Neu-Pirat und Etikettenschwindler Krause
Die Meldung, dass Kreisrat Michael Krause aus der Partei die Linke ausgetreten ist und bei den Piraten andockte, wurde in der Öffentlichkeit nur noch mit Achselzucken bedacht. Das Wechseln der Parteien gehört bei vielen, die sich zu Höherem berufen fühlen, längst zum politischen Tagesgeschäft, wie viele Beispiele nicht nur aus dem Konstanzer Gemeinderat belegen. Das kann man gut finden oder auch nicht. Doch Krause spielt mit gezinkten Karten – und die Piraten spielen ungeniert mit.
Es ist noch nicht allzu lange her, da wurde innerhalb der Linken und auch der Linken Liste diskutiert, ob man für die OB-Wahlen in Konstanz eine eigene Kandidatin oder einen eigenen Kandidaten aufstellen solle. Ein durchaus üblicher Vorgang. Während dieser Debatte meldete sich auch Michael Krause zu Wort und warnte sinngemäß davor, sich mit einer Kandidatur eventuell lächerlich zu machen. Ein berechtigter Einwand. Dann aber, wenige Wochen später, äußerte er sich erneut und bot überraschend an, seinen Hut als Konstanzer OB-Kandidat in den Ring zu werfen.
Das wiederum traf auf nur wenig Gegenliebe. Die Kandidatin oder der Kandidat, so die Linke und auch die Linke Liste, sollte zumindest mit den Konstanzer Verhältnissen vertraut sein. Mit dem Mühlhauser Bewerber Krause könne man sich da nicht anfreunden. Wer nun gedacht hätte, damit sei die Geschichte erledigt, täuschte sich, und zwar gewaltig.
Plan B war lange vorbereitet
Die fehlende Begeisterung von Seiten der Konstanzer Linken kränkte Kreisrat Krause. Er, ein durchweg spröder, aber fleißiger Basisarbeiter, hatte auf breite Unterstützung gehofft. Da ihm aber wohl schon seit längerem schwante, dass Plan A scheitern könnte, kramte er Plan B aus der Tasche, klopfte bei den Piraten an und tauchte des öfteren bei deren Stammtischen in Singen und Konstanz auf. Seinen Wechsel, soviel weiß man heute, hatte er schon länger vor.
Man kann den Mann ein berechnendes Politchamäleon nennen, das, je nach politischer Lage, seine Farbe wechselt. Mit ihm hätten die Piraten das erste Mandat im Landkreis Konstanz und könnten damit vermehrt auf sich aufmerksam machen. Da auch für sie die kommende OB-Wahl in Konstanz ein Thema ist, würde sich Krause als Kandidat geradezu aufdrängen. Und Krause denkt sehr wohl über den regionalen Tellerrand hinaus. 2013 stehen die Bundestagswahlen an und warum sollte der Kandidat der Piraten nicht auch Michael Krause heißen? Geht es schief, dann sind zumindest die Kommunalwahlen 2014 eine lokale Option. Alles Spekulation? Abwarten.
Der Kreisverband der Linken hat auf Krauses Parteiaustritt unaufgeregt und souverän reagiert. Man bedaure zwar seinen Schritt, wünsche sich aber weiterhin eine „gute Zusammenarbeit“ mit ihm. Schmerzliche Verlustgefühle lesen sich anders an. Unmissverständlich jedoch die Forderung, Krause möge umgehend sein Kreistagsmandat zurückgeben, das er für die Linke und mit deren Unterstützung erobert habe. Kaum anzunehmen, dass der Neu-Pirat sich dem beugen wird, denn das widerspräche seiner politischen Karriereplanung, die man ihm getrost unterstellen darf. Bei dieser Übung stehen, nicht nur bei ihm, Charakter und Aufrichtigkeit in der Regel ganz hinten in der Reihe.
Die lange Liste der Parteiwechsler
Aber Kommunal- und Kreistagswahlen, das könnte er erwidern, seien doch eher Persönlichkeitswahlen und weniger an eine Partei gebunden. Ähnlich argumentierten vor ihm auch andere, die die Seiten wechselten. Die jetzige Konstanzer FWG-Stadträtin Regine Rebmann errang ihr Mandat erstmals für die FDP. Der frühere Konstanzer Stadtrat Frieder Schindele, lange Jahre für die NLK (Neue Linie Konstanz) im Gemeinderat, lief noch während der Legislaturperiode zur SPD über und FGL-Ratsherr Müller-Neff startete seine kommunalpolitische Karriere einst bei der CDU. Ganz zu schweigen von Oswald Metzger, bis zu seinem Wechsel zur CDU noch Landtags- und Bundestagsabgeordneter für die Grünen.
Krause hält sein Parteihopping für logisch, schnell abgehakt hat er es auch. Eine schmallippige Entschuldigung bei früheren MitstreiterInnen als lästige Pflicht und auf zu neuen Ufern. Bei den Piraten wähnt er sich womöglich wie ein Frosch im Gartenteich und darf davon träumen, auf der Karriereleiter noch ein wenig weiter nach oben zu kommen.
Ein Blick in die bundesdeutsche Politlandschaft mag ihm zur Zeit Recht geben. Seine neuen Weggenossen drängen mit Macht und viel Getöse in die Parlamente und haben am gestrigen Sonntag den Einzug in den saarländischen Landtag geschafft. Ex-Genosse Krause erspähte gerade noch rechtzeitig ein offenes Türchen, durch das er flugs und aalglatt hindurch schlüpfte. In der Hoffnung, mitgespült zu werden in höhere Politsphären. Das kann klappen, aber es kann auch schief gehen. Es werden die WählerInnen sein, die das letzte Wort haben.
