Lützerath-Proteste in Konstanz: „Die Sparkasse baggert mit“

Mittwochmorgen begann die Räumung des von Klima-Aktivist:innen besetzten Dorfs Lützerath am Rande des nordrhein-westfälischen Braunkohlegebiets – und abends protestierten rund 250 Menschen auf der Konstanzer Marktstätte. Doch nicht nur das: Zuvor waren auch Mitglieder von Fridays for Future vor und in der Sparkasse Bodensee aktiv. Hier Auszüge aus Pressemitteilungen und Reden, die viele neue Infos bieten.

Sie waren mit Bannern, gelben Kreuzen und einem Packen Kohle unterwegs: Um 17 Uhr versammelten sich mehrere Klima-Aktivist:innen vor der Konstanzer Hauptfiliale der Sparkasse und informierten in Gesprächen und mit Flyern Kunden und Passantinnen darüber, welche Rolle Kohle beim Abbau von Kohle spielt. Denn mit ihrer Kohle, ihrem Geld, tragen diese teilweise zur Finanzierung klimaschädlicher Projekte mit. Ihr Augenmerk lag dabei, so eine Mitteilung der Gruppe, „auf dem Dorf Lützerath im Kohlerevier Garzweiler II und dem verantwortlichen Konzern RWE“.

Das Hauptargument: „Die Räumung von Lützerath gilt als Scheidepunkt für die deutsche Klimaschutzpolitik. Wird Lützerath geräumt, kann Deutschland das 1,5-Grad-Ziel nicht einhalten.“ Schon 2021 habe das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) vorgerechnet, dass Deutschland nur noch ingesamt 200 Millionen Tonnen Kohle fördern dürfe, um das Pariser Klimaziel einzuhalten. „Davon entfallen 70 Millionen Tonnen auf Garzweiler II.  Der aktuelle Kohleausstiegspfad sieht jedoch den Abbau von weiteren 290 Millionen Tonnen Kohle allein im Revier Garzweiler II vor“, heißt es in der Pressemitteilung. Und weiter: Dass der größte CO2 -Emittent Europas nicht aus der Kohle aussteigen wolle, schockiere nicht, schließlich kenne man den Konzern ja nicht anders. Was sie aber fassungslos mache, sei, „dass die Sparkasse als kommunales Unternehmen diesen Klimavandalismus fördert“.

Geld für korrupte und umweltschädliche Unternehmen?

Denn „während die Sparkasse in ihrem Nachhaltigkeitsbericht die energetische Sanierung ihrer Gebäude lobt, vermarktet sie gleichzeitig klimaschädliche Geldanlagen. So bewirbt sie das Fondsgeschäft der Deka-Bank, einem Tochterunternehmen der Sparkassenfinanz-Gruppe, prominent auf ihrer Website. Mit über fünf Millionen betreuten Depots und einem verwalteten Vermögen von rund 395 Milliarden Euro ist sie einer der größten Anbieter am deutschen Markt.“

Verantwortung übernehme „die Deka-Bank jedoch sehr ungern. Bei Nachhaltigkeitsaspekten schneidet diese besonders schlecht ab. Das zeigt ein Gutachten des unabhängigen zivilgesellschaftlichen Netzwerks Fair Finance International. Die Deka finanziert korrupte und umweltschädliche Unternehmen, Unternehmen, die Menschenrechte verletzen oder solche, die Waffen produzieren. In den Bereichen Nahrungsmittelproduktion, Forstwirtschaft oder Öl- und Gasindustrie hat sie gar keine oder nur sehr wenig Nachhaltigkeitsrichtlinien. Auch im Bereich Bergbau erhält die Deka-Bank die Note ‚ungenügend‘. Grund dafür ist vor allem die Finanzierung des Kohlekonzerns RWE.“

Der Finanzsektor spiele eine Schlüsselrolle bei der Finanzierung von klimaschädlicher Infrastruktur. „Ohne deren Kapital stehen die Kohlebagger ganz schnell still“, erklärt einer der Aktivist:innen. „Dass die Sparkasse dort mitmacht und als kommunales Finanzinstitut keinerlei Verantwortung übernimmt, macht einfach nur fassungslos. Man könnte auch sagen: die Sparkasse baggert Lützerath ab.“

