Neonazis in der Casba
In den achtziger Jahren war die Casba noch ein klar linker Szenetreff gewesen, wo abends viele zusammenkamen – RedakteurInnen des damaligen Stadtmagazins Nebelhorn, Aktivistinnen der Frauenbewegung, OrganisatorInnen des Volkszählungsboykotts, Friedensbewegte, Anarchos und K-Gruppenmitglieder. Auch heute noch besuchen Linke das Lokal – aber nicht nur sie. Ein Bericht über einen Vorfall am vergangenen Samstag, geschrieben von einem Augenzeugen, der lieber nicht genannt sein möchte.
Schon seit längerem tut sich etwas in der Konstanzer Innenstadt. Altbekannte Szenekneipen wie das Canapé müssen schließen, während sich neue, „hippe“ Lokale immer größerer Beliebtheit unter den Studierenden erfreuen. Einer der wenigen Orte, an dem man sich auch als Nicht-Studi noch zumindest ein bisschen wohlfühlen konnte, war die Casba.
Doch auch hier hat man den Umbruch zu spüren bekommen. Seit Sommer hat sich dort einiges verändert, der neue Linoleumboden oder die Edelstahltheke sind hier leider nur der Anfang. Schon seit Längerem haben auch konservative Burschenschaftler den ehemals alternativen Szeneladen für sich entdeckt – obwohl man früher hier wenig Probleme mit rechtem Gedankengut hatte. Was jedoch letzten Samstag, am 26. Januar, dort vorgefallen ist, darf nicht konsequenzenlos bleiben. Gegen 1 Uhr nachts fiel ein junger Mann auf, er ist kein Unbekannter. Es handelte sich um den Neonazi Kay H. Seelenruhig trank er erst alleine ein Bier, kam dann aber nach und nach auch mit Menschen vor Ort ins Gespräch. Als einem der anderen Gäste auffiel, um wen es sich hier handelt, wurde umgehend ein Türsteher informiert. Trotz eindeutiger Patches und Aufnäher auf seiner Jacke und der Aussage des Gasts, dass Kay bei Bundes- und Landtagswahlen als NPD-Kandidat auftritt, sahen die Angestellten keinen Handlungsbedarf, da er im Laden ja nicht negativ aufgefallen war.
Wenige Zeit später fanden sich zufällig einige Antifaschist*innen im Lokal ein, die Kay ebenfalls erkannten, die verbale Konfrontation mit ihm suchten und den Türstehern ebenfalls klar machen wollten, wer sich da bei ihnen rum treibt. Kay, der mit einem Glas in der Hand gerade mit ein paar Menschen im Gespräch war, fackelte allerdings nicht lange und schlug, direkt nachdem er von der Seite angesprochen wurde, einem der Aktivix mit der Faust ins Gesicht. Schnell war einer der Türsteher zur Stelle, er stand daneben und hätte die Szene eigentlich voll und ganz mitbekommen müssen. Auch einige andere Barbesucher*innen mischten sich ein und bezeugten, dass Kay ohne erkennbaren Grund zugehauen hat. Als Kay sich damit rechtfertigte, dass er als „Fascho“ bezeichnet worden sei (was er ohne Frage ist, und was er im späteren Verlauf auch noch einräumte), bat der Türsteher alle Beteiligten zum Ausgang, um die Situation zu klären.
„Wie lange bist du schon hier?“
Im Eingangsbereich angekommen, war für den Türsteher jedoch schon klar, wer Schuld hat. Ohne zu zögern wurden die Aktivistix blöd angegangen und gefragt, wieso man denn nun hier her komme und Stress mache. Mehrmals fiel von ihm das Wort der „neutralen (wohl eher National befreiten) Zone“, die in der Casba herrsche, und dass man politischen Auseinandersetzungen hier aus dem Weg ginge.
Während die Antifaschist*innen der Räumlichkeiten verwiesen wurden, schaltete sich auch ein zweiter, in Camouflagehosen und Springerstiefel gekleideter Türsteher ein. Zitat: „Außerdem hast du ihn als Fascho beleidigt, wie er darauf reagiert, ist mir erst einmal vollkommen egal, du hast ja angefangen.“ Um wen es sich hier handelte, war ihm offensichtlich ziemlich egal, und Kay H. durfte zu diesem Zeitpunkt ohne weiteres wieder zurück in den Laden, wo er sich noch einmal etwas zu trinken bestellte, und einem gewissen Heiko H. (ebenfalls ein gewaltbereiter und der rechten Szene zuzuordnender Konstanzer) eine Textnachricht schrieb, vermutlich um Unterstützung für eine zweite, nonverbale und gewalttätige Konfrontation ihrerseits zu organisieren.
