Mr. Spock braucht den Konstanzer Flughafen

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Der Landeplatz Konstanz (im Volksmund auch als „Flughafen“ verherrlicht) interessiert eigentlich niemanden, ehe dort nicht der erste A 380 abhebt oder das erste UFO aufsetzt. Oder vielleicht doch? Der Konstanzer Gemeinderat interessierte sich in seiner durchaus launigen Sitzung am Donnerstag, 14.04., trotzdem sehr dafür. Nicht minder als für den geplanten massiven Ausbau der Universität, die in den nächsten 50 Jahren baulich sehr zu expandieren gedenkt.

Uni mit Zukunft

Die Universität Konstanz, das „Klein-Harvardle am Bodensee“, ihrem Selbstverständnis nach eine der besten im Lande und durch die Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder auch als solche geadelt, will wachsen. Dass der seit dem 13.11.1969 gültige Bebauungsplan dafür nicht ausreicht, ist klar. Die Uni will in 3 Abschnitten bis 2018 immerhin 20.000 Quadratmeter Bruttogrundfläche, bis 2030 weitere 40.000 und bis 2060 nochmals 60.000 neu bauen. Dafür benötigt sie jeweils eine Baugenehmigung der Stadt, über die der Gemeinderat zu befinden hat. Deshalb hat sie beantragt, ein entsprechendes Genehmigungsverfahren für den ersten Bauabschnitt bis 2018 einzuleiten, der vor allem der Ornithologie (vulgo Vogelkunde) sowie zu wesentlich kleineren Teilen den Naturwissenschaften, der Soziologie sowie der Verwaltung zugute kommen soll. Wie gesagt: an diesem Nachmittag ging es im Gemeinderat nicht um eine Genehmigung des ersten Bauabschnitts, sondern um die Einleitung eines Verfahrens, das unter anderem auch eine Bürgerbeteiligung vorsieht. Immerhin dürfte es sich beim ersten Bauabschnitt um eine der wichtigsten Baumaßnahmen im Konstanz der nächsten Jahre handeln. Das klingt überzeugend: mehr Studienplätze (und wer wollte nicht mehr Bildung?), mehr (tariflich gesicherte) Arbeitsplätze an der Uni. Auf den ersten Blick ein Selbstläufer.

Im Vorfeld haben allerdings Studentenvertreter hörbar Zweifel angemeldet: Sie sehen in der Exzellenzinitiative, die Mittel zu den Neubauten beisteuert, einen Versuch, die Forschung und einige besonders begabte Eierköpfe auf Kosten der breiten Masse der Studierenden zu fördern, so dass die Lehre für die breite Mehrheit der Studenten davon nicht profitieren werde. Außerdem seien die Studenten von der Leitung der Uni (die ehemals als Reform-Uni auf der relativ gleichberechtigten Mitbestimmung aller vom Hausmeister bis zum Rektor bestanden hat) bisher in diese Planungen nicht einbezogen worden. Kurzum, hier werde ein weiterer Schritt von mehr Bildung für alle zu besserer Bildung für wenige und edlerer Ausstattung für einige Professoren und Doktoranten beschritten, während der Rest der Studierenden – nicht nur in den Geisteswissenschaften – in überfüllten Seminarräumen sitze, deren Dächer man erstmal flicken müsse, damit es nicht mehr durchregne, ehe man an Neubauten denken könne. Ein Zyniker merkte einmal an, der große Newton sei auf die wegweisende Idee der Gravitation gekommen, als ihm ein Apfel auf den Kopf fiel, und da wäre ein Dach – ob wasserdurchlässig oder nicht – wohl ziemlich hinderlich gewesen. Aber dies beiseite bemerkt, wer mag schon Zyniker?

OB Horst Frank hat (nach seinen Angaben) im Vorfeld mit dem Rektor der Uni telefoniert, der ihm versicherte, der Bauantrag komme ohnehin noch vor den Senat der Uni, in dem auch die Studierenden vertreten sind, und dort werde dieses Bauvorhaben mit sämtlichen Interessengruppen der Universität besprochen. Außerdem habe der Gemeinderat jetzt nicht über den Bauantrag selbst, sondern nur über den Beginn eines Genehmigungsverfahrens zu befinden, das eine Bürgerbeteiligung vorsieht, an der sich wie alle anderen Bürger auch Studenten beteiligen können. Die Bürgerbeteiligung findet übrigens am 09. Mai um 19:30 Uhr in der Universität statt.

Ein Selbstläufer also? So einfach ist es nicht, wie die Debatte im Gemeinderat zeigte. Denn, und darauf wies Werner Allweiss von den Grünen hin, und in dieselbe Kerbe hieben auch Vertreter praktisch aller anderen Fraktionen wie Jürgen Ruff (SPD) oder Holger Reile (Linke Liste), es ergeben sich aus den Neubauten mehrere ernsthafte Probleme. 1. sind dies massive Umweltprobleme, da das die Uni umgebende Gelände ein Naturbiotop ist und 2. benötigt eine steigende Zahl an Studenten und Angestellten natürlich auch Wohnraum und bringt massive Verkehrsprobleme mit sich. Dazu gab es einige Vorschläge, etwa ein Ticket für Angestellte und Studierende der Uni, das über Konstanz hinaus reicht und den gesamten VHB umfasst.

Ist die Uni eigentlich ein Ufo, das in Konstanz mit einer Bande relativ gut verdienender Angestellter an Bord gelandet ist und Studenten beherbergt, die über ihr schweres Schicksal klagen, um wenige Jahre später relativ privilegierte Jobs einzunehmen? Andersrum: Ein preislich attraktiveres Ticket im gesamten VHB ist eine vernünftige Forderung – sofern es das für alle gibt, ob sie nun einen Job an der Uni haben, dort studieren oder gerade arbeitssuchend sind.

