LLK spricht von einem „Armutszeugnis“
Die am Donnerstag anstehende Gemeinderats-Entscheidung über den Haushalt wirft ihre Schatten voraus: Die RätInnen der Linken Liste Konstanz sprechen von einem Armutszeugnis und werfen der Verwaltung vor, mit der Entkoppelung des Doppelhaushalts 2015/16 einen Offenbarungseid hinzulegen. Das parlamentarische „Königsrecht“, so die LLK, werde vom OB missachtet. „So darf eine Exekutive nicht mit der gewählten Vertretung der Bürgerinnen und Bürger umgehen“
„LLK: Stadt kapituliert vor eigenem Haushaltsentwurf
zur Entscheidung der Stadt Konstanz, am 18. Dezember nicht wie geplant einen Doppelhaushalt für die Jahre 2015 und 2016, sondern nur den Etat für das kommende Jahr zu verabschieden, heißt es in einer Pressemitteilung von Anke Schwede und Holger Reile:
Die LINKE LISTE Konstanz (LLK) ist äußerst befremdet über die Ankündigung von Oberbürgermeister Burchardt im Haupt- und Finanzausschuss, Gegenstand der Haushaltsberatungen sei ab sofort nicht mehr der von seiner Stadtverwaltung vorgelegte Entwurf eines Doppelhaushalts für die Jahre 2015 und 2016, sondern nur noch der Etat für das kommende Jahr. Als Grund für diese gravierende Entscheidung gab der OB an, 2016 werde die Stadt angesichts der geplanten städtischen Investitionen und zu erwartender niedriger Einnahmen in eine „schwierige Situation“ geraten.
Für die LLK ist diese Ankündigung gerade einmal zwei Wochen vor den abschließenden Haushaltsberatungen eine skandalöse Missachtung des Gemeinderats. Seit Wochen arbeiten sich die Fraktionen an dem von der Verwaltung vorgelegten Zahlenwerk ab, um jetzt in dürren Worten mitgeteilt zu bekommen, dass alles, was auf hunderten von Seiten für das Jahr 2016 festgehalten ist, nicht mehr gilt. So darf eine städtische Exekutive nicht mit der gewählten Vertretung der Bürgerinnen und Bürger umgehen, schon gar nicht, wenn es um das parlamentarische „Königsrecht“ geht. Ein solches Vorgehen ist nicht nur ein Armutszeugnis für den Oberbürgermeister und seine gutbezahlten Fachleute, es wirft auch die grundsätzliche Frage nach der Seriosität von Vorlagen aus dem Rathaus auf.
OB Burchardt hat im HFA das nach dem jetzigen Entwurf drohende Defizit von voraussichtlich 17 Millionen Euro als Grund dafür genannt, dass alle Zahlen für 2016 jetzt in den Papierkorb wandern sollen. Was er nicht gesagt hat, ist, dass das von ihm als „Jahrhundertchance“ forcierte und von einer großen Gemeinderatsmehrheit begeistert durchgewunkene Veranstaltungshaus im vorliegenden Entwurf den städtischen Haushalt mit mindestens 18 Millionen belasten wird und damit entscheidend zu der prognostizierten finanziellen Schieflage beiträgt. Die LLK hatte im Mai als einzige Rats-Gruppierung vor den negativen finanziellen Folgen dieser Entscheidung gewarnt – jetzt bekommen die Kongress- und Konzerthaus-EnthusiastInnen eine erste Quittung für ihre unverantwortlichen Pläne.
Die Verwaltung ficht das anscheinend nicht an; sie stellt stattdessen den weiteren Ausbau der Kindertagesstätten und Kindergärten zur Disposition. Wenn Burchardt in diesem Zusammenhang ankündigt, 2015 müsse das Thema Finanzen „grundlegend“ angegangen werden, ist das als Drohung an den Gemeinderat zu verstehen. Offenbar will die Stadtspitze mit ihrem Manöver auch den Boden für Kürzungen im Bildungs- und Sozialbereich bereiten.