Vor der Tür hatten die Aktivistix es sich derweil gemütlich gemacht und ließen ihrem Unmut freien Lauf. So wurden beispielsweise kommende und gehende Gäste lautstark darüber aufgeklärt, was gerade passiert war, und dass sich der Neonazi immer noch in der Casba befindet. Die beiden Türsteher kamen daraufhin auch nochmals vor die Tür und fragten nach, wie lange man denn schon in Konstanz lebe und die Casba kenne. „Seit sechs Jahren“ lautete eine Antwort, auf die der erste Türsteher nur abfällig lachend antwortete: „Ich bin seit 22 Jahren hier. Früher waren hier 15 (rechte) Skins im Laden, genauso wie auch Linke, aber die Skins haben wenigstens keinen Stress gemacht. Warum versteht ihr nicht, dass hier politisch neutrale Zone ist und alle gleich behandelt werden?“ Außerdem sei Kay H. „auch schon seit über drei Jahren Stammgast“ und es habe „mit ihm noch nie Ärger gegeben, nicht so wie mit euch Extremisten“, die Aktivistix vor Ort.
Neutrale Zone?
Man führe sich an diesem Punkt nochmals vor Augen: Ein offen bekannter Neonazi wird in der Casba, in der er wohl seit drei Jahren ein und aus geht, angesprochen, schlägt daraufhin ohne zu zögern zu, und befindet sich ohne Konsequenzen immer noch im Laden. Vor der Tür lässt sich derweil umso besser erkennen, woher der Wind weht: Auf die Frage, ob es der Casba denn egal sei, dass da drin jemand seelenruhig sein Bier trinken kann, der auf Pegida-Demos und anderen Nazi-Aufmärschen seine Reden hält, gegen Geflüchtete hetzt und Seite an Seite mit verurteilten rechten Terroristen steht, antwortete einer der Türsteher erneut: „Es ist mir scheißegal, was jemand zwei Straßen weiter macht, hier bei uns ist neutrale Zone und hier im Laden hat er noch nie einen Schwarzen beleidigt oder Stress gemacht. Außerdem gehört die Casba ja einem Griechen, er [Kay] kann also so schlimm nicht sein, wenn ihn das nicht stört.“
Einige Zeit später konnte ein hinzukommender Gast die Türsteher dann doch noch überzeugen, Kay wenigstens für diesen Abend auch rauszuwerfen. Nachdem sich die Aktivistix ein bisschen entfernt hatten, aber angekündigt hatten, zurückkommen und den Gästen weiter aufzuzeigen, wer sich in der Casba rum treibt, sollte Kay nicht rausfliegen, kamen die Türsteher widerwillig ihrer Pflicht nach und schickten ihn rund eine Stunde nach Eintreffen der Aktivistix nach Hause.
Nicht nur die Casba, auch alle anderen Kneipen in der Stadt müssen sich darüber im Klaren sein, wie in solchen Situationen gehandelt werden muss. Die Reaktionen der Mitarbeiter in der Casba zeigen, wohin sich zumindest diese Kneipe schon lange entwickelt hat. Szene und Subkultur ist in den Konstanzer Gassen nicht mehr willkommen, stattdessen weiß man Rechtsradikale unter sich, gegen die man aber (wenn überhaupt) erst einschreitet, wenn es zu spät ist. Ob es daran liegt, dass es hier keine Initiativen wie „Kein Bier für Nazis“ gibt oder dass die Casba schon immer ein rechtsoffenes Drecksloch war, spielt keine Rolle! Es wurde schon zu lange weggesehen! Mischt euch ein, wo Rechtsradikale sich sicher fühlen! Kein Raum den Faschisten, weder im Stadion, noch auf der Straße, noch in den Kneipen!
(Foto: H. Reile)
Soweit ich mich erinnere wird im Casba Alkohol ausgeschenkt. Und zwar exzessiv. Also: Rechts wie links und queer auch sonst wie spießig ab einem gewissen Pegel Kontrollverluste. Wie wäre es mit Kamillentee?
Ich besuche nun schon seit 20 Jahren regelm. das Casba und fühle mich daher jetzt auch dazu genötigt, zu diesem Artikel Stellung zu beziehen.
– „Doch auch hier hat man den Umbruch zu spüren bekommen. Seit Sommer hat sich dort einiges verändert, der neue Linoleumboden oder die Edelstahltheke sind hier leider nur der Anfang.“ Echt jetzt? Also ob die Kneipe oder deren Besitzer irgendwas dafür können, dass umgebaut wurde! Der Betreiber wurde vor die Wahl gestellt: Entweder schließen oder renovieren. Ich glaube, er hätte mit dem Geld auch lieber was anderes gemacht. Berichtet doch stattdessen darüber, dass der neue Tequila echt qualitativ hochwertig ist und das Ruppaner vom Fass, welches es dank der achsobösen neuen Theke jetzt gibt, besser schmeckt, als das aus der Falsche!?
– Die Türsteher im Casba haben einen klaren Auftrag: Menschen hinauswerfen, die Stress machen und dafür sorgen, dass vor dem Lokal nicht randaliert wird. Mehr nicht! Sie haben weder zu glaubens- noch politischen Fragen Stellung zu beziehen und es darf ihnen tatsächlich auch egal sein, was zwei Straßen weiter passiert.
