Mehrfach-Skandal um das Kompetenz-Zentrum
Wenn am kommenden Donnerstag der Wirtschaftsausschuss zu seiner zweiten Sitzung zusammen kommt, hat dieses neue Gremium gleich mit einem Mehrfach-Skandal zu tun: Es geht nämlich auch um das Kompetenz-Zentrum und um die Chronik seines Scheiterns. Und dabei geht es nicht zuletzt um die Unwahrheiten, die um diesen Skandal herum in den letzten Jahren der Öffentlichkeit aufgetischt wurden. Hinzukommt nun der Skandal vorerst letzter Teil: Wieder wird hinter verschlossenen Türen getagt
Schon erstaunlich, dass unter einem Oberbürgermeister Uli Burchardt, der seinen Wahlkampf ehedem mit dem Versprechen von mehr Transparenz gewonnen hat, die Zahl nicht öffentlicher Sitzungen zugenommen hat. Die hatte schon unter Vorgänger Horst Frank landesweit rekordverdächtige Höhen erreicht – nun setzt Geheimnisträger Burchardt noch einen oben drauf: Die Diskussion um die Zukunft des Kompetenz-Zentrums (s. Foto v. W. Mikuteit) soll am 16. Januar zu großen Teilen unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt werden.
Skandal 1: Die Öffentlichkeit bleibt außen vor, die Honoratioren nicht
Fast unerheblich, wenngleich auch skandalträchtig, ist dabei die Tatsache, dass die Idee zu dieser „Nicht-Öffentlichkeit“, wie gemunkelt wird, aus Reihen betroffener Volksvertreter, nämlich von der Freien Grünen Liste (FGL) stammt. Denn auf einen FGL-Antrag fußt das „nö-Thema“, das – wie man gerüchteweise hört – die Nutzungsbindung rund um das Kompetenz-Zentrum behandeln soll – also die immer schon unsinnige Vorschrift, in die Ruine in der Reichenaustraße sollten nur „life-science“-Unternehmen (später erweitert um it-Firmen) einziehen dürfen. Dass solche, stadträtlich verordnete, Selbstbeschränkung nicht wirklich erfolgversprechend sein würde, dämmert manchem im Gemeinderat erst jetzt, fast zehn Jahre nach Planungsbeginn.
Zusätzlich skandalös scheint der Umstand, dass solche Nicht-Öffentlichkeit einem Beratungsausschuss verordnet wird, in dem Nicht-Mandatsträger sitzen. Dass also einem IHK-Marx, einer Schmieder-Schmieder und einem Uni-Rüdiger, allesamt ohne Auftrag des Wahlvolks in diesem Gremium, Informationen präsentiert werden, die der Öffentlichkeit vorenthalten werden. Das ist wahrlich eine Informationsverweigerung neuer Dimension, einer Burchardt-Dimension.
Skandal 2: Die Unwahrheiten der Vergangenheit
Ansonsten wird im öffentlichen Teil der Donnerstag-Sitzung des Wirtschaftsausschusses in einer Vorlage der Wirtschaftsförderung erstaunlich schonungslos, wenn auch nicht lückenlos, die Chronologie des Scheiterns präsentiert: Von der ersten Weichenstellung für den Bau des Kompetenz-Zentrums durch den Haupt-und Finanzausschuss 2005 über die frühesten Beschlüsse des Gemeinderates (GR) 2006 zur Auftragsvergabe und zum Grundstücksverkauf (jeweils mit fast einstimmiger GR-Mehrheit) über Vertragsänderungen 2007 und den Wechsel des Investors 2010 (schon nur noch mit Dreiviertel-GR-Mehrheit) bis hin zu immer drängender Nachfragen aus dem Gemeinderat ab 2011.
Was in dieser Chronologie jedoch fehlt, ist die über die Jahre stets beschwichtigende Darstellung über Baufortschritt und Vermietung durch Wirtschaftsförderer Schaal. Mehrfach war von einer Vermietungsquote von 50 bis 70 Prozent die Rede – derzeit zählt die, übrigens viel unansehnlicher gewordene, Ruine an der Reichenaustsraße gerade mal zwei Mieter. Man fragt sich: War da Blauäugigkeit oder Unaufrichtigkeit der Pate solcher Informationen? In jedem Fall war die pflichtgemäße Unterrichtung von Gemeinderat und Öffentlichkeit nicht ausreichend.
Umso dringender scheint eine rücksichtslose Aufklärung nicht nur eines Honoratioren-Gremiums, sondern der breiten Öffentlichkeit. An solcher Bereitschaft fehlt es offensichtlich nicht nur der Stadtverwaltung mit dem OB an ihrer Spitze, sondern auch einer qualifizierten Mehrheit im Gemeinderat.
Dabei fällt mir auf: Im Mai wird der Gemeinderat neu gewählt.
Autor: hpk
Öffentlichkeit ist das A und O der Demokratie.
Heute wurde ich gebeten, das Verhältnis zwischen repräsentativer und direkter Demokratie bezügliche dem Wunsch nach mehr Bürgerbeteiligung klar herauszustellen. Der lange Marsch durch die parlamentarische Demokratie ist für manche 68er glücklich verlaufen, wie dies Hertha Däubler-Gmelin am 14.1.2014 bei der Verleihung des Hecker Hutes stolz demonstrierte, die nach 37 Jahren als Abgeordnete des Deutschen Bundestag immer noch für soziale Gerechtigkeit streitbar eintritt. Wurden da Berufsverbote und Verschärfungen des Asylgesetzes nicht ausgeblendet? Und gibt es nicht seit Jahren die Forderung nach mehr Demokratie auch auf kommunaler Ebene? Gibt es nicht trotz 150 Jahre Sozialdemokratie immer noch genügend Baustellen in den prekären Schluchten zwischen den gut situierten Oligarchen und den normalen Steuerzahlern und sind nicht 20 Prozent der Kinder in Deutschland von Armut betroffen?
