Mutmacher für die „Freien“ beim Südkurier

„Freie“ Journalisten und Fotografen nicht nur bei Tageszeitungen sind die Hungerleider im Medienbetrieb: Aufträge nur auf Abruf, Honorare meist unter Niveau, Gegenwehr häufig zwecklos. Dass es auch anders geht, belegt die Auseinandersetzung von Karin Burger mit dem Konstanzer Südkurier, der jetzt der freien Journalistin 130 Prozent Honorar nachzahlen muss.

Die freie Journalistin Karin Burger (58) hatte in der Zeit von Januar bis August 2016 für den Südkurier, Lokalredaktion Meßkirch, gearbeitet. Von Anfang an hatte sie dabei in den Gesprächen mit dem zuständigen Lokalredakteur darauf hingewiesen, dass sie hauptberuflich tätig sei. Ebenfalls von Anfang an strittig zwischen Südkurier und Burger waren die nach Meinung der Journalistin nachgerade skandalös niedrigen Honorare des Südkuriers, die weit unter den Sätzen der Gemeinsamen Vergütungsregeln für hauptberuflich tätige Journalistinnen und Journalisten an Tageszeitungen (GVR) liegen.

Nachdem Burger im Rahmen ihrer freien (!) journalistischen Tätigkeit im Juli 2016 „versehentlich“ eine potenzielle Verbrauchertäuschung eines sehr großen Anzeigenkunden des Südkuriers recherchiert hatte, kündigte der Südkurier am nächsten Tag ohne Angabe von Gründen per E-Mail das Auftragsverhältnis.

In Reaktion auf die Beendigung des Auftragsverhältnisses machte Burger gegenüber dem Südkurier schriftlich ihre Honorarnachforderung geltend, wie sie sich aus der Differenz zwischen den tatsächlich gezahlten Honoraren und den Entgeltsätzen, wie sie die GVR vorsehen, ergibt. Daraufhin verlangte die Chefredaktion des Südkuriers mit süffisantem Untertton von Burger den Nachweis der Hauptberuflichkeit, der eigentlich zu Beginn des Auftragsverhältnisses hätte stehen müssen. Das allerdings stellte kein Problem für das Deutsche-Journalisten-Union-Mitglied (dju) Burger dar, die den Nachweis über vorgelegte Kopien der Presseausweise sowie ihres Versichertenstatus bei der Künstlersozialkasse erbrachte.

Danach meldete sich der Südkurier nicht mehr. Die Einschaltung eines Rechtsanwaltes wurde notwendig. Die führte – inklusive Klageandrohung – sofort zu einer überraschenden Reaktion: Schriftlich erklärte der Südkurier seine Bereitschaft, das nachgeforderte Honorar im gesamten Umfang zu zahlen. Mit einer weiteren Verzögerung von elf Tagen ging der geforderte Nachzahlungsbetrag ohne weitere Abzüge auf dem Konto von Burger ein.

Die Höhe der geforderten und nach Meinung von Burger vom Südkurier durch Zahlung als berechtigt anerkannten Forderung beträgt gerundet 130 Prozent des gesamten, in der Zeit von Januar bis August 2016 an die freie Mitarbeiterin gezahlten Honorars. Die enorme Höhe dieser Nachforderung ergibt sich nach Angaben von Burger hauptsächlich aus der Tatsache, dass der Südkurier seinen freien Mitarbeitern für die Online-Verwertung der Artikel überhaupt nichts bezahlt. Tatsächlich jedoch bedeute diese Online-Verwertung nach GVR einen sogenannten Zweitabdruck, der selbstverständlich zu honorieren ist. Gleichzeitig werde vom Südkurier erwartet und unverhohlen bis nachgerade unverschämt von dem Lokalredakteur in Meßkirch verbal gefordert, so Burger weiter, dass freie Mitarbeiter das kostenpflichtige Online-Abonnement des Südkuriers erwerben. „Erst werden die Freien um ihre Honorare beim Zweitabdruck geprellt und dann sollen sie auch noch dafür bezahlen, ihre eigenen Artikel online einsehen zu können und auf diesem Weg zu Belegexemplaren zu kommen“, kommentiert die couragierte Journalistin.

Auch wenn die Zeitungsverleger Medienberichten zufolge mit Wirkung zum 1. März 2017 die GVR gekündigt haben, hofft Burger, dass ihr Erfolg und insbesondere die Höhe der erfolgreich durchgesetzten Honorarnachforderung andere freie Journalistinnen und Journalisten dazu ermuntert, ihre Forderungen gegenüber den Verlagen geltend zu machen – oder sie zumindest als komfortable Verhandlungsbasis für die Vereinbarung zukünftiger Honorare zu nutzen, die dann im Einklang mit der aktuellen Rechtsprechung stehen. Es ist ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass solche Forderungen nach Urteil des Landgerichts Düsseldorf (Az. 12 O 455/14) offensichtlich über viele Jahre zurück, möglicherweise bis 2010, geltend gemacht werden können. In dem genannten Fall hatte ein Kollege nach Angaben von dessen Anwaltskanzlei 40 000 Euro von einem Zeitungsverlag nachgefordert und erhalten.

Burger weiter: „Betroffene sollten überlegen, ob sie bei einer Nachzahlung von potenziell bis zu 130 Prozent ihrer Honorare bis zurück ins Jahr 2010, für Bilder zurück bis 2013, einen drohenden Auftragsrückgang oder sogar –ausfall nicht doch kompensieren können.“

MM/hpk