Ausstellung: Mord und Vergewaltigung sind Kapitalverbrechen

Unter dem Titel „Mit dem Audioguide auf Abwegen“ kritisierte David Bruder – immerhin „kontrovers“ – den Audioguide eines Stadtrundgangs auf den Spuren der Konstanzer Kolonialgeschichte, der die Ausstellung „Stoff. Blut. Gold.“ von StudentInnen der Uni Konstanz, der HTWG Konstanz sowie der Hochschule Kaiserslautern begleitet. Hier eine Antwort; Khayim Illia Perret wirft darin Bruder eine „perfide Form von deutschnationaler Propaganda“ vor.

Die Ausstellung selbst fokussiert sich auf das XVI. Jh. und die Person des namhaften Konstanzer Kaufmanns Ulrich Ehinger. Schlüsseldokument ist ein Vertrag vom 12. Februar 1528 zwischen Ehinger (und Sayler aus St. Gallen) mit dem Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation und König von Spanien Karl V. über Deportation, Transport und Verkauf von 4.000 (viertausend) Menschen aus dem afrikanischen Guinea als Sklaven in die Karibik und nach Südamerika, das alles steuerfrei. Einer der ersten, wenn nicht der erste Vertrag zum transatlantischen Sklavenhandel. Konstanz hatte damals etwa 5.000 Einwohner. Punkt. Darum geht es in der Ausstellung.

Ein phantastisches Raum-Zeit-Paradoxon

Ich möchte das gewiss fleißige Unternehmen Bruders, den von StudentInnen erstellten Audioguide durch Kritik der Wortwahl und des Satzbaus zu diskreditieren, nicht weiter kommentieren. Ich habe ihn mit Interesse gelesen und verstehe nicht alle, so doch viele seiner Einwände, ohne sie immer zu teilen. Andererseits: Ein Audioguide ist keine Seminararbeit. Ich bin mir nicht sicher, ob er den richtigen Maßstab angesetzt hat.

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Beim Kommentar zur vorletzten und 11. Station hingegen, dem Zeppelin-Denkmal am Hafen, wuchs mein Entsetzen von Zeile zu Zeile. Dort gerät Bruder in ein phantastisches Raum-Zeit-Paradoxon mit verschiedenen, nicht miteinander vergleichbaren und doch von ihm wild verbundenen und ausgearbeiteten Narrativen, unabhängig davon, ob und oder wie sie im Audioguide vorkommen: Graf Ferdinand von Zeppelin, die Benutzung seines Namens zur Benennung oder auch nicht von Schulen, der Luftkrieg über London 1917, die Sagenfigur Wieland der Schmied, die Geschichte der Luftfahrt und endlich die Macaire-Familie.

Dabei entfernt sich Bruder vollends von der Thematik der Audioguides und lässt sich zu einer gefährlichen revisionistischen, brutal-patriarchalischen, militaristischen Rhetorik hinreißen. Damit hat auch meine Entgegnung mit dem Gegenstand der Audioguides im engsten Sinne nichts zu tun. Aber diese perfide Form von deutschnationaler Propaganda darf nicht unbeantwortet im Raum stehen bleiben.

Zeppelin mittendrin

Warum vergleicht Bruder die Bombardierung Londons im ersten Weltkrieg mit der Bombardierung von Rotterdam und Coventry im zweiten Weltkrieg? Warum nicht London mit London vergleichen? Dann würde wenigstens ein Teil der Überlegung aufgehen: Das Ausmaß des Schadens der Bombardierung Londons 1917 mit ungefähr 500 toten ZivilistInnen wäre kleiner als die 40.000 zivilen Opfer der Bombardierung Londons im 2. Weltkrieg. Die Bombardierung Londons 1917 bleibt das erste Mal in der Menschheitsgeschichte, wo eine Zivilbevölkerung im wahrsten Sinne aus heiterem Himmel angegriffen und ermordet wurde. Und Graf Ferdinand von Zeppelin hatte diese Aktion ausdrücklich vorgeschlagen und propagiert. Da gibt es nichts Lobenswertes und das ist durch nichts zu entschuldigen. Dass eines solchen Kriegstreibers so prominent und unkritisch gedacht wird, ist einer demokratischen Gesellschaft unwürdig und beschämend für die Stadt Konstanz.

Dass Bruder darüber hinaus den sagenhaften Vergewaltiger und Mörder Wieland damit verteidigt, dass dieser vor seinen Verbrechen vom König Nidhad „gelähmt“ worden sei (es wurden ihm die Kniekehlensehnen durchgetrennt, übrigens nicht aus Rache, sondern um seine Flucht zu verhindern) kann ich außerhalb einer deutsch-nationalen mythologischen Ideologie oder Kindergarten-Ich-nicht-er-auch-Denkweise nicht einordnen.

Damit ist Bruder im offiziellen Konstanz allerdings in guter Gesellschaft, wie die Preisung Wielands auf der Website der Stadt zeigt, nämlich „[…] als deutscher Held […], der durch Mut und Klugheit seine Feinde und die Lüfte bezwingen konnte“.

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Und weiter: In jener offiziellen Darstellung des Denkmals wird dessen Bildhauer, Karl Albiker, als Schüler Rodins dargestellt. Das stimmt, Albiker war auch bei Bourdelle Schüler und ein wahrlich begnadeter Künstler. So begnadet, dass er auf der Gottbegnadeten-Liste als einer der wichtigsten bildenden Künstler des Dritten Reichs geführt wurde. Eine Liste, die von Goebbels und Hitler persönlich ab 1944 verantwortet wurde. Albiker war auch schon am 1. Mai 1933 der NSDAP beigetreten. Hier wird Bruder einwenden, das sei erst lange nach der Erstellung des Zeppelindenkmals gewesen. Stimmt. Wie war das mit dem Huhn und dem Ei?

Offensichtlich ist sich David Bruder seiner deutschnationalen, militaristischen und gewaltverherrlichenden Gedankenführung und Rhetorik nicht bewusst. Und ist damit der letzte, der anderen tendenziöse Aussagen, ideologische Befangenheit oder methodische Fehler vorwerfen kann.

Text: Khayim Illia Perret (Bild: Sklaventransport um 1900, Wikipedia, gemeinfrei)