Motto der Konstanz-Demo: Bitte nichts Politisches
Und er hat es doch getan: Uli Burchardt, Konstanzer Oberbürgermeister, setzte sich an die Spitze der Rednerliste der gestrigen Demonstration „Konstanz ist bunt“. Den krassen Widerspruch zu seinem Abstimmungs-Verhalten zwei Tage zuvor, als er gegen ein Abschiebeverbot votierte, bemerkten wohl nur wenige der gut 2000 DemonstrantInnen auf dem Münsterplatz
Ohnehin glich die Abschlusskundgebung eher einer Predigt als einer politischen Resolution, wie auch die Demonstration eher an einen Trauermarsch denken ließ . Das war bei der Auswahl der Redner aber auch nicht verwunderlich: Überwiegend Vertreter von Religions-Gemeinschaften hatten das Wort und nutzten das. So spickte Eugen Heckel von der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen seinen Beitrag mit Bibelzitaten, was angesichts der zahlreichen Teilnehmer muslimischen Glaubens mindestens taktlos war. Die Vertreterin der jüdischen Gemeinde verstieg sich gar in Angriffe auf den Islam, was nun gar nicht zum Motto des bunten Konstanz passen mochte. Aber auch davon bekamen die meisten Teilnehmer nichts mit, weil die Lautsprecheranlage sowieso nur die ersten drei Reihen beschallte.
Von solchen Peinlichkeiten abgesehen, war es ohnehin die Absicht der Organisatoren, Politisches außen vor zu lassen. Im Vorfeld bereits war es zu Unstimmigkeiten gekommen, weil Vertretern vom „Aktionsbündnis Abschiebestopp“ ein Rederecht verweigert wurde, auch Sprecher von Parteien jedweder Couleur wurden ausgeladen. Mit Transparenten und Fahnen bekannten die Organisationen dennoch Farbe – zu den angekündigten und von manchen befürchteten Störungen allerdings kam es nicht.
So kann sich der gemeine Konstanzer Demonstrant ruhig zurücklehnen – seine erste Straßen-Demo verlief ruhig (besonders wichtig), nichtssagend (niemandem wurde auf die Füße getreten) und folgenlos.[modal id=“19250″ style=button color=default size=default][/modal]
Autor: hpk, Fotograf: Nicolas Kienzler
Die „elementaren Reibungsverluste“ waren sehr einseitig und der „Kompromiss“ (wer schloss den bitte mit wem?) hat die Vielfalt verhindert. Tatsache ist, dass während Herr Burchardt reden durfte, der Redevorschlag vom Aktionsbündnis Abschiebestopp trotz Unterstützung von Amnesty, Initiative Stolpersteine u. a. untersagt wurde. Die Veranstalter fürchteten politische Angriffe auf andere Mitveranstalter. Das war eine Soll-Bruchstelle für wesentliche Kräfte in dieser ach so bunten Stadt.
Diese Art von Meinungsvielfalt und Buntheit hätte diese Veranstaltung scheinbar nicht ausgehalten. Dabei war diese Vielfalt und Meinungsfreiheit doch das Motto der Veranstaltung für die viele, viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer gekommen waren. Von diesem Etikettenschwindel haben all die Menschen nichts mitbekommen. Sie wären auch sicher gekommen und geblieben, wenn das Aktionsbündnis Abschiebestopp Konstanz ihre zentrale Forderung „Alle sind willkommen – alle dürfen bleiben“ zur Buntheit des Abends beigetragen hätte. So bröckelte der bunte Lack schon, bevor die Veranstaltung überhaupt begonnen hatte. Auch das Aktionsbündnis Abschiebestopp Konstanz hat im Vorfeld keine Bedingungen an die Redeliste gestellt. Vielfalt ist Vielfalt und wo Farbtöne im gemeinsamen Ziel fehlen, fehlt es an Buntheit. Das war unnötig und kleinkarriert. Letztlich schadet es dem gemeinsamen Ziel. Schade, nächstes Mal einfach besser machen.
Gestern Abend hat Konstanz gezeigt, dass es möglich ist, für Solidarität und Unterstützung viele Menschen zu mobilisieren und zu einem gemeinsamen Zweck auf die Straße zu bringen. Ich bin der Meinung, die Veranstaltung macht Hoffnung – Hoffnung auf echtes zivilgesellschaftliches Engagement, auf ein echtes Miteinander von Menschen und Kulturen.
Warum waren es so Viele fragt man sich, wenn man andere Veranstaltungen zum selben Thema entgegenhält.
Der Kompromiss, der zwischen allen demokratischen Parteien und Verbänden gefunden wurde, hat zu einer breiten Bereitschaft unter den Teilnehmern geführt, sich mit der Sache zu identifizieren. Bei solch einem Kompromiss entstehen leider jedoch auch elementare Reibungsverluste – diese müssen wir benennen und herausstellen.
Einer dieser Reibungsverluste war die Rede des Oberbürgermeisters selbst. Wie Im Artikel richtig dargestellt, kann es nicht sein, dass Herr Burchardt noch am Montag gegen einen Winterabschiebestopp für Flüchtlinge stimmt, die in eisige Gebiete ohne Hoffnung auf Aufnahme, Heimat oder einem Dach über dem Kopf zurückgeschickt werden – mit der Argumentation, so etwas sei nicht nötig und man müsse ja das Gesetz befolgen – um tags darauf von einer offenen Stadt zu sprechen. Solche Reden sind bigott und karikieren das Ziel, das diese Demonstration verfolgte.
Leider gilt Gleiches für die Rede von Frau Joneck. Sie schien es sich nicht nehmen zu lassen, in das Horn der Islamisierungsangst zu blasen und von ‚den Islamisten‘ zu sprechen. Das Attentat von Paris gemahnt zu Offenheit und Inklusion, nicht zu Hetzreden! Erst spät in ihrer Rede schien sie die Kurve noch bekommen zu haben, leider wirkte die Relativierung von der ‚Mehrheit der Muslime‘ gelinde gesagt halbherzig.
Doch all diese Kritikpunkte sprechen nicht gegen die Teilnehmer an dieser Veranstaltung, die ihre Einstellung, ihr Gewissen nach außen tragen wollten. Wie die Veranstalter, wie der Kopf der Demonstration diese missstaltete, sollte meines Erachtens nicht auf den Körper, die Teilnehmer zurückfallen. Ich danke allen herzlich, die gekommen sind, es hat mich sehr bewegt, so viele Menschen auf der Straße zu sehen, die sich mit MigrantInnen solidarisch zeigen.
Mit Herzlichen Dank an alle Teilnehmer,
Simon Pschorr
Oh je, man kann auch wirklich alles in Grund und Boden kaputt reden. So lässt mich dieser Artikel zumindest zurück. Ich habe heute (vermutlich ca.) 2.000 Menschen gesehen, die zeigen wollten, dass Pegida (oder eine Konstanzer Version derselben) keinen Sinn und Platz in unserer Stadt haben. Dieses Miesgerede von allem geht mir tierisch auf den Senkel. Man kann auch gute Absichten absichtlich falsch verstehen, nur dann ist man in keinem Sinne besser als diese rechts-aggreissiven Brüll-Affen (PEGIDA), man lässst es nur an anderer Stelle raus.
P.s.: Dass sich angesichts der religions-gelandenen Stimmung auch mehrere Vertreter der konstanzer Religionsgemeinden zu Wort melden und jeweils soziale Missstände anprangern, ist nur gerecht und gewollt. Daran ist nichts falsches !!