Für die LLK ist klar: Oberste Priorität in der städtischen Haushaltspolitik müssen die Versorgung der Bevölkerung mit bezahlbarem Wohnraum und die Verbesserung der sozialen Infrastruktur haben. Abstriche beim Kita-Ausbau dürfen nicht zur Debatte gestellt werden. Um dies sicherzustellen, fordern wir eine Prüfung aller Möglichkeiten, die finanziellen Belastungen durch das Luxusprojekt Veranstaltungshaus zumindest zu vermindern.
Anke Schwede, Holger Reile
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Letztendlich haben die extremen Schwankungen in der Einschätzung der Haushaltslage mit dem System der Rechnungsführung nix zu tun solange keine zeitnahe Erfassung bereits entstandener bzw. präzise Vorausschau anfallender Belastungen stattfindet . Als Beispiel hierfür sei das Philharmonie-Desaster erwähnt. Selbst im SK konnte man damals lesen, dass Abrechnungen der Philharmonie teilweise erst 7 Monate verspätet bei der Stadtkämmerei eingingen.
@ Walter Rügert.
Ihre Ausführungen sind sicher richtig. Aber in der Doppik versteht man unter „Ergebnishaushalt“ und „Gesamtfinanzhaushalt“ Unterschiedliches.
Die von Ihnen beschriebene Schuldenproblematik an sich bzw. die diesbezüglichen Absprachen zwischen Verwaltung, Gemeinderat und Regierungspräsidium sind – wenn auch nicht ganz exakt so doch in etwa exakt – bereits bei der Haushaltsplanung zu beziffern.
Die Einnahmen und Ausgaben, die den Ergebnishaushalt bestimmen, also Einnahmen z.B. aus Steuern, Gebühren, Kostenerstattungen, Zuweisungen, Zinsen udgl. mehr sowie Ausgaben aus z.B. Abschreibungen, Personalaufwand, Aufwendungen für Dienstleistungen, Transferaufwendungen udgl., können erst per Jahresabschluss exakt beziffert werden, was nicht heißt, dass man nicht auch schon bei der Haushaltsplanung gewisse, mehr oder weniger genaue Anhaltspunkte hat.
Laut obigem Bericht geht der Oberbürgermeister inzwischen für 2016 auch nicht mehr von 11,2 Millionen Euro negativem Ergebnis aus, sondern von 17 Mio. Euro.
Und Verluste – also Überschuss der dem Bezugsjahr 2016 zuzuordnenden Ausgaben über die Einnahmen – können überwiegend oder sogar in Gänze im neuen Haushaltsrecht nur ausgeglichen werden, wenn die Bürger entsprechend zur Kasse gebeten werden.
@ Peter Cuenot, Dr. Rügert
Wer versteckt sich vor dem schwarzen Mann, welches hier das RP sein dürfte. Das RP ist eine Aufsichtsbehörde, die zu recht und im Sinne von uns Bürgern die Gemeinden kontrolliert. Erneut schildert der Bericht, wie Gemeinden diesen Kontrollvorgaben entgehen wollen. Deshalb werden legale Tricks angewandt, wie z.B. hier den bisher üblichen Doppelhaushalt fallen zu lassen und sich auf den nicht so überlasteten Jahreshaushalt umzustellen. Und dies ist für die Ausgabenseite der städtischen Finanzen aus Sicht des Bürgers eben nicht nachvollziehbar.
Ohne viel auf die knappen Finanzen zu schauen, werden dann Prestigeobjekt gekauft, z.B. das Veranstaltungshaus, auch wenn die vollen Kosten wegen dem komplizierten Umbau noch nicht abzusehen war. Städtische Verluste, wie z.B. die hohen Schulden bei der Philharmonie, werden möglichst schnell unter den Tisch gekehrt. OB’s, Verwaltungen und Stadträte sitzen da in einem Boot. Kein Wunder, dass dann sehr leicht Ratsmehrheiten entstehen, die eher ein RP fürchten, als im eigentlichen Sinn ihres Bürgermandats zu einem gesunden Haushalt beizutragen. Hier geht es ja nicht um ihre Gelder. Die Frage ist nur, wie wir die Stadträte nach ihrer Wahl in ihre Bürgerverantwortung behalten können.