– Schon vor 20 Jahren hat die Mama pöbelnde Menschen, oder solche, bei denen sie vermutete, dass es Stress gibt, hinaus geworfen. Es wurden Menschen, die offensichtlich „rechts“ waren raus geschickt, wenn sie zu fünft ankamen und es wurden „linke“ die mit vielen Leuten ankamen raus geworfen. Wenn ein Mensch alleine an der Bar stand und sein Bier getrunken hat (und nicht gerade mit nem Hakenkreuz als Nazi zu erkennen war), ist der auch nicht raus geworfen worden. Darüber wurde sich auch nie beschwert!
– Es ist nicht nur einmal vorgekommen, dass ich mitbekam, wie Menschen sich anderen Menschen gegenüber scheiße benommen haben. – und jedes einzige Mal war auf die Türsteher Verlass!
– bei „schlägt daraufhin ohne zu zögern zu… “ widersprecht ihr euch selber im Text. Weiter oben schreibt ihr, dass mehrere Menschen die verbale Konfrontation mit ihm gesucht haben und er daraufhin zuschlug. Ja, Gewalt ist kacke – aber dann beschreibt die Geschichte doch wenigstens korrekt
– Wenn ihr euch die klare Regelung wünscht „kein Bier für Nazis“ – dürfen die dann auch nicht mehr im Restaurant essen? Kein Fuss breit dem Faschismus – Jup, da stimme ich zu! Aber den Faschisten so ausgrenzen? Wer heult dann wohl wieder rum von wegen man wird ausgegrenzt und mimimi? Richtig – unsere „neuen Rechten“ im Bundestag. Der ganze Abend hätte so einfach laufen können: Liebe Aktivistix: Hinsetzen, starren, murmeln, ein ungutes Gefühl beim Nazi erschaffen und genüsslich zuschauen, wie er sich von ganz alleine trollt. Hätte er euch blöd angemacht, die Türsteher hätten ihn sicher ohne zu zögern raus geworfen und der Ruf der Casba wäre hier nicht durch den Dreck gezogen worden…
ich finde es sehr beschäment, das hier die ganze Belegschaft und die Inhaber vom Casba als Nazis deformiert werden. Denn dies stimmt in keinster weise.
Aufgrund der Vorfälle haben wir uns überlegt, die Initiative „kein Bier mit/für Nazis“ hier zumindest etwas zu unterstützen. Konstanzer Kneipen, Bars und Clubs können sich unter konstanz@linksjugend-solid-bw.de melden, um Flyer, Plakate und Bierdeckel zu bekommen. Da wir selbst eben erst von dem Vorfall erfahren haben, kann es ein bisschen dauern, bis wir das Material organisiert haben, freuen uns aber trotzdem über ‚Bestellungen‘.
„Es ist mir scheißegal, was jemand zwei Straßen weiter macht, hier bei uns ist neutrale Zone und hier im Laden hat er noch nie einen Schwarzen beleidigt oder Stress gemacht. Außerdem gehört die Casba ja einem Griechen, er [Kay] kann also so schlimm nicht sein, wenn ihn das nicht stört.“
Als ich noch in Konstanz gewohnt habe, war ich öfter mit einer Freundin in der Casba, die schwarz ist. Ich war dort auch mit meiner Freundin unterwegs (also ein homosexuelles Paar). In beiden Konstellationen sind wir in höchst unangenehme Situationen geraten, rassistische, homophobe und sexistische Anmachen miteingeschlossen. Das ging so weit, dass ich mit ersterer Freundin darüber gescherzt habe, wie weit wir gehen müssten, um an diesem Ort nicht mehr blöd angemacht zu werden, vielleicht könnten wir ja endlich in Ruhe gelassen werden, wenn wir schrecklich stinkend an der Bar sitzen würden? Anmachen schlugen in mindestens fünf Fällen in aggressive Beleidigungen um (nach dem Motto „wenn ihr nicht auf mich eingeht, seid ihr eben frigide, hässlich, wohl nicht mit den lokalen Gepflogenheiten (weil schwarz) bekannt bis hin zu wüsten Beschimpfungen und Handgreiflichkeiten seitens der Typen und und und.
Das ist, entgegen dem was die Casba-Belegschaft gern über sich selbst denken mag, in keiner weise ein „neutraler“ Ort, sondern lässt gerade durch seine behauptete neutralität die gröbsten Widerlichkeiten zu. Ich wundere mich keine Sekunde lang über diese (nicht neue) Entwicklung und kann nur hoffen, dass die Aktivist*innen vor Ort sich dagegen wehren können. Danke auf jeden Fall für diesen Artikel.
Anm.d.Red.: Normalerweise veröffentlichen wir Kommentare nur unter Klarnamen. Im Fall Casba machen wir eine Ausnahme. Dass die (uns bekannten) Personen nicht ihren vollen Namen preisgeben wollen, ist verständlich.