Donnerstag entscheidet sich das Schicksal des Scalas
Zu einem Runden Tisch in Sachen Scala trafen sich am gestrigen Dienstag noch einmal die Hauptakteure des immer wieder spannenden Kino-Dramas. Wer Wunder erwartet hatte, wurde enttäuscht: Alle Seiten blieben bei ihren Positionen. Also entscheidet der Gemeinderat am Donnerstag darüber, ob das Scala noch eine Chance bekommt, und es sieht ganz so aus, als könne diese Entscheidung äußerst knapp ausfallen.
Lokalpolitik ist für die Hauptakteure oft ziemlich anstrengend – und gelegentlich, wenn die Emotionen hochkochen, auch menschlich belastend. Für den Betrachter hingegen kann sie durchaus spannend sein, wie die Diskussionen um die Schließung (oder den Umzug) des Konstanzer Scalas beweist: Man weiß oft nicht mehr, ob das noch große Tragödie oder schon lumpige Farce ist. Aber immerhin, Unterhaltungswert für das Publikum hat’s allemal.
Die Hauptbeteiligten trafen jetzt zu einem letzten Meinungsaustausch vor der endgültigen Entscheidung des Gemeinderates zusammen: Die Verwaltung, die Bürgerinitiative „Rettet das Scala“, der an der Fortführung des Scalas interessierte schwäbische Kinobetreiber Heinz Lochmann sowie Immobilienbetreiber Wulf Wössner, dm-markt-Regionsverantwortlicher Christian Harms und der Konstanzer Kinoinhaber Hans-Detlef Rabe.
Das Ergebnis ist überschaubar: Alle Beteiligten bleiben bei ihrem sattsam bekannten Standpunkt. Oberbürgermeister Uli Burchardt geht davon aus, dass der Gemeinderat am Donnerstag die von der FGL beantragte Veränderungssperre ablehnt, so dass die Verwaltung recht bald den Umbau des Scalas an der Marktstätte in einen dm-markt genehmigen kann. Sollte das so kommen, versprach der Oberbürgermeister, wollen sich alle Beteiligten aber wieder treffen, um dann nach einer Kino-Lösung an einem ganz anderen Ort zu suchen.
Bürgerinitiative will weitermachen
Für die Bürgerinitiative erklärte deren Sprecher Lutz Rauschnick, dass man am Donnerstag im Gemeinderat durchaus Chancen für eine knappe Mehrheit pro Veränderungssperre und Bebauungsplan sehe. Er zeigte sich beeindruckt, wie sehr die rund 6000 Konstanzerinnen und Konstanzer aus allen Schichten, die für seine Bürgerinitiative unterschrieben haben, an ihrem Kino hängen.
Aber auch, wenn es diese Mehrheit nicht gibt und das Scala an diesem Standort schließt, will sich die Initiative nicht auflösen, sondern künftig die Stadtentwicklung in Konstanz kritisch begleiten, weil es vielen Aktiven um mehr als nur das Scala gehe. Man darf gespannt sein, ob sich die Bürgerinitiative „Rettet das Scala“ tatsächlich vom One-Hit-Wonder zu einer stabilen Bewegung politisch aktiver Bürger entwickelt.
Ziemlich emotional wurde der wortgewaltige Kinobetreiber Heinz Lochmann, der bereit ist, das Scala als Programmkino weiterzuführen. Er sieht sein Projekt nicht als Konkurrenz zu Rabes CineStar im Lago, das für den Mainstream und das breite Publikum zuständig sei. Für ihn zeigt die Debatte um das Scala vielmehr, dass es hier um weit mehr als Kino geht: Um Heimat und um Menschen nämlich. Er sehe gute Chancen, das Scala wirtschaftlich solide weiter zu betreiben, denn er wolle in Konstanz zwar gern investieren, aber ganz sicher kein Geld verlieren.
Kein Kino mehr an der Marktstätte
Immobilienentwickler Wulf Wössner, der das Scala-Anwesen Marktstätte 22 auf 30 Jahre von einer Eigentümergemeinschaft gepachtet hat, erklärte, dass er auf jeden Fall vor Gericht ziehen wird, wenn der Gemeinderat am Donnerstag eine Veränderungssperre beschließt. Aus seiner Sicht und aus der des Konstanzer Kinobesitzers Hans-Detlef Rabe wird das Scala auch gar nicht geschlossen, sondern zieht einfach nur ins CineStar im Lago um (wo es mit allerdings nur einer Leinwand sein Angebot sehr verringern muss). Laut Wössner gibt es drei Verträge, die jede mögliche Nutzung des Gebäudes an der Marktstätte als Kino ausschließen: 1. den Vertrag mit den Eigentümern der Liegenschaft, 2. den Vertrag mit dem dm-markt und 3. den Vertrag mit Kinounternehmer Hans-Detlef Rabe, der vorsieht, dass in das Gebäude an der Marktstätte für 30 Jahre kein Kino mehr kommen darf. Laut Rabe ist das eine durchaus übliche Vertragsklausel, die seinem (arg geschrumpften) Scala im Lago unliebsame Konkurrenz vom Leibe halten soll. An all diese Verträge wollen sich Wössner und seine Vertragspartner unbedingt halten.
