Mappus weg! Oder doch nicht?

Nun ist´s soweit: Am Sonntag entscheidet sich, wie es in Baden-Württemberg weiter geht. Wird Stefan „Brennstab“ Mappus abgewählt und anschließend in Brüssel endgelagert wie sein Vorgänger? Reicht es für Rosa-Grün? Wird die dröge Farbpalette durch ein sattes Rot aufgefrischt? Wenn ja, sperrt man den Münsterturm vorsichtshalber, um suizidale Wahlverlierer vor dem Schlimmsten zu bewahren? Wie schneiden die KandidatInnen vor Ort ab? Wie hoch ist die Wahlbeteiligung? Fragen über Fragen. Spätestens am 27.3., gegen 18 Uhr, werden wir es wissen.

Es riecht kräftig nach Wechselstimmung im Ländle, das sich seit 57 Jahren in CDU-Geißelhaft befindet. Die entscheidende Frage ist: Kippt Stefan Mappus und mit ihm die schwarz-gelbe Koalition? Grüne und SPD liegen nach den aktuellsten Umfragen knapp vorne und könnten den neuen Ministerpräsidenten stellen. Ob der dann Kretschmann oder Schmid heißt, bleibt abzuwarten. Verkraften es die Sozialdemokraten, wenn sie hinter den Grünen ins Ziel kommen oder schütteln sie dann lieber im letzten Moment doch der CDU das Kopfkissen auf? Letzteres ist kaum vorstellbar, aber auch nicht völlig ausgeschlossen.

Umfragen machen Politik

Auch wenn es für Rosa-Grün eine knappe Mehrheit gibt, ist damit keinesfalls sicher, dass Mappus vom Eis ist. Denn von der Besonderheit des baden-württembergischen Wahlrechts (Überhangmandate) profitierte schon immer die CDU. Ziemlich klar ist: Kommt die Linke in den Landtag, dann dürfte Mappus tatsächlich Schnee von gestern sein. Seit Wochen prognostizieren die Meinungsinstitute 4,5 Prozent für die Linke und versuchen damit den Eindruck zu vermitteln, dass jede Stimme für sie eine verlorene sei. Mit geballter Meinungsmacht will man verhindern, dass im Stuttgarter Landtag zukünftig ein frischer Wind einzieht, der dem bräsigen Parlament gut tun würde. Es wäre nicht das erste Mal, dass die Auguren der Institute daneben liegen.

Im Wahlkreis Konstanz haben sich in den vergangenen Monaten die KandidatInnen aller Parteien bemüht, die WählerInnen von ihren Inhalten zu überzeugen. Mit unterschiedlichem Erfolg. CDU-Platzhirsch Andreas Hoffmann schwant, dass ihm der Grüne Siegfried Lehmann auf die Pelle rückt und er, ähnlich wie seine Partei im Land, am Sonntag deutlich gerupft werden könnte. Bis kurz vor der Nuklearkatastrophe in Fukushima war Hoffmann ein überzeugter Atomlobbyist. Doch seit Japan, das erklärte er kürzlich wenig glaubhaft, liebäugele er neuerdings mit dem Ausbau erneuerbarer Energien und bezeichnet sich seitdem lauthals als „grüner Schwarzer“. Sein Versprechen, im nächsten Leben käme er dann tatsächlich als Grüner auf die Welt, war immerhin ein Lacherfolg.

Lehmann hat bei fast allen Wahlkampfdiskussionen gepunktet. Er wirkte meist gut informiert und nahm Hoffmann des öfteren die Butter vom Brot. Er wird zulegen, an seinem erneuten Einzug in den Landtag besteht kein Zweifel. Der Linke Bernhard Hanke mühte sich redlich und engagiert, fühlt sich aber im Straßenwahlkampf sehr viel wohler als auf großen Podien. Das allerdings muss kein Nachteil sein. Meist völlig von der Rolle war die FDP-Kandidatin Tatjana Wolf. Ihre Hilflosigkeit gipfelte während des Wahlkampfes mehrmals darin, dass sie auf Fragen keine Antwort wusste und ihren „Kollegen Hoffmann“ bat, das für sie zu übernehmen. Der sprang dann seiner Koalitionspartnerin gerne bei und freute sich diebisch über die unverhoffte Redezeitverlängerung.

