Neues vom Heimatblatt

Das Schreibverbot gegen Michael Lünstroth ist immer noch nicht aufgehoben. Das führt nun dazu, dass Lokalchef Jörg-Peter Rau, der seinem Kollegen nicht beistand, langsam in die Bredouille kommt und als Alleinunterhalter den Lokalteil zu füllen hat. Das ist mühsam und auf Dauer auch nicht durchzuhalten. Kein Wunder also, dass alte Geschichten auf­ge­wärmt werden und zwischengelagerte Texte herhalten müssen, um den Anschein der Aktualität zu wahren.

Südkurier-LeserInnen waren erleichtert: Vergangenen Freitag tauchte im Lokalteil ein interessantes Interview auf, das Lünstroth mit Altstadtrat Jürgen Leipold geführt hat und das die Anfangsjahre der Konstanzer Universität beleuchtete. Doch dieses Gespräch ist älteren Datums, entstand vor der Kaltstellung Lünstroths, lagerte im sogenannten Stehsatz und wurde nun vermutlich zur Ruhigstellung der Leserschaft eingestreut. Vor allem Chefredakteur Stefan Lutz hängt der irrigen Hoffnung nach, das Thema würde schon irgendwie versanden. Dass diese Woche auch in einigen überregionalen Medien über die Aushebelung der Meinungs- und Pressefreiheit berichtet wird, die dazu beiträgt, die angebliche Unabhängigkeit der Tageszeitung vor Ort grundsätzlich in Frage zu stellen, weiß Lutz noch nicht.

Stimmung im Keller

Seit der Betriebsversammlung letzte Woche hat sich das Arbeitsklima beim Südkurier weiter verschlechtert, wie uns mehrere MitarbeiterInnen versicherten. „Man muss aufpassen, was man sagt und das Misstrauen auf den Fluren ist fast unerträglich“. Viele derer, die sich für eine sofortige Aufhebung der Sanktionen gegen Lünstroth eingesetzt haben, stünden, so eine aktuelle Information, „unter besonderer Beobachtung der Geschäftsleitung“. Das hat dazu geführt, dass für seemoz eine direkte Kommunikation kaum mehr möglich ist. Wir wurden von mehreren InformantInnen dringend gebeten, aktuelle Anfragen keinesfalls über die offiziellen Südkurier-Verbindungsdaten zu stellen, sondern nur noch über private Drähte, und das bitte auch nur „im Notfall“. Auskünfte würden nur erteilt, wenn das Prinzip der „absoluten Verschwiegenheit“ beibehalten würde.  Unser – eher blauäugiges –  Angebot an kritische KollegInnen, Informationen aus dem Inneren des Verlags ausnahmsweise anonym (wobei wir uns ausbedungen haben, die Absender zu kennen) auf unsere Kommentarspalte hieven zu dürfen, blieb in guter Absicht stecken. „So oder so ist das zu heiß“, ließ uns eine erfahrene Redakteurin wissen.

Die So-li-da-ri-tät

KollegInnen aus der Lokalredaktion (Lokalchef Rau gehörte nicht dazu) haben anscheinend gegenüber der Chefredaktion ihren Protest gegen die Behandlung von Lünstroth formuliert. Genaueres ist nicht zu erfahren. Der Betriebsrat hüllt sich immer noch in Schweigen, bereitet aber dem Vernehmen nach eine „Protestnote“ vor, mit deren Formulierung noch vor Weihnachten gerechnet wird. Ähnliches hört man auch von Vertretern des hiesigen djv (Deutscher Journalisten Verband): „Wir haben um ein Gespräch gebeten“ und der dju (Deutsche Journalisten Union). Massiven Einspruch aber an die Adresse der Chefredaktion gab es von mehreren Südkurier-LeserInnen.

Gar nicht reagiert, zumindest nicht öffentlich, hat bislang die Initiative, die sich vehement für den Erhalt des Scala-Kinos eingesetzt hat und bereits mehrmals erklärt hat, auch nach der Schließung des Scala aktiv in der Stadtpolitik mitreden zu wollen. War’s das schon mit dem angekündigten Widerstand gegen die Kommerzialisierung der Innenstadt? Michael Lünstroth ist ja nachweislich wegen seiner Berichterstattung über die Vorgänge und Hintergründe um das Scala abgestraft worden. Grund genug also für die Scala-Kämpfer um Lutz Rauschnick, möchte man meinen, sich für ihn einzusetzen. Auf Nachfrage hieß es sybillinisch, man bereite etwas vor.

Vom Gemeinderat ist eher nichts zu erwarten. Dessen Mehrheit informiert sich über den Südkurier, und was sie dort nicht lesen, findet für sie nicht statt. Und da in ihrem Leib- und Magenblatt darüber nichts geschrieben wird, legen sie ihre Bäuche in Falten, verschwinden darin und sind mit sich und ihrer kleinen Welt zufrieden.

H. Reile