dm nicht contra Scala
Vor allem, so Christian Harms von dm, sei es falsch zu behaupten, dass sein Unternehmen das Scala verdränge. Es sei vielmehr so gewesen, dass Scala-Besitzer Hans-Detlef Rabe aus seinem Pachtvertrag für das Scala ausgestiegen sei. Erst danach sei dann der Kontakt zum dm-markt als künftigem Pächter entstanden. Und wenn 6000 Konstanzerinnen und Konstanzer den neuen dm aus Protest boykottieren sollten, sehe er in den anderen 74 000 Konstanzer Käufern immer noch genügend Käuferpotenzial.
Das Zebra-Kino als Alternative?
Ein Vertreter des Zebra-Kinos erklärte, dass das Zebra das Ende des Scalas und den damit verbundenen Verlust von drei Leinwänden bedauern würde. Die bisherige Dreiteilung, CineStar für den Mainstream, Scala für Arthouse-Filme und Zebra für die extremeren Sachen, habe sich sehr bewährt. Das Zebra will allerdings die Lücke, die das Scala-Ende reißen würde, nicht füllen. Es sei ein Verein, der vor allem mit Ehrenamtlichen arbeitet, und könne mangels Personals seinen Spielplan nicht einfach auf den Nachmittag und bisher spielfreie Tage ausdehnen. Außerdem klang an, dass die Zebra-Macherinnen und -Macher an einem Programm wie im Scala auch inhaltlich wenig Geschmack finden dürften, da ihnen das schlichtweg zu kommerziell sei.
Haben sich alle wieder lieb?
Auf allen Seiten lagen die Nerven in den letzten Wochen oft ziemlich blank. Die Bürgerinitiative fühlte sich zu wenig beachtet und einbezogen, Herr Wössner mag sich mit der ihm zugedachten Rolle des kaltschnäuzigen Immobilienhais und eingeschworenen Kulturfeindes nicht anfreunden, und Oberbürgermeister Uli Burchardt dürfte froh sein, wenn das alles vorbei ist und er sich wieder konzentriert den wirklich großen Aufgaben in der Stadt widmen kann – wie Flüchtlingen, Wohnungsbau und beim Unternehmerfrühstück anderen ein paar Schnittchen wegzumampfen. Er nutzte sein Schlusswort geschickt zu einem „Werbeblock“ für seine Politik. Er verwies auf seine Anstrengungen in Sachen nachhaltiger Stadtentwicklung wie zum Beispiel im Rahmen des Projekts „Zukunftsstadt Konstanz“ und lud alle, die sich jetzt so vehement für die Zukunft von Konstanz interessieren, zur Teilnahme an diesem Projekt ein. Nicht schlecht gemacht: 1:0 für Uli Burchardt in der 90. Minute.
Am Donnerstag gibt es ab 16 Uhr im Ratssaal die für das Scala entscheidende Sitzung des Gemeinderates: Wird ein Bebauungsplan aufgestellt und eine Veränderungssperre für das Gebiet nördliche Marktstätte verhängt, so dass das Scala noch eine Chance bekommt? Werden die Bürgerlichen obsiegen, die für den ungehinderten Gebrauch des Privateigentums einstehen? Werden die Ängstlichen die Oberhand behalten, die erhebliche Schadensersatzforderungen befürchten, wenn man Wössner und dm nicht gewähren lässt? Wer einen der bequemen Zuhörerplätze ergattern will, sollte jedenfalls früh kommen, denn es dürfte voll werden wie bei einer Witwenverbrennung.
O. Pugliese
Wenn die Bekämpfer des Unrechts
Ihre verwundeten Gesichter zeigen
Ist die Ungeduld derer, die in Sicherheit waren
Groß.
Warum beschwert ihr euch, fragen sie
Ihr habt das Unrecht bekämpft! Jetzt
Hat es euch besiegt: schweigt also!
Wer kämpft, sagen sie, muß verlieren können
Wer Streit sucht, begibt sich in Gefahr
Wer mit Gewalt vorgeht
Darf die Gewalt nicht beschuldigen.
Ach, Freunde, die ihr gesichert seid
Warum so feindlich? Sind wir
Eure Feinde, die wir Feinde des Unrechts sind?
Wenn die Kämpfer gegen das Unrecht besiegt sind
Hat das Unrecht doch nicht recht!
Unsere Niederlagen nämlich
Beweisen nichts, als daß wir zu
Wenige sind
Die gegen die Gemeinheit kämpfen
Und von den Zuschauern erwarten wir
Daß sie wenigstens beschämt sind!
soweit der alte Brecht zum Scala
– oder – dass 30 Jahre im Konstanzer Rathaus keine Kulturpolitik mehr gemacht werden darf?
