Mandy Klein ist die gute Fee für Schnäppchenjäger

Schweizer und in die Alpenrepublik Ausgewanderte, die gerne günstig einkaufen, könnten die Schnäppchenjagd in Deutschland glatt vergessen, wenn es Mandy Klein nicht gäbe. Die 41-Jährige ist für eine steigende Zahl von Internet-Shoppern die «Tante», die «Freundin» oder die «gute Fee» auf der deutschen Seite der Grenze. Sie ist die Abholadresse für Online-Besteller, die keine übertriebenen Zollgebühren bezahlen wollen.

Wenn elegante Damenschuhe aus dem deutschen Versandkatalog anstatt himmlischer 40 plötzlich 75 Franken kosten, ist das kein Schnäppchen mehr, sondern ein Fall zum Haareraufen. Auf die postalischen Tarif-Leisten werden nämlich noch zwischen 18 und 35 Franken draufgeschlagen, nach welcher Massgabe bleibt ein Rätsel. Und wenn die Schnäppchen-High-Heels beim Grenzübertritt in einer Logistik-Bude landen, bekommt die Bestellerin schon Hühneraugen, bevor sie die Treterchen angezogen hat.

Für eine Privatverzollung kassiert beispielsweise DHL zwischen 43 und 60 Franken. Auch hier ist die Abzocke nicht nachvollziehbar. Und welche Tarife gelten bei Tante Klein? «Für eine Umschlag-Warensendung verrechne ich 4.50 und für ein Paket bis 99 Zentimeter Länge 7.50», sagt das Ein-Frau-Hilfswerk für Schnäppchenjäger. Ab einem Meter kostet das Paket fünfzehn Franken. Für Sperriges, Kleinmöbel und Pflanzen werden 22.50 und für einen Satz Autoreifen 45 Franken in Rechnung gestellt. Ab zwanzig Kilo gibts einen Aufpreis von 7.50.

Die Ware holen die Besteller in Mandy Kleins geräumiger Altbauwohnung am Konstanzer Bahnhof selber ab. Die Aushändigung erfolgt gegen Barbezahlung. «Die Leute schicken mir eine Mail, damit ich weiß, dass für sie was angeliefert wird. Sobald die Ware da ist, kriegen sie von mir Antwort. Wer seine Ware nicht innerhalb von 14 Tagen abholt, muss für jede angebrochene Woche zusätzlich Lagergebühr bezahlen», sagt die Rostockerin, die von der Ostsee an den Bodensee zog und erst durch Bekannte aus der Schweiz auf das Nischengeschäft aufmerksam gemacht worden ist. «Ich bin gebeten worden, gelegentlich Postpakete entgegenzunehmen, die meine Bekannten dann bei mir abholten. Dadurch sparten sie die sündhaft teuren Zollgebühren der Schweizer Post und der privaten Logistiker. Ich habe mich dann mal durch das Problem durchgegoogelt und gedacht, ich könnte mich im Internet als Abholadresse anbieten», sagt Mandy Klein. «Eigentlich habe ich nur mit ein paar wenigen Sendungen pro Monat und einem kleinen Nebenverdienst gerechnet. Ich war total von der Nachfrage überrumpelt.»

Und wirklich, es klingelt unaufhörlich bei Mandy Klein an der Wohnungstür. Die Kundschaft kommt aus der ganzen Ostschweiz und verbindet den Abholtrip in die Konzilstadt vielfach mit einem Einkaufsbummel. Mandy Kleins Gewerbe ist völlig legal und funktioniert nur, so lange es den Tarif-Dschungel bei der Schweizer Post gibt und private Logistiker die Schnäppchen-Gemeinde schamlos abzocken.

Autor: Harry Rosenbaum

Illustration: Rahel Eisenring