Der Gemeinderat beschloss mit überwältigender Mehrheit, das Genehmigungsverfahren für den 1. Abschnitt des Erweiterungsbaus der Uni zu beginnen. Die Öffentlichkeit war mit etwa 5 Zuhörern vertreten, leider fand kein einziger der etwa 10.000 Uni-Studenten Zeit für einen Besuch dieser Sitzung, was angesichts der heutigen engen Lehrpläne auch kein Wunder ist. Es ist dringend nötig, dass die Universität sich beim Aufstellen ihrer Lehrpläne der Forderung inzwischen klassischer Römer besinnt, ihren Studenten genug otium (Muße) für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu gewähren. Dann würden die Zuhörersitze zumindest bei für die Universität wichtigen Themen gewiss aus allen Nähten platzen.

Siechenhaus

Mit Cicero sei an dieser Stelle unerwähnt, dass bei dieser Sitzung niemand, und zwar wirklich überhaupt niemand aus dem Gemeinderat die Verwaltung fragte, ob sich seit der letzten Gemeinderatssitzung in Sachen Krankenhaus etwas getan habe. Natürlich dürfte in dieser existentiellen Frage in den rund drei Wochen seit der letzten Gemeinderatssitzung etwas geschehen sein, und das hat der Gemeinderat gefälligst zu erfragen, und zwar in jeder Sitzung. Und sollte nichts geschehen sein, hat er die Verwaltung wegen Untätigkeit zu geißeln. Es kann nicht angehen, dass ein Rat von 40 Räten und Rätinnen dieses Thema, dessen Bedeutung nicht deutlich genug hervorgehoben werden kann, in auch nur einer seiner Sitzungen komplett ignoriert. Kompletter Gemeinderat: sechs, setzen! Dies sei zumindest all jenen Gemeinderäten, die im Ratssaal aus dessen Sicht links vom OB sitzen, ins Stammbuch geschrieben.

Landeplatz Konstanz

So richtig in Fahrt kann der Gemeinderat dann, als es um die Verlängerung des Pachtvertrages für die Flughafengesellschaft Konstanz GmbH ging. Es gab ungewöhnlich viele Wortmeldungen (an dieser Stelle sei übrigens Klaus-Peter Kossmehl von der CDU aus ganzem Herzen Genesung gewünscht).

Worum geht’s? Die Flughafengesellschaft hat diesen grünen Rasen von der Stadt Konstanz gepachtet. Der Pachtvertrag läuft in absehbarer Zeit aus – will die Stadt Konstanz ihn verlängern oder nicht? Wenn nicht, wird ein Gewerbegebiet draus oder zumindest ein Naturschutzgebiet plus Sportplatz? Oder vielleicht ein Landeplatz für verirrte Unternehmer, die sonst im Landeanflug auf die nächste Investition kein Gewerbegebiet mehr finden, sprich: ein Gewerbegebiet? Angesichts von 22.000 Quadratmetern in Konstanz leerstehender Gewerberäume und eines schweren Mangels an Wohnraum vielleicht kein dringliches Thema, mag einen dünken.

Der alte Kämpe Herbert Weber von der SPD machte den wohl besten Vorschlag: Da der Flughafen pro Jahr weniger Pacht an die Stadt zahle, als er an den beiden Tagen einnimmt, an denen er als Parkplatz für Rock am See und das Seenachtfest diene, sei es logisch, dass die Stadt den Pachtvertrag für den Flughafen kündige und die Kohle selbst einstreiche. Recht hat er.

Auf die Frage, ob der Flughafen Konstanz nicht vielleicht einfach eine Wochenendbeschäftigung für die äußerst kleine Minderheit äußerst begüterter Menschen sei, die sich ein Flugzeug überhaupt leisten kann, kam übrigens niemand in dieser „Volks“vertretung. Wie auch immer: Der Gemeinderat entschied sich dafür, den Pachtvertrag wie gehabt zu verlängern, sich aber jeweils nach Ablauf von 5 oder 10 Jahren eine Kündigung vorzubehalten, um über diese Fläche anders zu verfügen.

Was vielleicht ein wenig kurzsichtig sein mag, denn der Vorschlag von Klaus Frank (Bunte Liste) war vielleicht der zielführendste: Da ein Flugzeug von Frankfurt nach New York mehr Sprit verbrauche als die gesamte Formel 1 und die Entwicklung daher immer mehr zum Kleinflugzeug gehen werde, sei es sinnvoll, den Flugplatz dauerhaft zu erhalten, um damit in 30 oder 40 Jahren Vorreiter im Luftverkehr zu sein. Er hat recht: Wo sonst als in Konstanz könnte man den frisch von einer Zeitreise gestressten Mr. Spock bei seiner Notlandung in einem Kleinflugzeug mit 2.463 Insassen im Jahr 2042 noch um ein Autogramm bitten, wenn es in Konstanz dann gar keinen Landeplatz mehr gibt? Ich sag’s jetzt mal wie es ist, aber lesen Sie das bitte nicht (ab hier gefälligst alle weggelesen!!!): Klaus Frank ist wie Spock ein Halb-Vulkanier. Aber er hat seine langen Ohren nach hinten zu einem Zopf gekämmt und dort mit einem Gummi zusammengebunden, damit wir das nicht merken. (Erst ab hier bitte weiterlesen:) Danke, dass Sie weggelesen haben, es gibt einfach Dinge, die man besser für sich behält. Und der Autor kann – das haben Sie ja eben gemerkt – schweigen wie ein OB, jedenfalls, wenn es um wichtige Dinge geht.

O. Pugliese

Wer die Stellungnahme der LLK zur geplanten Unierweiterung nachlesen möchte,
der clicke hier.