LLK: Ukraine-Städtepartnerschaft soll nochmals auf den Prüfstand
Die Linke Liste Konstanz fordert, aufgrund aktuellster Erkenntnisse die in dieser Woche beschlossene geplante Städtepartnerschaft mit der ukrainischen Stadt Berdytschiw noch einmal zu überprüfen.
Hier der Text der Mitteilung der LLK:
Am vergangenen Dienstag hat der Konstanzer Gemeinderat entschieden, eine Städtepartnerschaft mit der ukrainischen Stadt Berdytschiw einzugehen. Im Vorfeld der Abstimmung wollten wir nur noch wissen, ob in Berdytschiw eine Straße oder ein Platz nach dem Faschistenführer und Kriegsverbrecher Stepan Bandera benannt ist, dessen Truppen während des Zweiten Weltkriegs auch an den Massakern an der jüdischen Bevölkerung maßgeblich beteiligt waren. Davon, wurde uns von der Verwaltung mitgeteilt, sei nichts bekannt. Auf diese Auskunft haben wir vertraut und der angedachten Städtepartnerschaft im Sinne der Völkerverständigung und Anerkennung des Leidens der ukrainischen Bevölkerung durch den völkerrechtswidrigen russischen Angriffskrieg auch zugestimmt.
Nun aber stellt sich heraus, dass in Berdytschiw sehr wohl eine Straße nach Bandera benannt ist und auch der städtische Chor gerne ein Lied auf die Bühne bringt, das mit dem Refrain endet: „Bandera ist unser Vater …“ Belege dafür sind vorhanden. Für uns Grund genug, die gewünschte Städtepartnerschaft nochmal auf den Prüfstand zu stellen. Ansonsten würde man uns mit Recht der Doppelmoral bezichtigen, denn nur wenige Wochen ist es her, dass sich der Gemeinderat aus guten Gründen für die Umbenennung u.a. der nach Franz Knapp oder Conrad Gröber benannten Straßen ausgesprochen hat.
Somit ist für uns klar: Partielle Hilfen bei verschiedenen Projekten unterstützen wir, aber eine klassische Städtepartnerschaft mit Berdytschiw ist für uns aus oben genannten Gründen derzeit nicht vorstellbar.
Holger Reile – Anke Schwede – Simon Pschorr (Linke Liste Konstanz)
Symbolbild „Stepan-Bandera-Statue in Ternopil, 1. Januar 2017“ (Wikipedia): Photo by Mykola Vasylechko. Світлина Миколи Василечка. Diese Datei ist lizenziert unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international“.
Wenn man anderen Freundschaft oder Respekt kündigt, dann ist die eigene Sprecherposition mit zu bedenken. Das ist in Fällen wie Gröber, Knapp oder auch Sombart eine andere als im Fall Bandera. Bei den deutschen Straßennamen stehen wir in eigener Verantwortung, und wir wissen auch, dass in Umbenennungsdiskussionen durchaus unterschiedliche Auffassungen vertretbar sind. Oft betreffen sie historische Figuren, die aus verschiedenen Perspektiven unterschiedlich bewertet werden können, das erspart es uns aber nicht, zu einer eigenen Perspektive zu stehen. In vielen Städten gibt es auch Stauffenberg-Straßen, aus guten Gründen, aber obwohl auch Stauffenberg dunkle Seiten hatte.
Über die Straßennamen in anderen Ländern zu reden – natürlich geht das auch, aber dann muss man noch mal ganz anders reflektieren, aus welcher Position. Die deutsche Linke ist ja durch ihre Geschichte Teil derjenigen Geschichte, in der Bandera seinen Symbolcharakter abbekommen hat. Zu dieser Geschichte gehört, dass die deutsche Linke schon in den 1920er Jahren einen speziellen Faschismusbegriff entwickelt hat, die Faschisten als diejenigen sieht, die sich gewaltbereit gegen Interessen des Proletariats stellen. Ob das eine sinnvolle Begrifflichkeit ist, ist fraglich.
Ihr Echo findet sie in den Begründungen für die derzeitige „Entnazifizierungs-Spezialoperation“, war aber auch bereits Grundlage für die Moskau-Loyalität deutscher Linker zur Zeit des gegen Polen gerichteten Bündnisses zwischen Hitler und Stalin. Das Ende dieses Bündnisses bot den ukrainischen Nationalisten die fragile Chance, die Stelle der Kommunisten an der Seite Deutschlands einzunehmen.
Deutsche wie linke Zeigefinger auf das Symbol Bandera sind also keine neutralen, wissenschaftlichen Aussagen, sondern haben immer auch etwas mit den deutschen und linken Sprechern zu tun. Kennzeichnend hierfür ist die Selbstverständlichkeit, mit der Bandera hier freihändig als „Faschistenführer und Kriegsverbrecher“ gekennzeichnet wird, als ob das irgendwie etabliertes Wissen wäre. Differenzierter hat diese Frage mein Kollege Kai Struve analysiert: https://www.laender-analysen.de/ukraine-analysen/270/stepan-bandera-geschichte-erinnerung-und-propaganda/
Ich nehme mit großer Freude zur Kenntnis, dass die LLK nicht in die Gefahr der Doppelmoral kommen möchte. Und in der Tat ist die Frage, ob Konstanz eine Städtpartnerschaft mit einer Stadt in der Ukraine eingehen wolle, die Straßen falsch benamt, genau die zentrale Prüfung für die moralische Haltung und Konsistenz der Politik der LLK – wie auch der gesamten Linken.
Das ist überzeugender und gelebter Antifaschismus und wirkmächtige Friedenspolitik.