„Müsst ihr so eine Unruhe machen?“
Das Scala ist seit dem 1.12. Geschichte. Lutz Rauschnick, ehemaliger Sprecher der Bürgerinitiative „Rettet das Scala“, wirft für seemoz einen kritischen Blick zurück und einen nach vorne. Was bleibt übrig vom Widerstand auch gegen eine Stadtgestaltung, mit der sich viele KonstanzerInnen nicht abfinden wollen? Herrscht nun wieder „Frieden im Land“, wie Konstantin Wecker einst sang?
Der dreieinhalb Monate währende Kampf der Bürgerinitiative „Rettet das Scala“ mit ihren vielen aktiven und an die 7000 passiven Unterstützer bis zu jenem düsteren 21. April 2016 und unserer 12:26-Niederlage im Gemeinderat (bei einer Enthaltung) hat schmerzliche Wahrheiten ans Licht gezerrt. Es war für mich als BI-Sprecher eine bittere Erfahrung, akzeptieren zu müssen, dass in dieser Stadt Bürger-Einmischung nicht auf der tagespolitischen Agenda vieler, uns kommunal Regierenden, steht. Als ehemaliger Journalist (auch im Lokalen) musste ich plötzlich zur Kenntnis nehmen, dass so manche vermeintlichen Denk- und Entwicklungsprozesse in einigen unserer örtlichen Parteien in Potemkinschen Dörfern stattfinden.
Natürlich hatten wir vor der letztlich enttäuschenden Abstimmung an jenem Schwarzen Donnerstag (21. April) die Fraktionen des Gemeinderates aufgesucht, um den RätInnen unsere Gedanken, Ideen und Pläne detailliert vorzustellen, mit ihnen zu diskutieren. Aber was war denn das? Bei etlichen sehr bürgerlich orientierten Kommunalpolitikern waberte uns schon die pure Ablehnung entgegen, bevor wir überhaupt Platz genommen hatten. Offene Diskussionen, Austausch, Anhörung des Willens vieler Bürger in dieser Stadt? Sicher nicht. Urteile standen längst fest, die Meinungen festgefahren bei den meisten Volksvertretern dieses Lagers. „Müsst ihr so eine Unruhe machen? Ist doch unnötig. Lasst doch einfach alles so, wie es ist.“
Doch, ehrlich: Das sind Originalzitate. Diskutieren? Meinungen austauschen? Vielleicht Kompromisse finden? Nicht in allen Fraktionen dieses politischen Teils des Rates. Ein stadtbekannter Stadtrat, den ich nur flüchtig kenne, hatte mich gar in einem Ausflugslokal an einem Samstagnachmittag angemacht: „Gebt doch Frieden. Macht doch nicht so eine Aufregung.“ Ernüchternde politische Lehrstunden für offensichtlich naive Menschen, die sich für Bürgerbelange engagierten. Konstanz 2016. Es herrscht Ruhe im Land! Basta.
Da das alles sicher auch Oberbürgermeister Ulrich Burchardt registriert hat, handelt er jetzt. Ganz energisch. Er kümmert sich um die Bürger, so ungefähr stand es gedruckt. Heureka. Vier Jahre vor der nächsten Oberbürgermeister-Wahl geht´s los, jetzt werden wir gehört. Oder?
Hmmm. Irgendwie bin ich doch skeptisch. Ein ziemliches bisschen. Aber wie sagte doch immer meine ostwestfälische Schwiegermutter? „Irgendwas kann jeder.“ Dann mal los. Aber wir sind wachsam, wir beobachten genau und orientieren uns an der Erkenntnis des alten Herrn Seneca: „Den Charakter kann man aus den kleinsten Handlungen erkennen.“
Lutz Rauschnick, bis Ende April 2016 Sprecher der Bürgerinitiative „Rettet das Scala“.
Wahre Worte!
Wir brauchen viel mehr Menschen, die sich im Denken üben und sich die Zeit fürs kritische Nachdenken nehmen.
Solche die reflektieren und den Aspekt einbeziehen: Wem nützt was (wann)?!
Manchmal bin ich über soviel Naivität ringsum einfach nur erschüttert. Hauptsache: Heile, kleine Welt!
Doch dann gibt es auch wieder gute Zeichen.
Eines davon ist/war die Bürgerinitiative, das ich nachwievor als hoffnungsvolles Tun sehe: miteinander umgehen bei allen Verschiedenheiten, sich Verbundenfühlen, kreativ, wütend, lachend, weinend sich austauschen, Gedanken teilen … und den Wunsch etwas in die richtigere Richtung zu bewegen!
Danke an alle, die dabei waren und es weiter sind!