Massiver Arbeitsplatzabbau in Radolfzell
Die EVG (Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft), Geschäftsstelle Karlsruhe, übt scharfe Kritik an der SBG (Südbadenbus). Diese will zum Jahresende ihre Niederlassung in Radolfzell schließen, wovon mehr als hundert MitarbeiterInnen betroffen sind. Ab 2020 soll dann ein Subunternehmer für die SBG den Stadtbusverkehr in Radolfzell betreiben, der seinen MitarbeiterInnen deutlich schlechtere Konditionen bietet. Es geht dabei also wieder einmal um Profite auf Kosten der Arbeitenden.
Zur Information: Die SBG Südbadenbus GmbH ist eine Regionalbusgesellschaft und ein hundertprozentiges Tochterunternehmen der DB Regio AG. Diese wiederum ist ein hundertprozentiges Tochterunternehmen der Deutsche Bahn AG, das schon seit 1994 im Auftrag der Stadtwerke den Stadtbusverkehr betreibt. Das Unternehmen sucht derzeit übrigens im Internet nach weiteren BusfahrerInnen für die Niederlassung Radolfzell.[1]
Eine wichtige politische Forderung der Gewerkschaft ist es, dass öffentliche Institutionen wie Städte und Landkreise, die den Busverkehr in bestimmten Zeiträumen neu vergeben, in ihre Ausschreibung Sozialstandards mit aufnehmen, damit die ArbeitnehmerInnen nicht alle paar Jahre anlässlich der Neuausschreibung um ihre nackte Existenz zittern müssen.
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Hier der offene Brief der EVG:
Die Niederlassung [Radolfzell] wird zum 31.12.2019 abgewickelt. Insgesamt betroffen sind von der Schließung der Niederlassung über hundert Mitarbeiter, davon etwa 30 befristete Verträge, die auslaufen. Von den über 90 unbefristeten Beschäftigten sind ca. 80 als Busfahrer tätig.
Grund: Die SBG will den Stadtbusverkehr in Radolfzell ab Januar 2020 an einen Subunternehmer vergeben. „Wir haben der Geschäftsführung bereits eine schriftliche Rüge ausgesprochen“, sagte EVG-Gewerkschaftssekretär Frank-Michael Hänel, ein Ex-Radolfzeller.
Denn: „Von 18 Kolleginnen und Kollegen, allesamt langjährig Beschäftigte, wird verlangt, zu dem Subunternehmer zu wechseln und dabei Einbußen bei Bezahlung und Sozialstandards hinzunehmen. Das ist unsozial.“
Wieder einmal, so Hänel weiter, „sollen die Beschäftigten dafür herhalten, dass ein Bus-Unternehmen seine ‚Wettbewerbsfähigkeit‘ erhält.“ Die EVG wirft der SBG vor allem vor, „dass mögliche Alternativen – zum Beispiel ein Betriebsübergang oder eine Weiterbeschäftigung der Busfahrer in anderen DB-Gesellschaften überhaupt nicht ernsthaft geprüft worden seien. Und das, obwohl Busfahrer angeblich überall händeringend gesucht werden. „Die DB-Tochter verstoße damit „ganz klar gegen die Grundsätze, zu denen sich der Bahnkonzern verpflichtet hat, zum Beispiel Arbeit im Konzern zu halten.“
„Die Beschäftigten und wir als ihre Gewerkschaft sind sauer“, so der Gewerkschafter weiter. Die EVG habe die SüdbadenBus GmbH aufgefordert, die Maßnahme zurückzunehmen. „Passiert das nicht, werden wir über eine mögliche Eskalation nachdenken.“
Hintergrund: Immer wieder versucht die DB RegioBus, ihre „Wettbewerbsfähigkeit“ zu retten, indem sie Arbeit in (nicht tarifgebundene) Billigtöchter auslagert oder Subunternehmer beauftragt. Das geht einseitig zu Lasten der Beschäftigten! Billig zu sein, ist aber noch keine Strategie. Wettbewerbsfähig kann man auch auf andere Weise sein.
Wir fordern vor allem die Aufgabenträger auf, ihre Ausschreibungen endlich so zu gestalten, dass Beschäftigte und deren Familien nicht mehr alle 8 Jahre (oder wie lange der Vertrag läuft) Angst vor einem Betreiberwechsel haben müssen. Die EU-Verordnung 1370 macht es möglich, Tarif- und Sozialstandards in Ausschreibungen zu verankern – auch im Busbereich. Gute Busfahrer brauchen auch gute Bedingungen. Immerhin befördern sie unter anderem tagtäglich unsere Kinder von und zur Schule.
Weiterhin gibt es für den Bus-Bereich ja ein eigenes Gesetz, das Personenbeförderungsgesetz (PBefG). Und genau dort muss das auch so geregelt werden.
Bisher gilt: Hier wird eigenwirtschaftlichen Verkehren (also solchen, die ohne öffentliche Zuschüsse erbracht werden) ein Vorrang eingeräumt. Und bei solchen müssen gar keine Sozialstandards berücksichtigt werden. Auch muss die bestehende Regelungslücke im Personenbeförderungsgesetz geschlossen werden, damit Vorgaben zu Sozialstandards auch für Unternehmen verbindlich gelten, die Leistungen eigenwirtschaftlich erbringen.
