Konstanzer Gemeinderat drückt sich vor der vhs-Debatte

Die Diskussion über die Zustände an der Volkshochschule Konstanz-Singen gehört seit Wochen zu den Topthemen, und zwar weit über den Landkreis hinaus. Die allseits geschätzte Bildungseinrichtung steht unter massivem Sperrfeuer. Im gestrigen Haupt- und Finanzausschuss (HFA) sollte darüber beraten werden, wie die Misere in den Griff zu bekommen wäre. Doch daraus wurde nichts, man schob das brisante Thema auf die lange Bank. Fahrlässig? Siehe dazu auch nebenstehendes Moment Mal.

Erstaunlich, wie schnell man den Tagesordnungspunkt vhs entsorgen wollte. Eine Mehrheit folgte schließlich dem Antrag von Jürgen Leipold (SPD), die Generaldebatte auf Mitte Juni 2012 zu verschieben. Bis dahin, so Leipold, habe die Gemeindeprüfungsanstalt die Bilanzen geprüft und anhand deren Fakten könne sich auch der Gemeinderat überlegen, was zu tun sei. Der Südkurier erweckte in seiner Berichterstattung den Eindruck, man habe sich dennoch ernsthaft des Themas angenommen.

Dem war nicht so. Lediglich Jürgen Wiedemann (NLK) und Hanna Binder (SPD) äußerten ihr Bedauern darüber, dass sich der Ausschuss mit fadenscheinigen Begründungen einer Diskussion entzog. Sie unterstützten damit auch die Forderung der Linken Liste Konstanz (LLK), nicht erst in einem halben Jahr die Debatte wieder aufzugreifen. Für die LLK formulierte ich einen Fragenkatalog, mit dem sich die große Mehrheit des Rates partout nicht befassen wollte. Jürgen Faden (FWG) war sogar der Meinung, mein Redebeitrag sei „überflüssig“ gewesen. Nicht nur für ihn nachstehend der Text im Wortlaut. Wie es um die Debattenkultur im weiten Rund bestellt war, verdeutlichte auch die Reaktion von Bürgermeister Claus Boldt. „Reichen Sie Ihre Fragen schriftlich ein, wir werden sie dann beantworten“:

Herr Oberbürgermeister, Kolleginnen und Kollegen

Die Vorlage ist heftig – wir können lesen, dass, Zitat „die Buchführung der vhs und die erstellten Jahresabschlüsse in den zurück liegenden Jahren nicht den gesetzlichen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Buchführung entsprach“. Zitat Ende.

Somit unterstellt man auch den früher Verantwortlichen einen fahrlässigen Umgang mit öffentlichen Geldern. Das ist ein harter Vorwurf und ich denke, es ist längst an der Zeit, dass man den so Attackierten die Möglichkeit gibt, sich dazu zu äußern. Das gebietet schon das Gesetz der Fairness.

Mir zeigt die Debatte um die vhs aber auch, dass die seit einiger Zeit Verantwortlichen ihre eigenen Versäumnisse deckeln möchten und fast schon panikartig mit dem Finger auf andere zeigen, um von sich abzulenken. Das ist doch reichlich billig.

Schon in der letzten Kulturausschuss-Sitzung war die vhs ein Thema. Aber Frau Ferling vom Vorstand konnte oder wollte uns kaum eine Frage sinnerhellend beantworten, wie es zu der vermeintlichen Finanzmisere der vhs gekommen ist. Also wiederhole ich meine damaligen Fragen und stelle noch weitere dazu. Da es nicht wenige sind, empfehle ich Ihnen mitzuschreiben…..

–  Stimmt es, dass die IHK nach der Kündigung Reinhard Zahns auf eine weitere Zusammenarbeit mit der vhs verzichtet hat? Es wäre um Zertifizierungskurse gegangen, die für die vhs sehr  lohnend gewesen wären. Warum hat der vhs-Vorstand nicht reagiert?

–  Stimmt es außerdem, dass dadurch auch ein Projekt des vhs-Verbandes Baden-Württemberg gestorben ist? Und wenn ja, warum….?

–  Ist es richtig, dass sich bei der vhs die Regeln für die Aufstellung der Bilanz  geändert haben? Wenn ja, ab wann und in welcher Form?

–  Von 2002 bis 2009 führte die vhs einen Prozess vor dem Sozialgericht gegen die BfA. Dabei ging es wohl um die Sozialversicherungspflicht der Lehrkräfte an den Abendschulen. Der Rechtsstreit wurde wohl verloren. Frage: Welche Kosten sind dabei entstanden?