Was jede und jeden vor Ort betrifft, sind es doch die kommunalen Ratsbeschlüsse, die Stadtteilentwicklungen und Bereiche des öffentlichem Raumes, in dem soziales Leben stattfindet.
Däubler Gmelin: „Soziale Gerechtigkeit ist nur durch den Druck der Zivilgesellschaft zu erreichen.“
Nicht-Öffentlichkeit begünstigt und bewirkt hingegen eine fortwährende Willkürlichkeit realer Stadtpolitik.
Eine große Anzahl Tagesordnungspunkte werden bei den Gemeinderatssitzungen durchgewunken, abgestimmt und viel zu selten offen diskutiert.
Verantwortung im Lichte der Öffentlichkeit scheint vielfach oder gar durchweg als Utopie abgeschmettert zu werden.
Die Bürgerinnen dürfen neuerdings ein Aha Erlebnis im Podcast statt Live-Event genießen.
Mehr Öffentlichkeit durch mehr Bürgerbeteiligung bleibt eine essentielle Aufgabe. Die heutigen Barrikaden – ökologische Gewerbeförderung, Mindestlohn, Erhalt von Grünflächen, gerechte Bildung, soziale Verpflichtung bei Eigentum, sozialer Wohnungsbau, keine übermäßige Verdichtung, Vermeidung weiteren Industriebrachen – bauen auf die konsequente Beteiligung der Öffentlichkeit – radikal demokratisch, undogmatisch und mit breiter öffentlicher Beteiligung.
Zivilcourage kann geahndet werden.
Ob nichtöffentlich oder öffentlich eine Ratssitzung stattfindet, hängt von gemeinderätlichen Beschlüssen ab.
In wieweit eine Zuwiderhandlung gegen eine Geheimhaltungsverpflichtung geahndet wird, hängt ebenfalls vom Gemeinderat ab –
siehe VG Köln vom 30. August 2012 – AZ 4 K 4462/11 in Sachen Verletzung der Verschwiegenheitspflicht.
Gegen einen Grünen Stadtrat beschied der Rat der Stadt Köln eine Geldbuße in Höhe von 200 Euro. Der standfeste aber vorlaute Stadtrat klagte gegen diesen Bescheid. Die Klage wurde als unbegründet zurückgewiesen.
Wenn es darum geht, Gemeindearbeit zu betreiben, werden Ausschüsse einberufen, um Entscheidungen vorzubereiten. Um gute Sacharbeit zu leisten, gilt dann der Grundsatz keine Denkverbote, aber genau da sollten sich die Beteiligten keine Maulkörbe gegenüber der interessierten Öffentlichkeit verpassen. Das geschenkte Vertrauen an den Rat, bedingt wiederum eine ausreichende Vertraulichkeit – was aber eine offene Diskussionsbereitschaft zu den Entschlussvorlagen ebenso einschließt.
http://openjur.de/u/462451.html
Aber in einem werden Sie mir doch Recht geben, lieber Dr. Rügert: Der Umstand, dass auch in anderen Ausschüssen manche Mitglieder ohne Legitimation durch das Wahlvolk an nicht-öffentlichen Sitzungen teilnehmen, deren Informationen der Öffentlichkeit vorenthalten bleiben, reicht als Begründung für die Ausweitung dieser undemokratischen Praxis wohl nicht aus. Ich zumindest verstehe Transparenz und Bürgerbeteiligung anders.
Beste Grüße
H.-P. Koch
seemoz
Hallo Herr Koch,
ihre Behauptung, dass die Zahl nichtöffentlicher Sitzungen bereits unter OB Frank „landesweit rekordverdächtige Höhen erreicht“ habe, ist nicht richtig. Das Gegenteil ist der Fall: Die Konstanzer Verwaltung bietet ihren Bürgerinnen und Bürgern eine weitaus größere Transparenz der Beratungen und Entscheidungen des Gemeinderats als die Gemeindeordnung als Rahmen vorsieht. Gemäß Gemeindeordnung sind die Gemeinderatssitzungen grundsätzlich öffentlich, Ausschüsse tagen zu Vorberatungen dagegen „in der Regel nichtöffentlich“.
Die Konstanzer Praxis geht über diesen Rahmen hinaus, indem sie auch viele Vorberatungen der Ausschüsse öffentlich durchführt. Die Bürgerinnen und Bürger erhalten dadurch viel mehr Gelegenheiten, Beratungen der Gemeinderäte beizuwohnen. OB Burchardt führt diese Tradition weiter und baut sie sogar noch aus, wie die Podcast-Lösung zur Übertragung von Gemeinderatssitzungen zeigt. Die erste Übertragung ist noch in diesem Monat vorgesehen.
Ebenfalls nicht richtig ist die Behauptung, es sei „wahrlich eine Informationsverweigerung neuer Dimension“ dass „solche Nicht-Öffentlichkeit einem Beratungsausschuss verordnet wird, in dem Nicht-Mandatsträger sitzen“. Seit vielen Jahren sind Sachverständige Einwohner bzw. Vertreter von Verbänden oder Einrichtungen auch Mitglieder im Jugendhilfeausschuss, im Sozialausschuss, im Kulturausschuss oder um Ausschuss für Schulen, Bildung, Wissenschaft und Sport. Bei nicht-öffentlichen Tagesordnungspunkten sind selbstverständlich auch die Mitglieder dieser Gremien ebenso zur Verschwiegenheit verpflichtet wie die Gemeinderäte.
Beste Grüße,
Dr. Walter Rügert
Pressereferent