Lodi: Konstanzer Professor fordert Entschuldigung
Aber nicht von Sara Casanova, Mitglied der rechtsradikalen Partei Lega und Bürgermeisterin von Lodi, die städtepartnerschaftlich mit Konstanz verbunden ist, sondern von der Stadt Konstanz. Casanova hatte angeordnet, Kinder von Flüchtlingen von der Schulspeisung auszuschließen. Gegen diese rassistische Aktion gab es europaweiten Protest, dem sich auch der Konstanzer Oberbürgermeister Uli Burchardt anschloss. Das wiederum trieb Josef Bayer, Sprachwissenschaftler an der Uni Konstanz, auf die Palme.
In einem Gastbeitrag in der rechtspopulistischen Online-Publikation „Tichys Einblick“ geißelte Bayer am 22.11. den Konstanzer Protest Richtung Lodi. Er schrieb: „Anfang November schwappte das deutsche Sendungsbewusstsein (…) und zwar direkt aus dem südbadischen Konstanz in das nahe Mailand gelegene lombardische Städtchen Lodi“. Josef Bayer will auch herausgefunden haben, dass es die Linke Liste war, die als „offensichtliche Triebfeder“ des Konstanzer Protests gegen Casanovas fremdenfeindliche Aktion zu gelten habe. Rassismus bei Lodis Bürgermeisterin mag der Konstanzer Professor rein gar nicht erkennen, eher handle es sich bei diesen Vorwürfen seiner Meinung nach um „maßlose Übertreibungen“ und „wilde Anschuldigungen“.
Und Bayer, kräftig in Wallung gekommen, legt nach. Die Konstanzer Kritik am Vorgehen Lodis sei „unglaubliche deutsche Überheblichkeit“ und „der politische Slogan ‚Am deutschen Wesen mag die Welt genesen‘ (…) scheint in den Köpfen vieler Deutscher leider wieder ein Leitmotiv darzustellen (…)“. Seine Empfehlung in lupenreiner AfD-Manier: „Die Deutschen sollten sich daran gewöhnen, dass Italien bezüglich der illegalen Massenimmigration die Schnauze voll hat und besonders empfindlich auf die von Deutschland aus organisierten ‚Rettungsschiffe‘ reagiert, mit denen Immigrationsinteressierte mit Hilfe einer wie geschmiert laufenden Asylindustrie in italienische Häfen gebracht werden, wo sich dann die Behörden und am Ende Städtchen wie Lodi mit ihnen herumschlagen dürfen“.
Am Ende seines Textes gibt Professor Josef Bayer seiner Hoffnung Ausdruck: „dass der Stadt Konstanz am Ende doch noch etwas dämmert. Ich würde dann eine Entschuldigung bei der Bürgermeisterin von Lodi vorschlagen“.
H. Reile
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@ Sabine Bade und Holger Reile
– Städtepartnerschaften haben im Wesentlichen den Zweck des kulturellen und wirtschaftlichen Austausch zwischen den Bürgern dieser Städte (Vereine aller Art, Gruppen aller Art). Solche Bande zwischen den Bürgern sind immer dann besonders wichtig, wenn Differenzen zwischen den politisch Verantwortlichen auf beiden Seiten entstehen – OB, Bürgermeister(in), Gemeinderäte – und egal ob gegenseitige Vorwürfe berechtigt oder unberechtigt sind.
– im vorliegenden Fall muss man auch sehen, dass es mehrere politische Organisationen, Vereine und andere Gruppen gerade aus der Stadt Lodi waren, welche innerhalb von 2 bis 3 Tagen die beschriebene Situation hinsichtlich der Flüchtlingskinder in Lodi bereinigt haben, und zwar durch gezielte Aktionen und Spenden, so dass alle betroffenen ausländischen Kinder/Flüchtlingskinder wieder subventioniertes Essen und Busfahrten bekommen haben. Mit der Aussetzung oder gar Beendigung der Städtepartnerschaft wären vor allem diejenigen Helfer/innen betroffen, die die Situation von sich aus „bereinigten“.
