeschmettert. „Dann muss man ja auch Müllabfuhr, Verwaltung und Straßenreinigung einmalig bezuschussen“, untermauerte Michael Fendrich von der FDP seine ablehnende Haltung. Anke Schwede konterte: „Natürlich ist das erst einmal nur symbolisch, aber da geht es um die Wertschätzung der Arbeit von Pflegefachkräften“. Wenn sie sich anschaue, wie es um die finanziellen Dimensionen bei teuren Prestigeprojekten in der Stadt bestellt sei, könne sie die Ablehnung nicht nachvollziehen.“ Schwede forderte als einzige auf dem Podium, das Personal im Pflegebereich müsse endlich aufgestockt und, angesichts der niedrigen Tariflöhne, die Beschäftigten besser bezahlt werden.

Ahnungslosigkeit als Programm

Mit auf dem Podium saß auch das Junge Forum Konstanz (JFK), eine Wählerinitiative, die mit dem Einzug in das Stadtparlament liebäugelt. Doch deren Vertreter gaben eine eher unglückliche Figur ab.  Der mehrfach geäußerte Kuschelschlachtruf, man müsse „miteinander reden“, wurde durch den JFK-Kandidaten Juri Buchmüller dankbar aufgegriffen. Jung, unbedarft, unerfahren, frisch, aber dennoch offen für ältere Menschen möchte man sich geben. „Wir reden auch mit Achtzigjährigen“ ließ das JFK verlauten, worauf dann doch etwas betretene Stille herrschte im Saal. Und es wurde nicht besser: Die knapp 50-jährige JFK-Spitzenkandidatin Christine Finke, die sich je nach Situation als alt oder jung bezeichnete, erklärte, wer mehr über sie wissen möchte, solle doch mal googeln. Restlos peinlich wurde es, als sie sinngemäß in die Runde fragte, wie denn der Name der Wägelchen sei, den Ältere vor sich her schieben

[modal id=“19250″ style=button color=default size=default][/modal]

Autor: Ryk Fechner