Mehr Uni = Mehr Konstanz [?]

Universität und Stadt Konstanz haben gestern der Öffentlichkeit die Erweite­rungspläne der Uni bis 2060 [sic!] präsentiert. In mehreren Schritten sollen neue Bauten für Lehre, für Forschung und für Verwaltung errichtet werden. Dazu gibt es eine Neugestaltung von Freiflächen, zusätzliche Kindergartenplätze sowie ein neues Mobilitätskonzept, das Fuß- und Radverkehr beflügeln soll. Die Studie­ren­den­zahlen sollen stabil bleiben und auch die Mitarbeiterzahlen nur geringfügig wachsen.

Die Universität Konstanz ist in Ehren ergraut, und – was ihre direkte, landschaftlich und ökologisch durchaus reizvolle Umgebung anbelangt, – auch in ebensolchen Ehren grün geblieben. Das Gebäudeensemble auf dem Gießberg hat schon länger für viele Menschen Kultcharakter, auch wenn ihm in den sechziger und siebziger Jahren eine Streuobstwiese und so manches andere Gegrüne weichen musste, was damals noch niemanden groß interessierte.

Es ist eng

Immerhin hat es die Uni geschafft, bereits 50 Jahre nach Baubeginn als Ensemble unter Denkmalschutz gestellt zu werden. Deshalb und wegen der angrenzenden Wald- und sonstigen Grünflächen von teils hohem Rang sind ihrer Erweiterung einige Grenzen gesetzt. Und eine Erweiterung, das stellten VertreterInnen der Universität in der gestrigen Medienkonferenz (mich überzeugend) dar, ist dringend notwendig. Dass viel der aktuellen Planung vielleicht niemals so verwirklicht wird, wie es derzeit angedacht ist, ist allen BeteiligtInnen bei einer Planung bis 2060 natürlich klar, aber es gilt, jetzt mögliche Baufenster zu definieren und diese juristisch abzusichern. Über den tatsächlichen Bedarf jenseits der nächsten zehn Jahre hinaus kann derzeit noch niemand brauchbare Aussagen treffen, betonte Rektorin Kerstin Krieglstein, aber die möglichen Entwicklungslinien sollen jetzt festgezurrt werden, um der „Universität nach innen die nötige Luft zu geben“.

Die Ausgangssituation der bei den Planungen in den sechziger Jahren ursprünglich auf rund 3.000 (Elite-) Studenten angelegten Uni ist heute folgende: 11.300 Studenten plus rund 2.300 Mitarbeiter ergeben rund 13.600 Menschen. Sie verbringen in diesem ganz speziellen Dorf einen wichtigen Teil ihrer Lebenszeit, die einen oft viele Jahre als Mitarbeiter, andere relativ wenige als Studenten und wieder andere noch weniger als Gastwissenschaftler.

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Plus 50 Prozent in 40 Jahren

Der Flächenbedarf ist erheblich: Zu den derzeit 120.000 Quadratmetern Nutzfläche sollen in den nächsten vierzig Jahren 55.000 Quadratmeter hinzukommen, das Ensemble soll also um etwa die Hälfte wachsen – ob es wirklich so kommt, ist natürlich unsicher. Das ist von der finanziellen Entwicklung des Landes ebenso abhängig wie von Studierendenzahlen oder Exzellenzinitiativen.

In einem allerersten Schritt soll jedenfalls in den Jahren 2012–2023 ein neues Gebäude für die Lehre errichtet werden, gleich vorne rechts vor dem Rektoratsgebäude, wenn man auf die Uni zugeht. Dort sollen ein großer Hörsaal sowie 20–30 Seminarräume Platz finden, um die derzeitige Platznot ein wenig zu lindern.

In diesem Zuge soll auch die Grünfläche, die dort vorn in der Busschleife liegt und heute u.a. einen Biergarten beherbergt, zu einem Campus mit höherer Aufenthaltsqualität umgestaltet werden. Der erste Schritt gilt also der Lehre.

Später kommen dann die Bereiche um die Werkstätten und die Parkplätze Nord und Süd dran. Insbesondere letztere sollen überbaut werden, zuletzt der Parkplatz Süd in Jahrzehnten. Überbaut heißt tatsächlich: Die ohnehin schon zubetonierten Parkplätze bleiben, wenn auch in reduzierter Form, und darüber werden neue Gebäude gebaut. Das Ziel ist es, für die neuen Gebäude vor allem ohnehin schon durch Parkplätze versiegelte Flächen zu opfern, statt Wald als neues Bauland zu roden.

Wie das?