Kunst der Moderation

Bei der abschließenden Südkurier-Podiumsdiskussion wurde des öfteren vom Publikum bemängelt, dass Hoffmann zu viel Zeit eingeräumt werde und die anderen KandidatInnen kaum zum Zug gekommen seien. Das lag aber auch an den Südkurier-Redakteuren Jörg-Peter Rau und Dieter Löffler, die behaupteten, den Abend moderieren zu wollen. Das Duo war seiner Aufgabe rundweg nicht gewachsen und wirkte weitgehend orientierungslos.

Bliebe noch die SPD-Kandidatin Zahide Sarikas. Wie weitgehend bekannt, soll sie am 15.3. in ihrem Wahlkampfbüro von einem jungen Mann brutal niedergeschlagen worden sein und musste aufgrund der erlittenen Verletzungen und einer Traumatisierung ihren Wahlkampf beenden. Dieser Vorfall schockierte die Bevölkerung nachhaltig. Vor allem, als bekannt wurde, dass der Täter wahrscheinlich aus dem rechtsradikalen Milieu stammt. Dieser Verdacht wurde bestätigt, als seemoz aus dem privaten Umfeld der SPD-Kandidatin erfuhr, dass der Täter sie gezwungen haben soll, sich Hakenkreuze ins Gesicht zu malen. Doch offiziell bestätigen will das seltsamerweise weder die SPD noch die Ermittlungsbehörde.

Das ist irritierend und führt zu Spekulationen, die täglich zunehmen. Warum, so eine berechtigte Frage, ist nach einer Woche rein gar nichts darüber zu erfahren, wie sich der Vorfall genau abgespielt hat? Zahide Sarikas schweigt beharrlich, und der zuständige Staatsanwalt hat sich für den Rest der Woche krank gemeldet. Es wäre wünschenswert, noch vor dem Wahlsonntag konkrete Informationen zu bekommen, denn an weiteren Gerüchten und unguten Vermutungen kann niemandem gelegen sein.

Ebenfalls angetreten zur Landtagswahl ist die Piratenpartei, für die Ute Hauth kandidiert. Tatkräftig unterstützt wird Hauth dabei von der seeonline-Redakteurin Waltraud Kässer, die sich täglich für ihre „Lieblingsinformatikerin“, von der sie in technischen Fragen beraten wird, einen Wolf schreibt. Viel wird nicht heraus kommen dabei, denn die bunte Kombo, von der niemand weiß, was sie eigentlich will, ist landesweit völlig chancenlos. So gesehen ist jede Stimme für diese Gruppierung eher wechselhemmend und weitgehend wertlos.

Braune Gurke im Abonnement

Zum Schluss noch ein Blick in den benachbarten Wahlkreis Singen. In dem sonst drögen Wahlkampf sorgte einzig das Singener Wochenblatt für Aufregung. Mit ihrem Versuch, auch neofaschistischen Kandidaten ein Forum zu bieten – zunächst bei einer Podiumsdiskussion in der Scheffelhalle, dann bei einer Kandidaten-Umfrage kurz vor der Wahl im eigenen Blatt – stießen Redaktion und Verlagsleitung beide Male auf erbitterten Widerstand wenigstens einiger der übrigen Kandidaten. Und beide Male machten die Verantwortlichen einen halbherzigen Rückzieher – zur öffentlichen Diskussion wurden gleich alle Kandidaten kleinerer Parteien ausgeladen, die Kandidaten-Befragung fiel gänzlich aus.

Perfide jedoch die stattdessen ganzseitig veröffentlichte Rechtfertigung von Geschäftsführung, Verlags- und Redaktionsleitung wenige Tage vor der Wahl. Die altbackene Gleichsetzung von Recht- und Links(extremen) kennt man von Geschichtsfälschern – die Behauptung jedoch, auch linke „Regime“ hätten „Menschen aufgrund ihrer Herkunft, ihrer Rasse…“ verfolgt, ist hanebüchen und heißt, die Einzigartigkeit des Holocaust zu leugnen. Die schon zugesprochene „Braune Gurke“ dürften sich die Wochenblatt-Macher somit nicht nur für 2011 und 12, sondern im Abonnement verdient haben – die Leser jedenfalls werden zukünftig wissen, was sie von dem Singener Anzeigenblatt erwarten dürfen.

Ansonsten gilt: Gehen Sie wählen und sorgen Sie für den längst fälligen Wechsel in Baden-Württemberg.

Autor H.Reile/Hans-Peter Koch

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