Niederburg – Rummelplatz?
Was als Nachbarschaftstreff vor vier Jahren begann, artet zur Kommerzzeile aus: Der Gassenfreitag in der Niederburg, einst ein fröhliches Fest unter Freunden im ältesten Konstanzer Stadtteil, wird zum Rummelplatz für Flohmarkt-Profis und Event-Marketender. Das ist schade, denn Charme ist nicht käuflich.
Der kleine Büchermarkt in der Niederburggasse mit tatsächlich lesenswerten Raritäten wird jetzt zugedeckt von hastig aufgestellten Tapeziertischen auswärtiger Flohmarkt-Profis; das Mikro-Theater in der Klostergasse mit tatsächlich hörenswerten Rezitationen geht neuerdings unter im Lärm der Weinstuben-Zecher; Jürgen Waidele (immerhin Niederbürgler) verstopft mit seinen Musikanten die Inselgasse, Familie Leipold (ebenfalls Niederbürgler) macht SPD-Werbung in der Tulengasse und das Brauhaus (aus Skandinavien zugewandert) wollte schon immer so viele Würste verkaufen. Nein – der Charme ist hin am Gassenfreitag in der Niederburg.
Mag ja sein, dass die Organisatoren im verantwortlichen ‚Verein Niederburg vital‘ das immer schon im Sinn hatten, im Vorstand dominieren nämlich die Einzelhändler. Und deren Lebensinhalt ist bekanntlich die Umsatzsteigerung. Aber muss das so klotzig präsentiert werden – mit fremdländischem Dudelsack und volkstümlicher Quetschkommode auf Fasnacht-Lärmpegel-Niveau?
Jugendliche übrigens finden sich unter den Zechern, Krakelern und Scherbenproduzenten kaum – da schunkeln vielmehr Menschen wie Du und ich, Lehrer und Buchhalter, die sich modisch Controller nennen, Stadtbedienstete mit Arbeitsplatzgarantie und Hausfrauen, die aus der Seestraße oder den Hofgärten, wo sie ansonsten jugendliche Ruhestörer vergraulen, aufgehübscht zum Rabbatz in die Niederburg ziehen. Gute Unterhaltung nennen sie das dann.
Das Charmante ist unterdes verflogen. Wie zu Fasnacht ziehen sich die Niederbürgler zurück, überlassen das Feld den Geschäftemachern und erdulden die aufgesetzte, alkoholisierte Fröhlichkeit einmal im Monat. Denn der Charme trauter Nachbarschaft, ein freundschaftliches Schwätzchen, ungekünsteltes Miteinander – das ist nicht käuflich, auch nicht verkäuflich. Aber das ist verloren gegangen beim Gassenfreitag.
Schade um dieses einst so ursprüngliche Fest, das dauerhaft gute Chancen gehabt hätte, zur liebenswerten Visitenkarte dieses liebenswerten Stadtteils zu werden.
Autor: hpk
Dieser Beitrag spricht mir als in der Niederburg wohnender aus der Seele. Das ist eine reine Kommerzveranstaltung geworden. Und alles gut geheissen vom Trägerverein. Diese Freitage sind nichts anderes als das Oktoberfest in klein. Wir fliehen diese allmonatliche Freitagsgeißel.
Besonders ärgerlich ist, dass sich die Veranstalter davor drücken, die wahren Absichten auch offiziell bekanntzugeben. Wie anders sind die selbstgemachten Durchfahrtverboten-Schilder und die Anfeindungen der Standbetreiber zu verstehen, wenn ich mein Haus mit dem Auto erreichen muss? Hier scheut manvon Seiten des Veranstalters die Kosten und vor allem die Folgen das Ganze als kommerzielle Veranstaltung anzugeben. Denn dass die Stadt über Monate hinweg ein offizielles Stadtteilfest genehmigt, ist doch fraglich. So aber segelt das Ganze einfach nur unter falschem Segel.
Ja, da muß ich Dir ausnahmsweise Recht geben !