Neue Stolpersteine für Konstanz
Am 1. November 2019 werden in Konstanz durch den Künstler Gunter Demnig weitere Stolpersteine für Opfer des Nationalsozialismus verlegt. Es wird dabei insgesamt 10 jüdischer, politischer und Euthanasie-Opfer gedacht. An jeder Verlegestelle werden Angehörige oder Paten mit einer Ansprache an die Opfer erinnern. Gäste und Interessierte sind herzlich willkommen. Begleitet wird die Verlegung durch ein breitgefächertes Programm vom 23.10. bis 10.11., das u.a. Lesungen und Führungen anbietet.
Am 1. November um 9.00 Uhr beginnt die diesjährige Verlegung mit einem Stolperstein für Pius Moser Am Berg 9 in Dettingen. Enden wird die Verlegung um 11.10 Uhr in der Brückengasse 15 mit einem Stolperstein für Schwester Brigitte Hilberling. Hier der Ablauf an diesem Tag:
Uhrzeit | Opfer | Verlegeort |
9.00 Uhr | Pius Moser | Am Berg 9 (Dettingen) |
9.30 Uhr | Otto Greis | Fürstenbergstraße 72 |
9.55 Uhr | Else Büchler, geb. Kahn, und Ludwig Büchler | Emmishofer Straße 10 |
10.20 Uhr | Samuel, Klara und Walter Seewald | Bodanstraße 4 |
10.40 Uhr | Karl Katz | Katzgasse 5 |
10.55 Uhr | Rosa Lang | Sankt-Johann-Gasse 1 |
11.10 Uhr | Brigitte Hilberling OP | Brückengasse 15 |
Das Projekt Stolpersteine
„Stolpersteine“ ist ein Kunstprojekt von Gunter Demnig aus Köln. Der Künstler erinnert an die Opfer der NS-Zeit, indem er vor deren letztem selbstgewählten Wohnort Gedenktafeln aus Messing ins Trottoir einlässt. „Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist“, zitiert Gunter Demnig dazu den Talmud. Mit den Steinen vor den Häusern hält er die Erinnerung an die Menschen lebendig, die einst hier wohnten. Ein Stein. Ein Name. Ein Mensch.
Das Projekt ist bis Mitte 2019 auf über 70.000 Steine in 1265 Kommunen Deutschlands und in 23 Ländern Europas gewachsen. Zudem wurden 25 „Stolperschwellen“ verlegt. Aktuell wird damit in europäischen Ländern von Belgien und Deutschland über Finnland und Polen bis hin zu Luxemburg und der Republik Moldau an die Geschichte erinnert. Seit Oktober 2017 liegt auch die erste Stolperschwelle außerhalb Europas in Buenos Aires (Argentinien), die in enger Zusammenarbeit mit der Konstanzer Initiative verwirklicht wurde. In Konstanz und Kreuzlingen wurden bis Ende 2018 bereits 225 Stolpersteine installiert.
Die Initiative
Die Initiative „Stolpersteine für Konstanz – Gegen Vergessen und Intoleranz“ arbeitet seit 2005 an der Aufarbeitung der Biografien von Verfolgten des Nationalsozialismus, seien es nun Juden, politisch und religiös Verfolgte, Euthanasieopfer, Deserteure, Sinti/Roma oder Homosexuelle. Sie sollen so auch in Konstanz ihre Identität zurückerhalten. Getragen wird die Initiative von einem breiten gesellschaftlichen Bündnis, zu dem als aktuelle Paten auch das Kulturamt der Stadt Konstanz, die Stadt Konstanz, Alexander Stiegeler, Anselm Venedey und die vhs Landkreis Konstanz e.V. zählen.
Das Begleitprogramm
Insgesamt acht Veranstaltungen setzen sich flankierend mit dem Hintergrund der Stolpersteine und verschiedenen Facetten der Geschichte des Nationalsozialismus auseinander – durchaus auch in mahnender Absicht für die Gegenwart.
Am Mittwoch, 23.10.2019, 18:30 Uhr, gibt es eine Gedenkfeier zur „Oktoberdeportation“ an der Gedenkstele in der Sigismundstraße. Sie erinnert daran, dass am 22. Oktober 1940 über 6500 jüdische Bürger aus Baden und der Saarpfalz – darunter auch 108 Konstanzer Juden – in das südfranzösische Internierungslager Gurs deportiert und anschließend fast ausnahmslos in verschiedenen Lagern ermordet wurden.
Am Montag, 4. November, 19:30 Uhr, findet im Astoriasaal, Katzgasse 7, die offizielle Übergabe der Stolpersteine an die Stadt Konstanz statt. Begleitet wird die Veranstaltung von einem Vortrag und einer Lesung von Prof. Dr. Erhard Roy Wiehn, „Ständig in Angst gelebt. Else Büchler über ihr Leben als Jüdin während der NS-Zeit in Konstanz 1933–1945“. Basis des Vortrages ist ein ausführliches Interview, das Wiehn mit der im Jahr 2000 gestorbenen Zeitzeugin Else Büchler führen konnte, die in Konstanz als Jüdin in einer „Mischehe“ vor allem deshalb überleben konnte, weil ihr Mann, der im Tiefbauamt der Stadt arbeitete, dem massiven Druck von Vertretern der Stadt, sich scheiden zu lassen, nicht nachgab.
Am Sonntag, 10. November 2019, 19:30 Uhr, erinnert im Wolkensteinsaal des Kulturzentrums am Münster der schweizerische Journalist, Schriftsteller und Historiker Stefan Keller an „Grüningers Fall“. Es ist die bewegende Geschichte des couragierten St. Galler Polizeihauptmanns Paul Grüninger, der 1938/39 zahlreichen Juden und Jüdinnen das Leben rettete, indem er sie an der Grenze nicht zurückwies, sondern in die Schweiz einreisen ließ. Stefan Keller erzählt den Fall aus der Sicht der ehemaligen Flüchtlinge, der ehemaligen Emigrantenschlepper, Polizisten und Grenzanwohner im Bodenseegebiet und im Rheintal. Die Publikation des Buches führte in den neunziger Jahren zur vollständigen Rehabilitation dieses Hauptmanns, der seinem Gewissen folgte, vielen Menschen half und dafür selbst einen hohen Preis bezahlen musste. Außer über den Fall Grüninger wird Stefan Keller auch vom sechzehnjährigen Joseph Spring erzählen, der 1943 von Schweizer Grenzwächtern direkt an die Gestapo ausgeliefert wurde und nach Auschwitz kam. Er überlebte und verklagte fast sechzig Jahre später mit Kellers Hilfe die Schweiz.
Hinzu kommen Führungen und Mahnwachen sowie die Gelegenheit, die Konstanzer Initiative näher kennenzulernen.
Ein Überblick über weitere Veranstaltungen, das ausführliche Programm und Anlaufstelle für an einer Mitarbeit Interessierte: www.stolpersteine-konstanz.de
MM/red (Foto: Stolpersteine Konstanz)