MM/O. Pugliese
Anmerkungen:
[1] https://www.suedbadenbus.de/suedbadenbus/view/wir/busfahrer.shtml?dbkanal_007=L01_S01_D027_KIN0001_teaser3-busfahrer_LZ01 – Gesehen am 10.08.2019
Zum Beitrag von Herrn Fehringer fehlen mir zwar nicht die Worte, aber ich verweise nun mal statt einer Entgegnung lieber auf die beiden schönsten Neoliberalen der Welt: Christian Lindner und Hans-Werner Sinn. Wer die liebt, liebt sicher auch M.F.
Eine konstruktive Fragestellung möchte ich hier aber gerne in die Diskussion einzubringen. Echte Anzeichen für eine Verkehrswende in Konstanz gibt es zwar noch nicht, ein positives Gesamtbild wird zumindest durch die Parkhausplanung am Döbele empfindlich verhunzt, aber immerhin gibt es positive Anzeichen für massive Versuche der Nicht-CDU-Parteien im Konstanzer Stadtrat zusammen mit umwelt-, klima- und verkehrspolitisch bewegten weiteren Verbänden und Einzelpersonen, die neu eroberte Mehrheit auch als Pfund in die Waagschale einer umfassenden Verkehrswende zu werfen.
Was das mit dem Problem der SBG-Kollegen in Radolfzell zu tun hat?
Ich hoffe, erstmal nichts.
Aber für mich bedeutet, was immer jetzt in Konstanz und anderswo in Sachen Verkehrswende, Klimanotstand, Emissionsschutz etc. in Bewegung oder gar auf den Weg gebracht wird, und ich hoffe das wird Vieles sein, kreativ und effektiv, nachhaltig und ein großer Schritt in Richtung Lebensqualität für alle Konstanzer und den überschaubaren Rest der Welt — es ist eine wichtige Frage, auf wessen Kosten wird das gehen, und wenn ich Kosten sage, meine ich nicht nur die Kosten, die man beziffern kann, sondern auch Arbeitsplatz-Sicherheit und -Qualität, Mobilitätskosten, letztendlich Umverteilung von oben nach unten oder umgekehrt.
Ich halte Forderungen, die nichts über die Finanzierung sagen, für unseriös, auch wenn das voll im politischen Trend liegt.
Es werden keine Arbeitsplätze abgebaut. Wer das glaubt ist töricht. Es betreibt nicht mehr die Deutsche Bahn (Staatseigentum) sondern ein privater Investor. Es sind halt wiederum die Gewerkschaften, die um Ihre Pründe fürchten.
@Jürgen Geiger: Okay, wenn das so ist, dann wären ja die Stadtwerke am Zug und könnten im Rahmen einer wohl irgendwann zu erfolgenden neuen Ausschreibung korrigierend eingreifen. Zum Beispiel gewisse soziale Standards festschreiben…
Der Trend, an Externe zu vergeben, scheint ungebrochen, obwohl die negativen Auswirkungen offensichtlich sind. Größtmöglicher Profit, bei geringstem Aufwand und null Risiko, das ist die Motivation – und nicht zu vergessen, die Distanzierung von der Verantwortung. Den letzten beißen dann die Hunde. Das wird gerne in Kauf genommen. Auf der Strecke bleiben aber nicht nur die Sub- oder Sub-Sub …-Unternehmer, mit deren Mitarbeitern, sondern auch die Kommunikation, respektive der Überblick über das Gesamte. Das wiederum führt zur Handlungsunfähigkeit, infolge von Aufarbeitungsarbeit. Bis die getan ist, sind die Felle davon geschwommen. Wir bräuchten dringend wieder Verlässlichkeit, Zuständigkeit und Verantwortlichkeit der Unternehmen.
@Thomas Martens: Die Stadtwerke haben den Betrieb der Stadtbuslinien an die SBG vergeben.
Kleine Anmerkung, der Stadtbusverkehr in Radolfzell wird meines Wissens nach von den örtlichen Stadtwerken betrieben.
Warum habe ich immer dieses ganz schlechte Gefühl, speziell die GRÜNEN sind immer noch nicht Empathiefähig. Diese Form der Bahnprivatisierung geht, ebenso wie das Hartz IV Drama auf die gleichen Quellen zurück. Eine wirtschaftsliberale grüne Bande scheut, scheint es, nicht zurück vor Sozialabbau, Kriegstreiberei (Fischer, Nouripour, Habeck) und restlose Zerstörung, einer längst nicht mehr funktionierenden Bahninfrastruktur durch Privatisierung. Man kann sich nur davor fürchten, dass der neue Autolobbyist Kretschmann seinen Weg fortsetzt und Winfried Kretschmann am Tanz in den Adelspalästen zunehmend Gefallen findet (Hohenzollern-Bahn).
Schon weil wir den Status eines Exportweltmeisters (auch im Waffengeschäft) zunehmend verlieren ist es höchste Zeit, die Lohnstandarts im eigenen Land nicht weiter herabzusetzen, denn Mieten, Energie und sonstige Lebenshaltungskosten wollen auch bezahlt werden. Wir brauchen nur eine Deutsche Bahn, nicht zahllose kleine Fürstentümer, die dazu dienen das Einkommen ihrer Chefs und Kapitaleigner zu optimieren und Subventionen zu verschlingen. Dann fährt nämlich bald kein Zug mehr nach Irgendwo.