Die aktuelle Räumung von Lützerath zeige: „RWE und die Bundesregierung wollen mehr verfeuern. Kurzgefasst: Sie haben das 1,5-Grad-Ziel längst aufgegeben.“ Damit aber werde nicht nur die Lebensgrundlage von Milliarden Menschen zerstört, das Vorhaben sei auch völkerrechts- und verfassungswidrig. „Im Pariser Klimaabkommen verpflichtet sich Deutschland zur Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels. Das Bundesverfassungsgericht verpflichtet Deutschland gleichermaßen zu strengeren Klimaschutzmaßnahmen. Beides steht im krassen Widerspruch zur Räumung des Dorfes.“

„Ein schwerer Fehler“

Nach rund einer Stunde, während der sie auch Kohlestücke im Innenraum der Filiale verschütteten, beendeten die Aktivist:innen ihre Aktion. Und zogen zur Marktstätte, wo sich rund 250 Demonstrant:innen zu einer Mahnwache in Solidarität mit Lützeroth eingefunden hatten und den Rednerinnen applaudierten.

„Wenn die Kohle unter Lützerath verbrannt wird, wird es extrem unwahrscheinlich, dass Deutschland seinen Teil leisten kann um die überlebenswichtige 1,5-Grad-Grenze einzuhalten“, sagte beispielsweise Eileen Blum von Fridays for Future Konstanz: „Die 1,5 Grad Grenze verläuft durch Lützerath.“

Am Kaiserbrunnen sprach auch die grüne Stadträtin Nina Röckelein und betonte, dass es „ein schwerer Fehler“ sei, Lützerath jetzt abzubaggern. Das Thema liege zwar außerhalb  ihrer Zuständigkeit als Stadträtin, „aber wenn die (von Bund, Land und RWE) ausgemachten Kohlemengen verbrannt werden, dann betrifft das jede und jeden, auch in unserer Region“. Als Mitglied der Grünen sei es ihr wichtig, sich gegen die Räumung Lützeraths zu positionieren – auch weil der Kohledeal federführend von zwei grünen Ministerien verhandelt wurde.

Was genau damit gemeint ist, erläuterte Carina Winkels, auch sie Aktivistin von Fridays for Future Konstanz. Hier Auszüge aus ihrer Rede:

Eine leergezogene Siedlung?

„Heute hat die Polizei mit der richtigen Räumung von Lützerath begonnen. (Das war) Anlass für den deutschen Wirtschaftsminister und wohlgemerkt auch Klimaminister (Robert Habeck), doch ein paar Worte zu Lützerath zu äußern. Zitat: „Die leergezogene Siedlung Lützerath, wo keiner mehr wohnt, ist aus meiner Sicht das falsche Symbol.“ Ähm, danke Robert, aber aus meiner Sicht zeigt deine Aussage, dass du die Situation nicht verstehst.

Erstens ist Lützerath nur eine leergezogene Siedlung, weil die Menschen umgesiedelt wurden und der letzte Bewohner Eckhardt Heukamp enteignet wurde. Somit wurde er gezwungen zu gehen. Mit dieser Aussage versucht der liebe Robert Lützerath als verlassen und wertlos abzuwerten. Aber das stimmt nicht. In Lützerath wurde auch in den letzten Monaten gelebt und gewohnt!

Und zweitens geht es ja vielmehr um das, was unter der Siedlung liegt. Die Kohle. RWE will diese Kohle fördern, verbrennen und so Profit machen. Auch wenn klar ist, dass Deutschland dann seine Klimaziele nicht halten wird und dass mehrere wissenschaftliche Gutachten kommen zu dem Schluss, dass die Kohle für die Versorgungssicherheit nicht erforderlich sei. Allein RWE zieht einen Nutzen daraus. Und das ist gerade politisch so gewollt.

Ach, ihr habt friedlich und demokratisch demonstriert? Ihr habt vielleicht eine Partei gewählt, die versprochen hat, dass Lützerath bleibt? Tja, schade drum. Ist scheinbar egal.

„Wir werden das nicht vergessen”

Politiker wie Robert Habeck und Mona Neubaur glauben, sie können das Ganze einfach aussitzen. Aber glaubt mir, wir werden das euch nicht vergessen, wenn Lützi wirklich abgebaggert wird. Denn bei ihnen liegt die Entscheidung über ein Moratorium und somit ein Stopp der Räumung.