– hinsichtlich des Verhaltens von Frau Casanova sollte man meiner Meinung nach nicht vergessen, dass:
a) Frau Casanova nicht nur durch Anhänger bzw. Mitglieder der Lega Nord sondern durch ein breites Spektrum von politischen Organisationen und Parteien zur Bürgermeisterin im Juni 2017 gewählt wurde. Vorausgegangen war eine bürgermeisterlose Zeit von zirka 10 Monate und eine strafrechtliche Verurteilung ihres Vorgängers, welcher Mitglied der „Partito Democratico“ war/ist.
b) dass sie sich bei ihrem Vorgehen – nach eigenen Worten – vorschriftsmässig verhalten hat und, im Übrigen der Artikel im Südkurier ( https://www.suedkurier.de/region/kreis-konstanz/konstanz/Erst-ein-offener-Brief-jetzt-ein-offener-Streit-Die-Buergermeisterin-von-Lodi-will-sich-Vorwuerfe-aus-der-Partnerstadt-Konstanz-nicht-gefallen-lassen;art372448,9952509) aus meiner Sicht glaubhaft und nachvollziehbar die Geschehnisse wiedergibt und relativiert, und somit ebenfalls in die Gesamt-Beurteilung des Vorgangs mit einbezogen werden sollte.
@Peter Cuenot
… ich hingegen lese in italienischen Medien, dass der Präsident der italienischen Abgeordnetenkammer die Bürgermeisterin von Lodi aufgefordert hat, sich bei den von der Schulspeisung ausgeschlossenen Kindern in aller Form zu entschuldigen, von 140 LehrerInnen aus Lodi, die Sara Casanova aufforderten, ihren Erlass zurück zu nehmen, etc.etc.
@Peter Cuenot
Wenn Sie erklären, über die Äußerungen Bayers solle man sich „nur sehr eingeschränkt echauffieren“, müssen Sie sich schon fragen lassen, wie es um Ihr Menschenbild bestellt ist. Zweitens: Ihr Vorwurf, wir würden nur Kommentare freischalten, die meinen Zielvorstellungen entsprechen, ist falsch. Wir haben Ihren letzten Kommentar nur deswegen nicht gebracht, weil Sie darin behaupteten, wir hätten im Fall Lodi wesentliche Aspekte nicht berücksichtigt. Auch das ist nachweislich falsch. Vorschlag: Lesen Sie doch zukünftig genauer unsere Texte, bevor Sie dementsprechende Vorwürfe absondern.
Wer die Berichte in der italienischen Presse über den Vorgang und dazu den unter dem Titel „Nach rassistischem Rathauserlass: LLK will Städtepartnerschaft mit Lodi aussetzen“ am 18.10.2018 in seemoz erscheinenden Artikel aufmerksam liest, dürfte sich über die Äußerungen des Professor Bayer nur sehr eingeschränkt echauffieren.
Mein Eindruck bei diesem Thema ist, dass seemoz/Herr Reile nur solche Kommentare zulässt, die seinen Zielvorstellungen entsprechen.
Ich sehe die – im doppelten Wortsinn – auffallend herablassenden Mundwinkel von Herrn Bayer auf seiner Uni-Website (https://www.ling.uni-konstanz.de/personen/prof-dr-josef-bayer/) und denke mir meinen Teil…
Das ist wohl nicht zu toppen. Dass Italien allein gelassen wird in Europa ist natürlich ein Skandal. Lodi ist bis jetzt noch unsere Partnerstadt und egal, in welchem Land eine Partnerstadt liegt, derartige Entscheidungen unkommentiert zu lassen, bedeutet die Partnerschaft entweder nicht ernst zu nehmen oder sich einzureihen in diese Art der Politik.
Es sind halt doch nicht nur politikverdrossene, abgehängte Bürger, die abtrifften oder besser, sich endlich getrauen, den Mund auf zu machen. Nein, auch Proffessoren vertreten und verbreiten dieses Gedankengut. An Deutschland kann die Welt schon lange nicht mehr genesen, konnte sie noch nie, an Herrn Bayers Ausführungen allerdings auch nicht, das scheint er zu vergessen. Danke für den Bericht, immer wieder interessant.