Nebenkostenexplosion: Sicher-Wohnen-Fonds für Konstanz?

Der Deutsche Mieterbund (DMB) schlägt angesichts der explodierenden Wohnungsnebenkosten einen Fonds vor, durch den Notlagen vor allem von MieterInnen abgefedert werden sollen, um deren Ruin und Obdachlosigkeit zu vermeiden. Seinen Vorschlag hat der DMB jetzt als offenen Brief an Oberbürgermeister Uli Burchardt veröffentlicht.

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

die Frage, welche wirtschaftlichen und sozialen Folgen die extrem steigenden Preise für Energie, insbesondere für Gas haben werden, beschäftigt die öffentliche Diskussion seit Wochen. Mehrere Entlastungspakete wurden auf Bundesebene bereits beschlossen, weitere können folgen. Bei allen positiven Aspekten dieser Beschlüsse müssen wir feststellen, dass sie nur teilweise auf Problemlagen im Bereich des Wohnens eingehen. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass die gefährlichen Auswirkungen erst mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung eintreten werden.

[the_ad id=“87862″]Spätestens Anfang bis Mitte nächsten Jahres werden die Mieterhaushalte, aber auch die selbstnutzenden Bewohner von Eigentumswohnungen die Abrechnungen ihrer Heizkosten erhalten. Es ist damit zu rechnen, dass auf die betroffenen Haushalte erhebliche Nachzahlungen im Umfang von mehreren Monatsmieten zukommen werden. Diese Nachzahlungen werden in der Regel innerhalb von 30 Tagen nach Zugang der Abrechnung fällig. Viele Haushalte haben keine Möglichkeit, jetzt schon Rücklagen für diese zu erwartenden Belastungen zu treffen und werden diese Forderung nicht pünktlich begleichen können. Forschungsinstitute beziffern den Anteil der Haushalte, die nicht sparen und somit keine eigene Vorsorge für diese Situation treffen können, auf bis zu 40 Prozent. Die teilweise stark erhöhten Heizkostenvorauszahlungen tragen dazu bei.

Mieterinnen und Mieter sind besonders gefährdet, denn ihnen droht bei Zahlungsverzug, auch aus der Betriebskostenabrechnung, der Wohnungsverlust. Warum? Sind Mieter an zwei aufeinanderfolgenden Monaten mit mehr als einer Monatsmiete im Rückstand, kann ihnen sowohl fristlos, als auch ordentlich gekündigt werden. Aus unserer Praxis wissen wir, dass bei weitem nicht alle, doch nicht wenige Eigentümer von dieser Möglichkeit Gebrauch machen werden. Es droht also zusätzliche Wohnungslosigkeit in einem erheblichen Ausmaß.

Die möglichen Zahlungsausfälle betreffen Wohnungsbaugesellschaften und private Vermieter gleichermaßen. Ihnen drohen Liquiditätseinbußen, die ebenfalls erhebliche Schwierigkeiten, zum Beispiel bei der Tilgung von Darlehen, nach sich ziehen können. Auch dies sind negative Effekte, die nicht nur die betroffenen Unternehmen und Privatpersonen, sondern die Wirtschaft insgesamt betreffen können.

Durch geeignete Hilfen kann dieses verhindert werden. Dabei sehen wir nicht nur den Bund, sondern auch das Land und die Städte und Gemeinden in der Verantwortung. Letztere müssen als Ortspolizeibehörde Obdachlosigkeit verhindern, was ebenfalls mit Kosten verbunden ist.

Wir schlagen daher die Einrichtung eines Sicher-Wohnen-Fonds durch die Stadt Konstanz vor. Aufgabe dieses Fonds ist es, Mieterinnen und Mietern bei der Zahlung von Nachforderungen aus der Heizkostenabrechnung zu helfen, vorzugsweise über die Gewährung zinsloser oder zinsvergünstigter Darlehen. Dadurch kann die Mieterseite zusätzlich abgesichert werden, gleichzeitig werden die Kosten nicht auf die Vermieterseite übergewälzt, die sonst ebenfalls in große Schwierigkeiten kommen könnte. Der Fonds könnte auch Härtefälle bei selbstnutzenden Wohnungseigentümern vermeiden.

Ziel dieses Fonds ist es nicht, private Rechnungen für Energielieferungen über öffentliche Leistungen vollständig abzudecken. Es geht vielmehr darum, eine Lücke im Hilfssystem zu schließen, um im Bereich des Wohnens erhebliche soziale Verwerfungen zu verhindern.

Auch die Stadtwerke Konstanz als wichtiger Energielieferant stehen unseres Erachtens in der Verantwortung. Angesichts der besonderen Situation sollten die Stadtwerke in diesem Winter in der Regel davon absehen, bei säumigen Kunden die Energielieferungen zu sperren, sondern in verstärktem Maße Teilzahlungsvereinbarungen abschließen.

Gerne erläutern wir Ihnen persönlich, welche Möglichkeiten wir in Konstanz sehen, um unseren Vorschlag umzusetzen. Es wäre auf jeden Fall ein deutliches Zeichen, dass sich unsere Stadt als eine soziale Stadt versteht, die ihre Bürgerinnen und Bürger in den Zeiten der Krise nicht alleine lässt.

Gleichzeitig möchten wir an Sie appellieren: Nutzen Sie die Einflussmöglichkeiten Ihres Amts, um auch einen entsprechenden Beitrag des Landes Baden-Württemberg einzufordern.

Mit freundlichen Grüßen
Herbert Weber, Vorsitzender

Text: MM/red, Bild: Deutscher Mieterbund Bodensee e.V.