Morddrohungen gegen Konstanzer StadträtInnen

seemoz-Nazis löschenBundesweit brennen Flüchtlingsheime, und gewaltbereite Rassisten ziehen grölend durch die Lande. Die anfangs fast schon hyperventilierende Willkommenskultur wird von Rechtsradikalen konterkariert, und mittlerweile hat eine Mehrzahl der „besorgten BürgerInnen“ längst keine Hemmungen mehr, sich dem braunen Mob anzuschließen. Nun hat dieser Ungeist auch das weitgehend beschauliche Konstanz erreicht.

„Wir wissen, dass Sie zusammen mit Ihrem Oberbürgermeister und den beigeordneten Bürgermeistern den Kurs Merkels konsequent mittragen. Sie wollen tausende von muslimische (!) illegale Eindringlinge in Konstanz ansiedeln (…) Das ist ein Verbrechen an den Konstanzern (…)“.

So ein Auszug aus einer Mail, verfasst von einer Gruppierung, die sich „Deutsche Patrioten“ nennt und deren Ergüsse vor allem an die StadträtInnen der FGL (Freie Grüne Liste) und LLK (Linke Liste Konstanz) gingen. Wohlwollend erwähnt werden in dem Schreiben die Äußerungen von Landrat Frank Hämmerle, der in einem Südkurier-Interview unter anderem kürzlich erklärt hatte: „Wir schaffen es nicht“. Der CDU-Mann bezog sich dabei auf die Unterbringung von Flüchtlingen im Landkreis und machte sich dadurch – bewusst oder unbewusst – zum Stichwortgeber für den rassistischen Pöbel. LLK, Linke und auch der SPD-Landtagsabgeordnete Hans-Peter Storz kritisierten Hämmerle dafür und forderten ihn auf, seine Aussagen zu korrigieren. Doch der Landrat denkt nicht daran.

Insgesamt 12 Konstanzer RätInnen erhielten die „patriotische“ Mail, deren weiterer Inhalt an Deutlichkeit nicht zu überbieten ist: „Es ist unser Land (…) wir wehren uns und wir wissen, dass es ein blutiger Kampf wird, denn wir haben es mit Millionen von gewaltbereiten jungen muslimischen Männern zu tun (…)“. Dann die eindeutige Morddrohung an die StadträtInnen: „Und wir versprechen Ihnen: Wir werden über Sie, die uns vernichten wollen, nach unserem Sieg gegen die Eroberer zu Gericht sitzen. Und dann gilt: Wir werden Sie richten, und es wird keinen Gott geben, der Gnade für Sie walten lässt“.

Mehrere der angeschriebenen KommunalpolitikerInnen haben die Polizei informiert. Außerdem verlangen sie von Oberbürgermeister Uli Burchardt, die Verwaltung möge bei der nächsten Gemeinderatssitzung zu den Drohungen eindeutig Stellung beziehen. Auch von einer gemeinsamen und fraktionsübergreifenden Resolution gegen rechte Umtriebe ist die Rede.


Kommentar

Die angedachte Resolution wird das Problem nicht lösen. Alle werden brav erklären, dass man sich gegen rechte Umtriebe zur Wehr setzen müsse. In etwa so: „Die Stadt Konstanz steht für Toleranz und Offenheit, erteilt neofaschistischen Umtrieben eine ganz klare Absage und ist wahnsinnig bunt. Sie drückt weiterhin ihr Entsetzen (Abscheu ginge auch) über die Morddrohungen aus und ist obendrein äußerst bestürzt/erschüttert“. Anschließend wird man grundsätzlich besorgt, aber doch halbwegs zufrieden über die antifaschistische Pflichterfüllung, zur Tagesordnung übergehen. Darf ich gähnen?

Wer die Medienlandschaft im Landkreis ein wenig kennt, wird feststellen, dass vor allem die Online-Seiten des Südkurier überwiegend zum Tummelplatz für Rassisten und auch Rechtsextreme geworden sind. Die Redaktion lässt seit Monaten anonym verfasste Hass-Kommentare zu, die an Menschenverachtung ihresgleichen suchen (seemoz hat des Öfteren darüber berichtet). Hier wird indoktriniert und gehetzt, Tag für Tag für rund 25 000 LeserInnen. Und das trägt üble Früchte. Will man den braunen Sumpf zumindest ein Stück weit trocken legen, könnte der Gemeinderat eine Resolution verabschieden, die den Südkurier-Verlag unmissverständlich auffordert, Kommentare nur noch unter Klarnamen zuzulassen. Das wäre eine sinnvolle Maßnahme, die den braunen Brandstiftern ihre öffentlichkeitswirksamste Plattform versperren würde.

