Neonazi trainiert Kinder und Jugendliche

seemoz-pauly-in-SingenGroße Aufregung beim TV Bietingen: Siegfried „Siggi“ Pauly, bei dem Traditionsverein seit rund zwei Jahren zuständig als Boxtrainer für Kinder und Jugendliche, kandidiert in den Wahlkreisen Konstanz und Singen bei den kommenden Landtagswahlen für die rechtsextreme NPD. Angeblich, so die Vereinsführung des TVB, habe man davon bis vor kurzem nichts gewusst. Erst durch einen anonymen Hinweis sei man darauf aufmerksam gemacht worden.

„Boxen hat viele Facetten“, hieß es noch im Oktober im Südkurier, als über die Boxabteilung des TVB berichtet wurde. „Hier trainieren bereits Kinder im Kindergartenalter“, war weiter zu lesen. Als Trainer wurde Siegfried Pauly vorgestellt, der während seiner aktiven Zeit, so laut Südkurier, DDR-Jugendmeister, dann Süddeutscher Meister, Deutscher Meister, Europacup-Sieger und „erfolgreicher Bundesligaboxer“ gewesen sein soll. Eigenartig, dass es dazu keinerlei Einträge gibt im Netz. Die Personalie Pauly aber hat nun dem 1920 gegründeten Verein TV Bietingen mit seinen über 400 Mitgliedern eine zusätzliche Facette beschert, auf die er wohl lieber verzichtet hätte.

seemoz-paulyDer in der DDR aufgewachsene Rechtsradikale lebt seit 2011 am Bodensee und ist seitdem Mitglied im NPD Kreisverband Konstanz-Bodensee. „Die Liebe“ habe ihn hierher geführt, gibt Pauly auf der NPD-Seite preis. Rund zwanzig Jahre, erzählt er freimütig, sei er Mitglied in „Freien Kameradschaften“ gewesen. Als Landtagskandidat in den Wahlkreisen Singen und Konstanz wolle er in den kommenden Monaten sein Hauptaugenmerk auf „nationale Interessen“ lenken und die „Masseneinwanderung von Wirtschaftsflüchtlingen und kriminellen Ausländern stoppen“. Mehrmals in den vergangenen Jahren beteiligte sich Pauly an Neonaziaufmärschen, so auch in Singen im vergangenen Februar (s. Teaserfoto), wo er neben den baden-württembergischen NPD-Leitfiguren Benjamin Hennes und Jürgen Schützinger eine Rede gehalten hat.

Hans Auer, seit langen Jahren 1. Vorsitzender des TV Bietingen, ist völlig perplex. Von den politischen Aktivitäten Paulys habe er erst über einen anonymen Brief erfahren. „Ich bin aus allen Wolken gefallen“, erklärt Auer auf Nachfrage. Zwar sei die NPD ja nicht verboten, „aber das geht in unserem Verein trotzdem nicht“. Er wolle mit Pauly umgehend ein „ernstes Gespräch“ führen und dann entscheiden, ob es sich der Verein weiterhin leisten kann, einen Rechtsextremisten als Jugendtrainer zu beschäftigen. Hans Auer versteht die Welt nicht mehr: „Ich habe Herrn Pauly als wertvollen Menschen kennengelernt. Er trainiert Kinder und Jugendliche, die zu fast 80 Prozent einen Migrationshintergrund haben und um die er sich liebevoll kümmert. Auf die Idee, dass Pauly ein Rechtsradikaler ist, wäre ich im Leben nie gekommen“.

H. Reile