Nach Mahnwache – am Samstag Demonstration: „Stoppt den türkischen Angriffskrieg in Afrin!“
Um die 100 Menschen versammelten sich am Dienstag auf der Konstanzer Marktstätte zu einer Mahnwache für Afrin. Der von kurdischen Frauen organisierte Protest richtete sich gegen den Krieg, den der türkische Machthaber Erdogan gegen die vornehmlich kurdische Bevölkerung im Norden Syriens führt. Weitere Aktionen sind geplant: Für Samstag rufen verschiedene Gruppen zu einer Demonstration auf, darunter auch das Theater Konstanz. Im Anschluss lädt die kurdische Community zu ihrem Neujahrsfest ein.
Die Gesichter sind natürlich ernst bei den TeilnehmerInnen, die im Schneetreiben vor dem Kaiserbrunnen ihre Solidarität mit den Menschen in Afrin bekunden. Zu spüren ist aber auch Entschlossenheit, sich nicht mit dem Geschehenen abzufinden und dem Wüten des türkischen Staats gegen die demokratischen Autonomieprojekte weiter die Stirn zu bieten. Sie haben Bilder von Opfern des Erdogan-Terrors ausgelegt und mit Kerzen umsäumt. Viele kurdische Jugendliche befinden sich unter denen, die sich zu zwei Schilderketten formieren, die zu einem Ende des Krieges und zur Solidarität mit Afrin aufrufen. Doch auch nicht wenige Deutsche haben heute den Weg auf die Marktstätte gefunden.
Deutsche Waffen, deutsche Kumpanei
Grund dafür gibt es allemal. Wird doch der Krieg auch mit deutschen Waffen geführt. So setzt die türkische Armee etwa Leopard 2-Panzer ein, die auch mit Rüstungstechnik vom Bodensee fahren und töten. Seit Beginn der Offensive schweigt die Bundesregierung beharrlich zu Erdogans Krieg, obwohl selbst der wissenschaftliche Dienst des Bundestags dessen Völkerrechtswidrigkeit bescheinigt hat. Berlin lässt dem NATO-Partner aus strategischem Kalkül freie Hand, ebenso wie die Großmächte USA und Russland. Zu Diensten sind deutsche Behörden dem türkischen Machthaber indes auch bei der Verfolgung kurdischer Oppositioneller. So häufen sich Anklagen gegen KurdInnen, denen man die Mitgliedschaft in der PKK vorwirft, selbst das Zeigen von kurdischen Fahnen oder Bildern wird immer wieder kriminalisiert, ein Verbot der zentralen Newroz-Veranstaltung in Hannover scheiterte nur, weil ein Gericht es als rechtswidrig einstufte.
Deutsche Politik macht sich damit mitschuldig am Krieg und den Schreckenstaten des türkischen Regimes. Seit am 19. März die türkische Armee die Einnahme der Stadt meldete, reißen die Berichte über Plünderungen, Folterungen und Hinrichtungen auf offener Straße nicht ab. Medienberichten zufolge sollen bisher mindestens 300 ZivilistInnen der Soldateska aus türkischem Militär und islamistischen Dschihadisten zum Opfer gefallen sein, die vielerorts zerstörte Stadt ist von der Wasserversorgung abgeschnitten, es fehlt an medizinischer Hilfe für zahlreiche Verwundete. Hunderttausende fliehen inzwischen vor den Besatzern aus einer Region, in der vor der Militäroffensive zahlreiche Ethnien friedlich zusammenlebten und tausende Kriegsflüchtlinge Unterschlupf fanden.
Kriegsterror mit Methode
Erdogans Terror hat Methode: Für den Diktator vom Bosporus ist Afrin nur der Beginn eines Feldzugs gegen die basisdemokratischen Selbstverwaltungsprojekte, die sich im Gebiet Rojava etabliert haben und heute zahlreichen Menschen unterschiedlichster Nationalität und Religion in der von sieben Jahren Bürgerkrieg gebeutelten Region dauerhafte Perspektiven für ein anständiges Leben bieten. Für das islamistisch-nationalistische Erdogan-Regime, das den Kurdenhass zur Stabilisierung der eigenen Macht schürt, eine bedrohliche Entwicklung, zumal man von einem neuen groß-osmanischen Reich träumt.
Die kurdischen YPG-Einheiten, die zwei Monate lang die Stadt gegen die mit modernstem NATO-Kriegsgerät ausgestatteten Angreifer verteidigten, haben sich einstweilen zurückgezogen. Sie taten dies nicht allein aus militärischen Erwägungen, sondern um noch größere Opfer unter der Zivilbevölkerung zu vermeiden. Auch darin unterscheidet sich die kämpfende kurdische Linke von anderen Kriegsparteien und den sie stützenden Großmächte fundamental. Sie will Leben retten, wo andere nicht zögern, das Hinmetzeln von ZivilistInnen als As im Machtpoker zu nutzen.
Gebrochen ist der kurdische Widerstand also nicht, gleichwohl sind die Errungenschaften, die sich die Menschen in den südkurdischen Gebieten Syriens erkämpft haben, in höchster Gefahr. Ob Erdogans Kalkül aufgeht, wird nicht allein in der Region entschieden. Seine kriegerische Expansionspolitik ist nur möglich, weil eine unheilige Allianz der Großmächte die Hand schützend über ihn hält. Dagegen ist international Widerstand gefragt.