(…) RWE ist scheiße. Dieser Konzern baggert seit Jahrzehnten riesige Löcher in NRW und pustet Unmengen an Treibhausgasen aus. Klar ist RWE auch Arbeitsgeber, aber das waren die vielen Betriebe und Bauernhöfe, die dem Tagebau weichen mussten, auch. Der einzige Unterschied: Die Größe und das Kapital. (RWE ist ein) Profiteur des kapitalistischen Systems, welches auf Ausbeutung des globalen Südens und der Zerstörung unseres Planeten fußt.

Während in Deutschland über RWE gerade im Kontext von Lützi berichtet wird, berichten internationale Medien etwas anderes. Anfang Januar hat sich RWE für die nächsten 15 Jahre Flüssiggas (LNG) bei Sempra Energy in Texas gesichert. Die nächsten 15 Jahre!!! Dieser Konzern würde ohne Lützerath nicht zu Grunde gehen und dieser Konzern wird sich auch nicht ändern. Im Bereich klimaschädlicher Energie ist er nämlich breit aufgestellt.

Angst vor der frustrierten Wut

Konzerne wie RWE darf es in baldiger Zukunft nicht mehr geben, weil es fossile Energieversorger und das kapitalistische System nicht mehr geben darf. Wir sind an einem Punkt, an dem wir schnell und entschlossen handeln müssten, um das Schlimmste abzuwenden, um Leben zu retten. Die ersten Kipppunkte sind schon erreicht.

Neben der Wut habe ich auch Angst in mir. Was ist, wenn alle Bemühungen nicht ausreichen? Wird dann aus der Wut frustrierte Wut? Und was mach’ ich mit der?

Trotzdem habe ich aktuell Hoffnung, dass Lützerath vielleicht doch noch gerettet werden kann. Denn es gibt mutige Menschen in Lützerath, die sich Polizei und Baggern in den Weg stellen. Wenn sie es schaffen, die Räumung bis Ende Februar zu verzögern, dann ist die Rodungssaison vorbei und RWE muss bis Oktober warten. Das ist wertvolle Zeit.

Doch die in Lützi brauchen auch uns, die wir vielleicht nicht so mutig sind oder aus den unterschiedlichsten Gründen nicht dort sein können. Wir in Konstanz können trotzdem unterstützen.

Unsere Aufmerksamkeit ist gefragt. Wir können der Politik signalisieren, dass uns Lützi nicht egal ist.

Wir müssen hinschauen und aufmerksam beobachten, wie sich die Polizei gegenüber den Aktivisti benimmt, damit sich die Vorfälle aus dem Hambi (bei der versuchten Räumung des Hambacher Forsts) nicht wiederholen. Vor allem da jetzt schon Berichte von Polizeigewalt aus Lützerath kommen.

Wir können unterstützen mit Spenden. Wir können Informationen mit unserem Umfeld teilen. Jeder einzelne Mensch, dem Lützi nicht egal ist, lässt mich hoffen.”


Fridays for Future hat für die Fahrt zu großen Demo in Lützerath am kommenden Samstag, 14. Januar, einen Bus organisiert, der allerdings bereits ausgebucht ist. Aber es gibt eine Warteliste – denn derzeit wird noch versucht, einen zweiten Bus aufzutreiben. Der Bus selber ist jedoch nicht das Problem – gesucht werden vor allem zwei Busfahrer:innen, die Zeit haben. Wer da weiterhelfen kann, melde sich bitte bei konstanz@fridaysforfuture.de

Gesucht werden auch Sachspenden, die am Samstag nach Lützerath gebracht werden. Abgabe der Spenden heute, Freitag, 13.01., 13:00–13:30 h am Café Mondial.
Besonders dringend gebraucht wird momentan:
– Isomatten, Schlafsäcke, Zelte, Planen, Stifte
– Wasserkanister. Wasserblasen, etc
– Akkuflexen, Bolzenschneider, großer Schlösser für Lock-ons, 10er- und 13er-Schlüssel für Muttern, Akkuschrauber, Ratschen für Muttern, Sikaflex schwarz, 18er- und 20er-Muttern
– Tampons, Klopapier, Zahnbürsten
– Kletterzeug: Karabiner, Klettergurte, Reepschnüre, Bandschlingen

Wer nichts von dem hat, kann auch Geld spenden: https://luetzerathlebt.info/spendenkonto/

Text: Auszüge aus Medienmitteilungen von FFF Konstanz, zusammengestellt von pw
Fotos: FFF Konstanz (2), Pit Wuhrer (1)