Etikettenschwindel unter Piratenflagge
Wirklich unappetitlich und abstoßend bleibt sein Vorgehen der letzten Tage aber aus einem anderen Grund. Kaum war Krause zu den Piraten gewechselt, hat er seine linke Website über Nacht umetikettiert und mit dem Piratenoutfit versehen. Alle Inhalte, die er einst für die Linken formulierte, verkauft er der Öffentlichkeit nun als piratige Angebote. Das nennt man schmutzigen Etikettenschwindel.
Die Piraten finden nichts Verwerfliches daran. Im Gegenteil: Ute Hauth, stellvertretende Vorsitzende der baden-württembergischen Piraten, freut sich über ihren neuen Parteifreund, der sich schon im Landtagswahlkampf mit seinem „piratigen Politikstil“ hervorgetan habe. Muss man sich so den neuen Politikstil vorstellen, mit dem die Piraten der allgemeinen Politikerverdrossenheit entgegen wirken wollen?
Mit Krause und den Piraten scheinen sich die Richtigen gefunden zu haben.
Autor: H.Reile
Wenig witzig ist doch, dass der Bundesvorsitzende der Piratenpartei im Interview die Kategorisierung in rechte und linke Flügel der politischen Landschaft für sich selbst und seine Internetpartei ablehnt und als überholt bezeichnet. So als ob es keine Reichen und Armen mehr gäbe, keine Hartz-IV Empfänger und prekär Beschäftigte und Langzeitarbeitslose. Per Mausklick verschwinden demnächst die Zocker an den Finanzmärkten die sich fortlaufend mit Hilfe von politischen Kräften am rechteren Rand der Politischen Landschaft an den öffentlichen Haushalten bedienen um ihre “Verluste” zu decken. Demnächst werden wohl die Mitarbeiter in den Softwarefirmen der Piraten gar per virtuellem Mausklick ihre Gehälter selbst gestalten können.
Ich bleibe dabei: Soziale Standarts wie Tarifverträge und Sozialgesetze sind nicht vom Himmel gefallen sondern in harten Kämpfen und Auseinandersetzungen gegen große Widerstände durchgesetzt worden. Sozialer und gesellschaftlicher Fortschritt wird auch in der Zukunft nur
gegen den Widerstand konservativer und rechter Kräfte sich verwirklichen.
Kein Wunder dass die FDP im Saarland auf 1,2 % gelandet ist. Die braucht jetzt keiner mehr. Jetzt gibt es doch die Piraten. Herzlichen Glückwunsch zum Neuzugang !!
Nachsatz:
Es gibt in Konstanz einen „seriösen“, angesehenen Arzt, aus den Reihen der FDP-Ratsfraktion, der sich bei der letzten Kommunalwahl für den Stadtrat und den Kreistag aufstellen ließ. Entsprechend seinem o.g. Hintergrund wurde er auch prompt in beide Parlamente gewählt. Aber dann als die Wahl entschieden war, und er die Wählerstimmen für seine Person gesammelt hatte, entschloss er sich, sein Kreistagsmandat an einen nicht ins Parlament gewählten FDP-Kollegen weiter zu geben. Grund: Arbeitsüberlastung (die ihm nun erst einfällt). Ja, so sammelt der eine für den anderen öffentliche, manipulierte Wählerstimmen.- alles legal! –
@antares, danke für die Antwort.
Mit dem Begriff „legal“ möchte ich provozieren, weil der Weg zum Recht durch die Instanzen auch in diesem Fall helfen würde. Es ist nicht nur eine „linke Frage“, wessen Recht das Recht ist. Ich frage mich immer, wem hilft das Geschrei von Moral und nach Charakter bzw. den Vergleich mit der „legalen“ Tierwelt? Das Chamäleon mag schlau sein, aber ist nicht schlecht. Warum seid Ihr nicht so stark, dass dieser Vorgang auch illegal werden kann? Oder haben wir nicht die Instrumente dazu, um hier das „Chamäleon-Mensch“ zum „Illegalen-Mensch“ werden zu lassen?
@Bübi „Alles legal. Der Wähler entscheidet.“
Der Wähler hatentschieden: für einen Kandidaten der Linken Liste, nicht für ein Chamäleon. Mag sein, daß das juristisch einwandfrei ist. Nur erhebt sich dann die uralte, linke Frage: „Wessen Recht ist das Recht?“
Alles legal. Der Wähler entscheidet.
werter herr v.mulert,alias linkskritisch
vorneweg: ihre vermutung läuft ins leere, da ich parteilos bin und alleine aus diesem grund herr krause nicht mein ex-parteigenosse sein kann. die llk ist eine eigenständige wählerinitiative, die aber vor allem im sozialpolitischen bereich meist eng und gut mit der partei die linke kooperiert.
grundsätzlich halte ich es für charakterlos, wenn einer rasch die seiten wechselt, um seine politische provinzkarriere in angeblich höhere sphären zu hieven. gerade von den piraten hätte ich mir erwartet, dass sie dieses dreiste bubenstück so nicht mitmachen. gerade sie, die auch die pöstchenschieberei der sog. altparteien bei jeder gelegenheit anprangern, stellen sich damit ein denkbar schlechtes zeugnis aus. ich bleibe dabei: scheinheilige karrieristen und wendehälse haben wir schon genug.
Rechnet da der Herr Reile (für die LLK im Konstanzer Stadtrat) mit einem Ex-Parteigenossen ab? Vielleicht sollte er Pressearbeit von Politikarbeit besser trennen!
Ich hoffe nur das die Piraten sich nicht an charakterschwachen Menschen orientieren. Wer in der Politik von einer Partei zur anderen wechselt, kann wirklich nicht ernst genommen werden. Wie soll man sich solchen Politikern anschließen, die mal hü mal hott sagen und wie eine Fahne im Wind wehen?