–  Angeblich hat die vhs mit nicht lizenzierter Software gearbeitet. Stimmt es, dass dadurch ein finanzieller Schaden entstanden ist? In welcher Höhe? Entspricht es den Tatsachen, dass Frau Mühlstädt-Garczarek im Herbst 2009 um eine Aufstellung gebeten haben soll, welche Programme eingesetzt werden und welche Lizenzen dazu vorlägen. Die Liste wurde erstellt, passiert ist dann aber ein Jahr lang nichts. Warum nicht? Und: Wie hoch waren die Ausgaben für Software im Jahre 2010?

–  Angeblich wurden bei der vhs Statistiken geschönt. Ein schwerer Vorwurf. Bitte konkretisieren sie ihn und klären sie uns auf, inwieweit diese angeblichen Schönungen das wirtschaftliche Ergebnis beeinflusst haben. Da hätten wir gerne genaue Zahlen.

–  Weitere Fragen: Wie haben sich die Teilnehmerzahlen in den letzten 10 Jahren entwickelt?

–  Wie hat sich die Zahl der Unterrichtseinheiten in den vergangenen 10 Jahren entwickelt? Die Landesstatistik Baden-Württemberg weist einen Rückgang der förderfähigen Unterrichtseinheiten von rund 20 Prozent zwischen 2009 und 2010 – ALSO UNTER DER NEUEN LEITUNG – aus. Deckt sich das mit Ihren Erkenntnissen?

–  Wie ist es um die Einnahmen aus Projekten bestellt? Stimmt es, dass keine Projekte mehr realisiert werden, nachdem 15 Jahre lang damit gute Einnahmen erzielt werden konnten? Dazu: An welchen Ausschreibungen hat sich die vhs in den vergangenen Jahren beteiligt?

–  Entspricht es den Tatsachen, dass trotz der wirtschaftlichen Schräglage der Stellenplan weiter ausgedehnt wurde?

Wenn die wirtschaftliche Situation der vhs so schlecht ist, wie hier behauptet wird, stellen sich zusätzliche Fragen an die derzeit Verantwortlichen:

–  Durch die häufigen Wechsel in der Führungsspitze sind enorme Kosten entstanden, auf deren genaue Bezifferung  wir drängen. Juristische Beratungen haben Kosten verursacht, hohe Abfindungen kamen hinzu. In welcher Höhe genau?

–  Mehrere Wirtschaftsprüfer und Steuerberater wurden in der Vergangenheit beauftragt. In welcher Höhe sind hier Kosten entstanden? Wieso wurde, als Zweifel an der Liquidität der vhs aufkamen, nicht sofort die Gemeindeprüfungsanstalt in Gang gesetzt?

–  Anstatt dessen wurde ein Wirtschaftsprüfer aus Singen bestellt. Wieviel hat dieses Büro mittlerweile gekostet? Und hätte die Prüfung nicht ausgeschrieben werden müssen? Oder kam diese Auftragsvergabe dadurch zustande, weil dieser Wirtschaftsprüfer ein guter Bekannter von Herrn Lieby ist, mit dem er bei der Hilfsorganisation „sign of hope“ zusammen arbeitet? Das, Kolleginnen und Kollegen, hat doch einen ziemlich ranzigen Beigeschmack. In diesem Zusammenhang kann mir Herr Boldt sicher auch die Frage beantworten, ob Herr Lieby auf der Gehaltsliste der vhs steht.

Wie bereits am Anfang erwähnt, halten wir es für nicht hinnehmbar, die Verantwortung für die offensichtliche vhs-Misere früheren Mitarbeitern in die Schuhe zu schieben, die lange Jahre für den guten Ruf der vhs gearbeitet haben. Das ist nicht nur billig, sondern auch charakterlos. Hier wäre durchaus Selbstkritik bei denen angebracht, die glauben, sie könnten andere für ihr Missmanagement zur Verantwortung ziehen. Unserer Meinung nach sind personelle Konsequenzen in der Führungsspitze unausweichlich, um die vhs wieder in ruhigere Gewässer zu bringen.

Zum Schluss: Wir bleiben dabei – die Kündigung des entlassenen Hauptstellenleiters Reinhard Zahn sollte zurück genommen werden. Desweiteren regen wir an, bei der ausstehenden Personaldebatte – die weitgehend öffentlich geführt werden sollte – eine Vertreterin oder einen Vertreter des vhs-Dozentenrats zu hören.

Autor: Holger Reile