Natur ist keine Verfügungsmasse
Alternativen zur Bautätigkeit in Konstanz fordert der BUND und fragt: Muss es denn gleich der Stadtwald sein? Während OB Burchardts Idee, Teile des Stadtwaldes für neue Wohnviertel zu roden, immer mehr zähneknirschende Befürworter findet, halten die Naturschützer wacker dagegen. In einer aktuellen Stellungnahme rechnen sie mit der Wohnungspolitik der letzten Jahre ab – hier im Wortlaut.
„Konstanz braucht sozialen Wohnungsbau – nicht erst in Zeiten der Flüchtlingskrise. Schon in den letzten Jahren fehlten 2000 bezahlbare Wohnungen für Geringverdiener, Familien, Rentner und Studenten und nun auch für die Anschlussunterbringung der Flüchtlinge. Dass dies in Konstanz eine extrem schwierige Aufgabe ist, ist nicht neu. Das Flächenangebot laut Flächennutzungsplan ist begrenzt. Die letzten Baugebiete werden bereits für das Handlungsprogramm Wohnen überplant. Den zusätzlichen Bedarf für die Anschlussunterbringung will man jetzt decken, indem man Streuobstwiesen, geschützte Biotope und den Stadtwald in Anspruch nimmt. Konservative Werte wie Erhalt und Schutz der Natur, Klimaschutz, Immissionsschutz und Naherholung für die Stadtbevölkerung werden mit einem Federstrich vom Tisch gewischt. Was früher lieb und teuer war, ist jetzt nichts mehr wert. Die Kettensägen und Bagger rücken an.
Aber ist das Ausweiten und Ausweichen der Bautätigkeit in Natur- und Naherholungsgebiete wirklich alternativlos? Müssen alle anderen Werte hinten angestellt werden? Wir sagen nein! Ausufernder Flächenverbrauch ist nicht den Umständen, sondern der Fehlplanung der Stadt geschuldet.
Bereits mit dem Handlungsprogramm Wohnen verfolgt die Stadt einen völlig falschen, städtepolitischen Ansatz: Alle verbleibenden Bebauungsflächen sollen überplant und darüber hinaus weitere Grünflächen in Anspruch genommen werden. Dieser enorme Flächenbedarf hätte durch einfache Steuerungsinstrumente minimiert werden können:
+ Erhöhung der Geschossflächenzahl
+ Ausschließlich mehrgeschossiges Bauen
+ Anteil der Wohneinheiten mit Mietpreisbindung massiv erhöhen
+ Verlängerung der Mietpreisbindung für private Investoren auf größer 30 Jahre
+ Investitionsanreize für private Bauherren schaffen
+ Sozialer Wohnungsbau durch die Wobak
+ Langfristiger Erhalt der städtischen Wohnungen mit Mietpreisbindung
Warum werden diese Instrumente nicht genutzt?
5000 Wohneinheiten entsprechen bei Geschosswohnungsbau nur ca. 20 ha, während 5000 Wohneinheiten bei Einfamilienhaus Bebauung ca. 125 ha verschlingen. Der maßvolle Umgang mit der Ressource Fläche gebietet daher, auf den Neubau von Einfamilienhäusern in Konstanz gänzlich zu verzichten. Flächensparende, mehrgeschossige Bauweise spart gleichermaßen Kosten und Energie, sodass auch von energetischen Baustandards nicht abgewichen werden muss.
Statt einer sozialen Vielfalt innerhalb der bestehenden Bebauung setzt die Stadt auf Diversifizierung des Wohnangebots in Neubaugebieten vom Einfamilienhaus bis zum mehrgeschossigen, sozialen Wohnungsbau. Damit will man eine soziale Durchmischung in den Neubausiedlungen garantieren. Tatsächlich ist aber die soziale Durchmischung in Konstanz nicht – wie vielleicht in anderen Städten – von der Bauweise abhängig, sondern vom Preis des Wohnraums. Dieser ist in Konstanz derart hoch, dass sich Ghettos überhaupt nicht bilden können. Auch viele Normalverdiener und Durchschnittsfamilien sind in Konstanz Wohngeld berechtigt.
Neue Konzepte im Geschosswohnungsbau, wie sie der BUND seit langem fordert, sind gefragt (vgl. die Stellungnahme des NABU und des BUND Konstanz zum „Handlungsprogramm Wohnen“ der Stadt Konstanz). So könnte der zusätzliche Bedarf für Flüchtlinge und andere einkommensschwache Einwohner problemlos in das bestehende Handlungsprogramm Wohnen integriert werden. Es müssten keine weiteren Flächen und Wälder in Anspruch genommen werden. Mit der Ausweisung von Streuobstwiesen und Waldstücken als Bauland geht die Politik wieder einmal den vermeintlich bequemsten Weg zu Lasten von Bäumen, Natur, Erholungsflächen und damit auch der Menschen. Diese Kurzsichtigkeit führt gerade in Zeiten des Klimawandels zu sinkender Lebensqualität für alle Konstanzer. Natur ist keine Verfügungsmasse“.
PM/hpk
zu Helmut Dietrich:
zum „Wo?“
Das ist im Handlungsprogramm Wohnen aufgelistet, z.B. Döbele.
Zum Investitionsanreiz die Gegenfrage: Braucht es in Konstanz bei ständig steigender Nachfrage an Eigentumswohnungen (von Studenteneltern, Kapitalanlegern, die anderswo Negativzinsen erhalten, Schweizer Kaufkraft, begrenzter Entwicklungsmöglichkeit der Baugebiete und damit auf Jahrzenten garantierter werthaltiger Nachfrage wegen gleichzeitig hoher Lebensqualität) auch noch Anreize.
Mietpreisbindung im sozialen Wohnungsbauc bedeutet derzeit in Konstanz, 10% unter der ortsüblichen Miete, nicht für 30 Jahre festgefrorene Mieten.
Das klingt ja alles sehr vernünftig, leider fehlt in der Aufstellung eine konkrete Kleinigkeit: Wo genau im Stadtgebiet sollen die den neuen Konzepten entsprechenden Sozial- Hochhäuser der Wobak und die der privaten Investoren denn errichtet werden ?
Was ich ausserdem nicht verstehe : wie funktioniert eine 30 jährige Mietpreisbindung als Investitionsanreiz für Private ?