Doch dazu wird es wohl (leider) nicht kommen. Mit dem Meinungsmacher Nummer eins wollen es sich die meisten nicht verscherzen. Dazu kommt, dass die Mehrzahl der KommunalpolitikerInnen gar nicht weiß und auch nicht wissen will, was sich neben der seriösen Printausgabe online an brauner Volksverhetzung zusammen rottet. Und diese Ignoranz wird sich eher früher als später bitter rächen.

H. Reile

Rechte Drohungen gegen Konstanzer Stadträt_innen

Rechtsextreme haben Anke Schwede und Holger Reile, die beiden Stadträt_innen der Linken Liste Konstanz (LLK), wegen ihres Eintretens für Flüchtlinge mit dem Tod bedroht. Auch alle Mitglieder der FGL-Fraktion haben nach unseren Informationen gleichlautende E-Mails erhalten sowie zumindest eine Rätin der SPD. In den Mitteilungen, die den Gemeinderatsmitgliedern Ende letzter Woche zugegangen sind, heißt es, man werde „nach unserem Sieg gegen die Eroberer“ – gemeint sind damit Flüchtlinge – über sie „zu Gericht sitzen“. Die mit „Deutsche Patrioten“ unterzeichnete Drohmail unmissverständlich weiter: „Und dann gilt: wir werden Sie richten, und es wird keinen Gott geben, der Gnade für Sie walten lässt.“

In dem vor Verleumdungen und rassistischem Hass nur so triefenden Text beziehen sich der oder die Verfasser_innen ausdrücklich auf die Interviewäußerungen von Landrat Frank Hämmerle zum Thema Flüchtlinge. Der sei ebenfalls zu dem Ergebnis gekommen, so der Text, dass „die Unterbringung der Völkerwanderer, die gewaltsam und illegal in unser Land eindringen, nicht machbar ist“. Die „Patrioten“ halluzinieren von einer drohenden „Neubesiedelung von Konstanz“ durch „muslimische illegale Eindringlinge“ und beschwören „marodierende Banden“ herauf, denen die Polizei nichts entgegenzusetzen habe. Welches wirre Weltbild die Rechtsextremen pflegen, zeigt sich auch daran, dass sie der „Bundeskanzlerdarstellerin Merkel“ unterstellen, an der Spitze einer „verbrecherischen Clique verantwortungsloser Deutschlandhasser“ zu stehen.

Schneller als gedacht tragen die unsäglichen Äußerungen Hämmerles nun üble Früchte. Der rassistische Mob, der sich auch am Bodensee zunehmend sammelt, fühlt sich – wie von uns vorausgesagt – gerade auch durch solche Aussagen ermutigt und verspürt Oberwasser. Aber auch die zunehmend skandalisierende und diffuse Ängste schürende Medienberichterstattung der letzten Wochen tut ein übriges. Laut ARD-Deutschlandtrend sagt inzwischen eine Mehrheit von 51 Prozent der Deutschen, dass ihnen die Ankunft so vieler Flüchtlinge Angst macht. Damit haben sich innerhalb eines Monats die Verhältnisse umgekehrt. Und in Onlineforen toben sich rassistische, rechtsextreme und fremdenfeindliche anonyme „Kommentatoren“ zunehmend aus. Hier sind die  Medienmacher_innen gefordert, diesem Treiben endlich einen Riegel vorzuschieben.

Die Linke Liste Konstanz regt eine gemeinsame Erklärung aller Ratsfraktionen und der Stadtverwaltung an, die unmissverständlich deutlich macht, dass sich die demokratischen Kräfte von solchen Drohungen nicht einschüchtern lassen. Der Gemeinderat sollte das bei der kommenden Sitzung am 22.10. mit einer Resolution bekräftigen. Unabhängig davon gilt: Wir werden uns auch durch solche Einschüchterungsversuche nicht in unserem Eintreten für die Rechte der Flüchtlinge beirren lassen.

Linke Liste Konstanz

Mehr zum Thema:
07.07.15 | Südkurier Online: Na also, geht doch
28.05.15 | Südkurier Online: Ein Tummelplatz für Rassisten