‚Ein Vertrag, für 30 Jahre ein Kino am jetzigen Scala-Standort auszuschließen, mag zwar legitim sein, aber ein „Geschmäckle“ hat dieser Fisch durchaus.‘
Ist das wirklich ‚legitim‘?
Oder verstösst er – wie ein Vertrag, dass 30 Jahre keine Drogerieartikel verkauft werden gegen welches Gesetz?
Konstanzer Trauerspiel zur Kulturpolitik 2016
Die Darsteller:
Ein Kinobesitzer, der eine erstaunlich niedrige Miete zahlt, ein Hausbesitzer, der etwas mehr möchte, ein Rettung verheißender Investor.
Weiterhin:
Drei Statisten stellen eine Gruppe dreier Bürgermeister dar, die im Hintergrund regelmäßig den einfach zu lernenden Satz sprechen:
Wir bedauern das, aber da kann man nichts machen.
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Ein Vertrag, für 30 Jahre ein Kino am jetzigen Scala-Standort auszuschließen, mag zwar legitim sein, aber ein „Geschmäckle“ hat dieser Fisch durchaus.
Bemerkenswert finde ich, wie spät dieser „Vertrag“ zwischen dem Investor Wössner und dem Konstanzer Kinobetreiber Rabe bekannt geworden ist – das riecht eher nach einem sehr späten strategischen Schachzug zweier Strippenzieher wenige Tage vor der Gemeinderatssitzung. Haben sich die beiden angesichts des Protestes nachträglich überlegt, wie sie ihre Schäfchen, die sie ins Trockene bringen wollten, noch zusätzlich „absichern“ könnten?
Das finanzielle Interesse der Investoren als alleiniges Kriterium für eine ebenso kurzsichtige wie unverantwortliche Stadtpolitik? Eigennutz vor Gemeinnutz?
Wenn die Verwaltungsspitze der Stadt Konstanz das Strippenziehen ausschließlich Investoren und Vertretern von Eigeninteressen überläßt, stellt sich die Gretchenfrage:
Wofür bezahlen wir eigentlich unsere Bürgermeister? Dafür nicht!
Franz-Josef Stiele-Werdermann
In der Nachbarstadt Kreuzlingen hat man schon lange sang-, klang- und initiativelos die ehemals drei Kinos beerdigt. Zwei geradezu klassische Kinogebäude stehen aber noch und werden derzeit anderweitig genutzt: Das baulich besonders eindrückliche „Apollo“ an der Konstanzerstrasse unweit der Grenze, sowie das „Bodan“ an der Hauptstrasse. Ich weiss nun nicht, ob das eine mögliche Option für Herrn Lochmann wäre. Wohl eher nicht, sollen doch seine Intentionen mit einer Vergesellschaftung der „Stadtkultur“ einher gehen, wie ich das empfinde. Und eine solche „Stadtkultur“ hat Kreuzlingen (rund 22’000 Einwohner) in den vergangenen Jahrzehnt im Zentrum nicht zustande gebracht. Die Stadt ist in der Breite gewachsen. Das Zentrum verdorrte. Selbst das Geschichtsbewusstsein, aus einer ehemaligen Klostergeschichte hervor gegangen zu sein, verpuffte im Zeitverlauf. Hingegen hat Konstanz noch ein geschichtsträchtiges Zentrum – die Altstadt – , die ohne Kultur im breitesten Sinn viel gesellschaftliche Substanz verlieren würde!
Sehr geehrte Damen und Herren,
vielen Dank für die interessante Drehbuchvorlage – aber für eine erfolgreiche Umsetzung sehen wir leider noch deutliche Defizite.
Die Motivation des ‚wortgewaltigen schwäbischen Kinobetreiber Heinz Lochmann‘ haben sie schön herausgearbeitet – aber bei den übrigen handelnden Personen sehen wir leider noch deutliche Defizite.
Vor allem sollten Sie sich eindeutig entscheiden – wer die Protagonisten und wer die Antagonisten der Handlung sind und um welches ‚Genre‘ es sich tatsächlich handelt.
Für eine spannende und erfolgversprechende Filmproduktion würden wir eher auf eine ‚Komödie‘ setzen und falls Sie auf eine ‚lumpige Farce‘ oder eine ‚Tragödie‘ bestehen – sollten Sie darüber nachdenken, ob nicht vielleicht das Theater eine bessere Bühne bietet.
Und dann diese Überlegung, dass es vielleicht kein Happy End gibt –
Also das geht gar nicht!
Dieser Gemeinderat MUSS eine positive Entscheidung treffen – ansonsten sehen wir so deutliche Defizite, dass vor allem die ‚Nachhaltigkeit‘ in Frage gestellt ist.
Wenn Sie wissen was wir meinen!
Cheers
Jessica Ströhle