Mehr Armut – mehr Sozialhilfe – mehr Wohngeld

2016 werden etliche Verbesserungen bei den städtischen Sozialleistungen greifen – der Sozialausschuss soll am Mittwoch die Weichen stellen, der Gemeinderat noch im November den Weg freimachen. Was allerdings auch bedeutet: Die Zahl der Empfänger steigt stetig an – die Not, die Armut werden immer größer. Auch und gerade im „reichen Konstanz.“

An wenigen Beispielen aus den Verwaltungsvorlagen für die Sitzung am 11.11. (16 Uhr, Ratssaal) soll das illustriert werden:

Entwicklung des Konstanzer Sozialpasses: Der seit 2009 gültige und 2012 verbesserte Sozialpass kann beispielsweise von Langzeit-Arbeitslosen, Sozialhilfe-Empfängern, Beziehern von Wohngeld, von Asylbewerbern und von Eltern, die einen Kinderzuschlag bekommen, in Anspruch genommen werden. Die erhalten dann z. B. Ermäßigungen oder Vergünstigungen in Schwimmbädern, Museen, Vereinen oder im öffentlichen Personen-Nahverkehr. Die Zahl der Anspruchsberechtigten hat sich seit 2009 mehr als verdoppelt: von 809 auf 2090. Wobei der größte Anstieg keineswegs bei Asylbewerbern, sondern bei Sozialhilfe-Empfängern zu beobachten ist. Was auch heißt: Die Armut in Konstanz ist in sechs Jahren um mindestens 150 Prozent angewachsen.

Änderungen beim Wohngeld: Immer weniger Menschen können sich die Mieten leisten – in Problemzonen wie den Ballungszentren oder den Universitätsstädten verschlingt die Miete nach jüngsten Erhebungen des Mieterbundes bis zu 45 Prozent des Durchschnitt-Einkommens. Das ist sogar bei den Berliner Verantwortlichen angekommen, die vor wenigen Monaten deshalb und ab 1.1.1016 eine Erhöhung des Wohngeldes beschlossen: Insgesamt werden die Tabellenwerte (das Wohngeldleistungsniveau) um durchschnittlich rund 39% erhöht. Der sich daraus ergebende Wohngeld-Betrag hängt im Einzelfall von der Kombination aus Miete, Einkommen und Haushaltsgröße ab. Als Beispiele gibt die Verwaltung an: Bei einer alleinstehenden, 70jährigen Rentnerin mit einer Rente von 800 € könnte sich das Wohngeld von 80 auf 169 Euro erhöhen; bei der allein erziehenden Mutter mit einem Einkommen von 1300 € von 193 auf 300 Euro. Wohl gemerkt: Das sind Modell-Rechnungen, ein Anspruch entsteht erst aufgrund eines Antrages – Mann/Frau muss nachrechnen und sich also kümmern.

Projekt Wohnraum-Akquise: Es geht um die „Verhinderung von Obdachlosigkeit“. Und auch die steigt in Konstanz. „Das Thema ‚drohender Wohnraumverlust‘ betrifft mittlerweile alle Schichten“, weiß das Sozialamt, denn die Zahl von Räumungsklagen steigt weiter überdurchschnittlich an. Deshalb wurden auch zwei Sozialarbeiterinnen als Fachkräfte zur Vermeidung von Obdachlosigkeit und zur Betreuung der Betroffenen eingestellt. Sie kümmern sich in Einzelfällen mit wachsendem Erfolg um die Vermittlung von Wohnraum. Aber auch zwei größere Wohneinheiten im Mühlenweg wurden zur Verfügung gestellt – deshalb bittet das Sozialamt den Ausschuss um eine Entfristung der beiden Stellen und um eine Fortschreibung der „im Haushalt eingestellten Mittel für Sanierungszuschüsse und Mietausfall-Garantien“. Zahlen übrigens werden in dieser Vorlage ausdrücklich vermieden.

Diese wenigen Fakten zeigen, dass im „reichen Konstanz“ viel mehr im Argen liegt als nur die zügige Unterbringung von Flüchtlingen. Jetzt rächt sich offensichtlich, dass über Jahre hinweg die Wohnraumnot und das Armutsproblem von Verwaltung und Politik sträflich vernachlässigt wurde. Höchste Zeit also, zügig für Nachbesserungen zu sorgen.

hpk