Neue Grundsteuer: Bürokratiemonster oder mehr Steuergerechtigkeit?

HausverkaufBis zum 31. Januar 2023 mussten alle Grundstückseigentümerinnen und Gründstückseigentümer eine Grundsteuerklärung beim Finanzamt abgeben. Wenige Tage vor dem Stichtag kam mindestens ein Drittel der Steuerpflichtigen auch in Konstanz dieser Aufgabe noch nicht nach. seemoz hat den hiesigen Mieterbund um Einschätzung zum Thema gebeten, die hier nachzulesen ist.

Nachdem die Finanzämter erste Bescheide über die neuen Grundsteuermessbeträge versandt haben, ist die Verunsicherung bei den Betroffenen noch größer geworden. Viele Menschen haben Sorge, dass sie künftig erheblich höhere Steuern für ihr Einfamilienhaus oder ihre Eigentumswohnung bezahlen müssen.

Warum kam es zur Grundsteuerreform?

Wenn es um die Besteuerung von Einkommen oder Vermögen geht, misst der deutsche Steuerstaat mit zweierlei Maß: Während auch niedrige und mittlere Einkommen stark mit Steuern und Sozialabgaben belastet werden, ist die Finanzverwaltung bei Einkünften aus der Verwaltung von Vermögen viel großzügiger. Die Tatsache, dass im deutschen Steuerrecht verschiedene Einkunftsarten ohne nachvollziehbaren Grund ungleich behandelt werden, hat das Bundesverfassungsgericht vielfach kritisiert. 2018 geriet die Grundsteuer ins Visier der Verfassungsrichter. Denn für einen beträchtlichen Teil des deutschen Grundvermögens bilden noch die sogenannten Einheitswerte aus dem Jahr 1964 die Grundlage der Besteuerung, eine erkennbar veraltete Datenbasis. „Verfassungswidrig!“ lautete daher der Spruch aus Karlsruhe.

Die Verfassungsrichter setzten dem Bundestag zwei Fristen: Bis 2019 musste eine verfassungskonforme Regelung beschlossen werden, die spätestens am 1. Januar 2025 in Kraft treten muss. Bund und Länder konnten sich jedoch nicht über eine einheitliche Grundsteuerreform einigen, so dass im neuen Grundsteuergesetz die Länder das Recht erhalten hatten, eigene Regeln für die Berechnung der Grundsteuer zu erlassen. Davon haben einige Bundesländer Gebrauch gemacht.

Die Grundsteuer war schon immer eine besondere Steuer. Denn das Steuergesetz musste vom Bundestag mit Zustimmung des Bundesrats beschlossen werden. Die Steuereinnahmen dagegen stehen den Städten und Gemeinden zu, die autonom über die Höhe der Steuer, den sogenannten Hebesatz entscheiden konnten. Die Steuerberechnung erfolgte in zwei Schritten: Die Finanzämter ermittelten den Grundsteuermessbetrag eines Grundstücks und übergaben diese Daten an die Kommunen, die Messbetrag und kommunalen Hebesatz miteinander multiplizierten und so die konkrete Steuerschuld errechneten.

Was hat sich geändert?

Das Land Baden-Württemberg hat als einziges Bundesland entschieden, die Grundsteuer nach dem Prinzip des Bodenwerts zu erheben. Einige Grundstückseigentümer warnen nun vor immensen Steuererhöhungen und fürchten schon öffentlich, dass sie von der neuen Grundsteuer zum Verkauf ihrer Häuschen gezwungen werden, denn bei einer Reihe von Grundstücken erhöhen sich aufgrund der Bodenwertsteuer die Messbeträge erheblich.

Warum ist das so?

Die Bodenwertsteuer verschiebt die Belastungen innerhalb der Steuerpflichtigen: Eigentümer von Villengrundstücken in Stadtteilen mit hohen Grundstückswerten müssen künftig mit höheren Grundsteuern rechnen, während die Besitzer von Eigentumswohnungen oder von Mietwohnungen im Geschosswohnungsbau auf Entlastungen hoffen können. Da die Grundsteuer zumeist auf die Mieterinnen und Mieter umgelegt wird, ist die Bodenwertsteuer tendenziell eine mieterfreundliche Steuererhebung. Denn diese können auf einige Euro Entlastung bei den Betriebskosten hoffen, die sie zusätzlich zur Miete zahlen müssen. Härtefälle könnten entstehen, wenn Eigentümer alter, kleiner Häuschen wegen einer relativ großen Grundstücksfläche kräftig zur Kasse gebeten werden.

Doch zum jetzigen Zeitpunkt kann niemand sagen, wie hoch die Grundsteuerbelastung 2025 wirklich werden wird. Denn die Kommunen haben noch keine neuen Hebesätze festgelegt. Das können sie sinnvollerweise erst dann, wenn ihnen die Messbeträge aller Grundstücke vorliegen. Nur so lassen sich die Auswirkungen der Steuersätze verlässlich errechnen.

Wunsch des Landesgesetzgebers ist es, dass die neue Grundsteuer aufkommensneutral ist. Das heißt: In der Summe soll eine Kommune nicht mehr Geld durch die Grundsteuer einnehmen als vor der Reform. Heimliche Steuererhöhungen sind unerwünscht. Doch Bund und Land haben ihre Rechnung ohne die chronisch klammen Kommunen gemacht. Diese werden kaum auf die Erhöhung der Grundsteuer verzichten können, schließlich erhalten sie – gerade im reichen Baden-Württemberg – seit Jahren zu wenig Geld für ihre Aufgaben.

In Konstanz wollte OB Uli Burchardt besonders dreist zulangen und hatte vorgeschlagen, den Hebesatz um 190 Punkte zu erhöhen. Das wäre eine Steuererhöhung von 46 Prozent gewesen. Der Gemeinderat folgte dem OB zwar nicht, doch die beschlossene Steuererhöhung um 100 Punkte, die zum 1. Januar 2024 in Kraft treten soll, ist immer noch happig.

Aus Mietersicht ist eine am Bodenwert bemessene Grundsteuer zu begrüßen, weil sie eine flächen- (und damit auch kostensparende) Bebauung belohnt und den Geschosswohnungsbau etwas entlastet. Doch unabhängig davon, wie Grundsteuern errechnet werden, gilt: Jede Grundsteuererhöhung verteuert das Wohnen in der Stadt Konstanz weiter. Deswegen lehnt der Mieterbund Bodensee die zuletzt beschlossene Grundsteuererhöhung ab und kann Oberbürgermeister Burchardt und den Gemeinderat nur davor warnen, weiter an dieser Steuerschraube zu drehen.

Text: Winfried Kropp
Pressesprecher Deutscher Mieterbund Bodensee
Mitglied des Landesvorstands im Deutschen Mieterbund Baden-Württemberg
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