@Peter Cuenot:
Ein Doppelhaushalt besteht aus zwei rechtlich selbständigen Haushaltsplänen. Auch wenn die Stadt einen einjährigen Haushalts zurückgeht, ändert dies nichts an der finanziellen Problemlage, vor der sie steht. Wie Sie richtig bemerken, kam diese nicht überraschend, sondern war gut vorhersehbar, und zwar schon seit über einem Jahr.
Die Verwaltung hat darauf reagiert: Sie gibt mehr Geld aus uns schafft neue Lasten für die Zukunft. Zu einer ungeklärten Belastung wird zudem das Centrotherm-Projekt, das nicht solide finanziert ist und so den Haushalt noch weiter in die Schieflage zieht.
@Peter Cuenot: Die Verwaltung hat bei der Einbringung des Haushalts am 9.10.14 darauf hingewiesen, dass sich die Zahlen noch deutlich ändern müssen. In der Sitzungsvorlage hieß es: „Im Nachtrag 2014, der am 19.12.2013 vom Gemeinderat beschlossen wurde, ergab sich in der mittelfristigen Finanzplanung eine Neuverschuldung in der Höhe von ca. 26 Mio. Euro. Zwischen Gemeinderat, Verwaltung und Regierungspräsidium war vereinbart, diese Neuverschuldung im Doppelhaushalt 2015/2016 abzubauen und die mittelfristige Finanzplanung mit eindeutigen Prioritäten zu versehen. (…) Vor allem das Jahr 2016 kann derzeit nicht ohne Nettoneuverschuldung dargestellt werden. Verwaltung und Gemeinderat sollten diese Zahl in den politischen Beratungen im November und Dezember 2014 noch deutlich reduzieren. Die Hürde zur Genehmigung des Haushalts durch das Regierungspräsidium Freiburg ist noch zu hoch.“
Nach den Beratungen in den Ausschüssen haben sich die Zahlen jedoch leider nicht verbessert, sondern noch weiter verschlechtert.
Walter Rügert (Pressesprecher Stadt Konstanz)
Zur Information: Dem Vorgehen liegt ein Beschluss des Haupt- und Finanzausschusses zugrunde. In der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses hat OB Burchardt vorgeschlagen, zunächst nur das Jahr 2015 als Haushaltssatzung zu beschließen und den Haushaltsentwurf 2016 in 2015 zu überarbeiten. Das wurde von den Stadträten dann mit 8 Ja- und 4 Neinstimmen bei 2 Enthaltungen so beschlossen. Weiterhin wurde beschlossen, dass für die Jahre 2017/2018 dann wieder eine Rückkehr zur Aufstellung von Doppelhaushalten stattfinden soll.
Walter Rügert (Pressereferent Stadt Konstanz)
Armutszeugnis und dennoch verständlich, dass die Entkoppelung der Haushalte 2015 und 2016 angestrebt wird.
Sieht man sich nämlich die „Einbringung des Doppelhaushaltes 2015/2016“ vom 24.09.2014 an und dort die Punkte ab 7. Nettoneuverschuldung Null und besonders die Daten unter dem Ergebnishaushalt 2015/2016, indem für 2015 ein positives Ergebnis von 3,9 Millionen Euro und für 2016 ein negatives Ergebnis von 11,2 Millionen Euro angenommen wird – welches letztere Ergebnis zur Folge haben dürfte, dass das Regierungspräsidium den Doppelhaushalt gar nicht genehmigt – dann ist zumindest ein Schwerpunkt für die Entkoppelung der Haushalte nachvollziehbar.
Da der OB und die Verwaltungsspitze das aber seit Monaten wissen, hätten sie das auch bereits seit spätestens September 2014 in der Weise kommunizieren müssen.
Seit dem Übergang von kameralistischer Rechnungslegung zu Doppik drängt sich mir der Verdacht auf, dass die Stadtverwaltung vollends den Überblick über städtische Finanzen verloren hat.