Parkplätze zu Neubauten

In den späten Siebzigern fuhr eine WG wie die meinige ohne Bedenken nach einer im Wohnheim auf dem Sonnenbühl durchzechten Nacht mit zwei oder drei schrottreifen Lieferwagen und PKWs, die schwarze Dieselschwaden hinter sich herzogen, die paar Meter bis zum Uni-Parkhaus. Wie sollten wir auch sonst an die Uni kommen? Ein paar von uns hatten wegen hartnäckigen Schwarzfahrens Hausverbot in den Bussen. Fahrrad? Hatte man/frau zur Konfirmation gegen ein Stinke-Mofa eingetauscht und letzteres bei Studienantritt verkauft, wenn’s nicht schon längst am Arsch oder geklaut war. Öko gab’s noch nicht. Fußgänger gab’s irgendwie schon, aber hatte mit dem Marschieren nicht der Faschismus begonnen?

Heute ist nach Angaben der Uni-Verwaltung bereits das Oberdeck des Parkhauses Süd gesperrt, weil es nicht mehr benötigt wird. Zu meiner Zeit, als die Studierendenzahlen bei einem Drittel der heutigen lagen, waren alle Decks rappelvoll. Das spricht sehr deutlich für ein (nicht zuletzt dank der Parkraumbewirtschaftung) sinnvoll geändertes Mobilitätsverhalten, und auch die Vertreter der Stadt, allen voran Bürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn, betonten, beim Umbau der Uni sei ein eigenes Mobilitätskonzept, das vom Auto wegführe, mitgedacht. Dazu sollen Ladestationen für E-Mobilität ebenso zählen wie ausreichend Flächen fürs Fahrradparken. Details werden sich dann finden, außerdem müsse, so tönte es an, der Denkmalstatus der Uni ja nicht unbedingt Solarzellen auf den Dächern verhindern.

Auf die Stadt wird jedenfalls durch die Erweiterung kaum zusätzliche Nachfrage nach Wohnraum zukommen. Allerdings sagte die Rektorin auch, dass das Land grundsätzlich nicht bereit sei, universitären Wohnungsbau etwa für Uni-Angestellte zu unterstützen.

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Doch noch Widerstand!

Wo wir alle es ja gerade mit dem Klima haben: Der Planung liegt eine „Raumwiderstandsanalyse“ zugrunde, die im Vorfeld durchgeführt wurde. Die Idee einer solchen Analyse, die die Stadt  auch anderswo vornimmt, ist es nach Angaben von Martin Wichmann vom Amt für Stadtplanung und Umwelt, zuerst einmal den Wert von Freiräumen abzuschätzen: Dabei wurde im Umfeld persönlich nachgeschaut, welcher Baumbestand oder sonstige Freiraum wie wertvoll ist, der eine ist es halt mehr, ein anderer weniger.

Die Planung der neuen Gebäude wurde dann so ausgerichtet, dass die Erweiterungsflächen möglichst wenige und zudem nicht die höchstwertigen Bäume treffen. Denn – das ist klar, – einige Bäume werden fallen, es sollen aber möglichst wenige und möglichst wenig wertvolle werden. Nana Schilling von Vermögen und Bau (einer Einrichtung des Landes), sagte, dass man früher umgekehrt geplant habe, früher sei die Frage gewesen, „wie wollen wir bauen und welche Grünflächen müssen wir dafür“ plattmachen, heute gehe es darum, die Bauten so gut es geht an der Umwelt auszurichten. Sie erläuterte auch den Stellenwert der derzeitigen Planung: Man habe jetzt die Flächen definiert, die man irgendwann einmal nutzen wolle, was dort am Ende aber entstehen werde, wie hoch man bauen werde, wie viele Geschosse etc., das alles werde erst später entschieden.

Insgesamt hörte sich das ziemlich gut an. Eins allerdings ist auffällig: In allen Plänen, die gestern präsentiert wurden, fehlt die in bestimmten Kreisen so populäre Seilbahn zur Uni. Der planerischen Phantasie sind derzeit wohl doch noch gewisse Grenzen gesetzt. Zum Beispiel jene der praktischen Vernunft, wie sie Erzvater Kant formulierte.

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Im Vordergrund des Bildes der werte Kollege vom Südkurier bei der Arbeit und knapp hinter ihm Julia Wandt, Pressesprecherin der Universität, ebenfalls bei der Arbeit. Die Farben dieses Raumes vermitteln eine Ahnung davon, warum die Universität aus architektonischen Gründen unter Denkmalschutz steht und warum sie auch ein Ziel für Touristen ist.

Wen alles der Kollege vom Südkurier da gerade fotografiert, können Sie leider nicht sehen, darum verrate ich es Ihnen. Es sind (sitzend von links nach rechts) Bürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn (Stadt Konstanz), Uni-Rektorin Kerstin Krieglstein, Uni-Kanzler Jens Apitz (übrigens ein überzeugter Radfahrer) und Nana Schilling (Vermögen und Bau, Uni Konstanz). Stehend dahinter sähen Sie, wenn Sie denn etwas sehen könnten, links Edwin Dalibor (Vermögen und Bau, Uni Konstanz) und rechts Martin Wichmann (Stadt Konstanz). Aber wie gesagt, die können Sie ja nicht sehen.

O. Pugliese (Text & Foto)

Links:
Informationen der Universität Konstanz
Informationen der Stadt Konstanz