Zeichen setzen für Menschlichkeit
Das sehen auch die Initiatorinnen der Mahnwache in Konstanz so. Sie verstehen sich als Teil einer Bewegung, die den türkischen Diktator international isolieren will. Überhaupt scheint sich etwas zu bewegen in Sachen Kurdistan-Solidarität in der Bodensee-Stadt. So haben an der Universität Studierende jüngst die Gruppe „Die kurdische Rose“ gegründet, die sich für demokratische Rechte ihrer Landsleute stark machen will. Und am heutigen Donnerstagabend laden AktivistInnen zu einem Treffen in den Treffpunkt Petershausen ein. Sie wollen ein regionales Solidaritätsbündnis schmieden, das „aufgrund der inakzeptablen und unmenschlichen Situation in Afrin“ ein „menschliches Zeichen aus Konstanz/Bodensee“ setzt.
Bereits am kommenden Samstag will man für ein solches Zeichen sorgen: Die AktivistInnen rufen zu einer Solidaritätsdemonstration mit den Menschen in Afrin auf, die vom Landratsamt durch die Innenstadt zur Marktstätte führen wird. Als besonders erfreulich werten die OrganisatorInnen, dass sich auch das Theater Konstanz dem Aufruf angeschlossen hat. Direkt im Anschluss an die Demo lädt die kurdische Gemeinschaft dann zum traditionellen Neujahrsfest Newroz in die Sporthalle in Petershausen ein. Für Kurdinnen und Kurden mehr als nur die feierliche Begrüßung des neuen Jahres, sondern auch Manifestation ihres Freiheitswillens. Klar, dass es in diesem Jahr ganz im Zeichen der Solidarität mit den BewohnerInnen der Stadt stehen wird: „Überall ist Afrin – überall ist Widerstand“.
J. Geiger
Termine
Donnerstag, 22.3., 20.00 Uhr, Konstanz, Treffpunkt Petershausen: Erstes Treffen „Bodensee Solidaritätsbündnis mit Afrin/Rojava“
Samstag, 24.3., 12.00 Uhr, Konstanz, Benediktinerplatz: Demonstration – Stoppt den türkischen Angriffskrieg in Afrin und Rojava! Solidarität mit den Menschen in Afrin!
Samstag, 24.3., 16.00 Uhr, Konstanz, Sporthalle Petershausen: Newroz, kurdisches Neujahrsfest. Reden, Musik, Essen und Trinken
@Peter Groß
Ist ja reizend, wen Sie da als 68er unter anderem präsentieren: „Nach dem Wehrdienst als Kanonier bei der Raketenartillerie in Wesel ging Lindenberg 1968 nach Hamburg … Udo Lindenberg ist ein politisch aktiver Mensch. Er bekennt sich zur Sozialdemokratie und trat schon auf einer Geburtstagsfeier des ehemaligen deutschen Bundeskanzlers Gerhard Schröder auf.“ (Wikipedia)
Abgesehen von dem offensichtlich Obstler-inspirierten Schuss ins Blaue gibt es genügend 68er, die schon früh ihre Gegensätze zu Joschka Fischer oder Marieluise Beck artikulierten und im Stillen an der Gestaltung für eine „neue, freiere, gerechtere und friedliche Welt“ wirkten. In den Gewerkschaften z. B. Beim Kampf um die 35-Stunden-Woche u. a. Auch in der Friedensbewegung. Daß dabei die Leber im einen oder anderen Fall in Mitleidenschaft gezogen wurde, bestreitet niemand. Die Unterstellung allerdings, es handle sich in der Masse um weinselige Kriegs-Ignoranten, die sich ausschließlich in der Erinnerung suhlen, ist erneut eine Schnapsidee nahe dem Delirium.
Ich kann Ihnen nicht mal ein versöhnliches „Prost“ anbieten (14 Jahre trocken). Entsorgen Sie den Fusel, der Sie zum Abbau Ihres Mitteilungsstaus ermunterte. Fachgerecht bitte, damit nicht jemand Unbeteiligter darunter zu leiden hat.
Nun machen sie sich mitschuldig, an dem, selbst von bürgerlichen Medien Völkermord genannten Krieg in Afrin und anderswo, indem sie schweigen. Man möchte meinen sie sind ausgestorben. Von wem ich hier heute spreche, von den vielen 68ern, die sich gerade in allen Medien hoch leben lassen. Ihre Väter wurden von ihnen noch nahezu lückenlos als Kriegsverbrecher gebrandmarkt. Heute sind sie als 68er unsichtbar. Oder machen sie sich gemein mit den Kriegsverbrechern? Es blieb scheint es nicht mehr als eine mit Bundesverdienstkreuzen behängte großväterliche Künstler- und Intellektuellengeneration, teils mit eigenem Museum (Lindenberg), teils staatlich und wirtschaftlich überversorgt, wie die vielen Joschka Fischers, Cohn-Bendits und eine Vielzahl von B90/Grünen, die einst Vietnam-Kongresse oder Kinderläden organisierten und mit Ho Ho Ho Chi Minh oder gegen den Schah von Persien mit Roten Fahnen durch die Straßen hetzten. Sie prahlen mit Erlebnissen längst vergangener Zeiten scheint es, bei dem Gassenfreitag genannten rotweinseligen Bummelabenden durch das Konstanzer Quartier oder freuen sich über die nun unter Denkmalschutz gestellte Räuberhöhle in Ravensburg. Da mag sich mancher Wir-um-20-Enkel angewidert abwenden, wenn der Großvater, Alkohol umnebelt, immer wieder erzählt, von der nach seiner Meinung wirkungsmächtigsten, Epoche vor der Digitalisierung. Ob sie denn merken, wie sie sich lächerlich machen in der Vielzahl von Interviews, Rundfunk- und TV-Diskussionen mit Zeitzeugen, weil sie den Hintern nicht hochkriegen für eine neue, freiere, gerechtere und friedliche Welt? Kommt herunter, reiht euch ein möchte man ihnen zurufen, Solidarität wärmt, besonders an einsamen und kalten Tagen.