„Niemand streikt so fröhlich wie wir“
Das Konstanzer K9 als Streikcafé: Wo sonst Musik oder Comedy die Plätze füllt, waren dieses Mal vornehmlich junge, vornehmlich weibliche Streikende versammelt – die Sitzplätze im Theatersaal reichten nicht aus. Auf gute Unterhaltung wurde dennoch geachtet: Es gab Filme, Sketche und launige Ansprachen. Und die Stimmung unter den streikenden SozialarbeiterInnen war bestens – „so streiken wir noch über Pfingsten hinaus“.
Mehr als 80 Streikende aus Konstanz und Umgebung versammelten sich Montagmorgen im K9 in Konstanz zum Streikcafé. Sie kamen aus Villingen- Schwenningen, Radolfzell, Tuttlingen und Singen. Der Gewerkschaft war wichtig zu zeigen, dass im aktuellen Streik der Sozialdienste nicht nur ErzieherInnen aus Kitas mitmachen, sondern die SozialarbeiterInnen aus Stadt und Landkreis ebenso protestieren und für eine bessere Eingruppierung streiken. Der Sketch, in dem SozialarbeiterInnen des ASD (Allgemeiner Sozialer Dienst) aus Konstanz ihren stressigen Arbeitsalltag beschrieben, ist das beste Beispiel dafür.
Die Stimmung war ausgelassen, die Redner bekamen kräftigen Beifall, es gab Zwischenrufe und Gelächter zuhauf. Margit Zepf, ver.di-Geschäftsführerin im Bezirk Schwarzwald-Bodensee, betonte dann auch, niemand mache einen so kreativen und fröhlichen Arbeitskampf wie die SozialarbeiterInnen und ErzieherInnen.
Politiker fehlten
Grußworte kamen von der katholischen Seelsorge und von verschiedenen Betriebs- und Personalräten. Parteienvertreter jedoch glänzten durch Abwesenheit – die SPD hatte sich zwar angemeldet, war aber nicht erschienen, wie überhaupt GemeinderätInnen (mit Ausnahme von Anke Schwede, LLK) und Kreisräte (mit Ausnahme von H.-P. Koch, Die Linke) aus Konstanz sich nicht sehen ließen.
Simon Pschorr, Landtagskandidat der Linken in Konstanz, richtete sich in einer kurzen Grußrede an die Streikenden. Er sei sehr erfreut über die rege Teilnahme. Er plädierte dafür, dass Arbeitskampf wieder als Wert in der Gesellschaft präsent sein müsse und nicht verteufelt werden dürfe. Und der Kampf für einen besseren Lohn, trotz Spaß an der Arbeit, für jede Beschäftigte nur legitim sei. DIE LINKE Konstanz unterstütze den Streik und setze sich umfassend für alle Sozialarbeiter ein.
Probleme mit dem Nachwuchs
Johan Sattelmeier, angestellt beim Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD) Konstanz, sprach ein Wahrnehmungsproblem in der Gesellschaft an: Sozialarbeiter bekämen wenig Erwähnung in der Öffentlichkeit und würden oft mit Erziehern verwechselt. Positive Einschätzungen kämen in der Öffentlichkeit nicht zum Tragen, nur Skandale über Missstände seien medienwirksam. „Das Problem“, so Sattelmeier „ist das sehr hohe Maß an Verantwortung bei gleichzeitig schlechten Rahmenbedingungen“. Er hebt hervor, dass man, im Gegensatz zu anderen sozialen Berufen, mit Menschen in einem Zwangskontext arbeite und die Fälle oft besonders belastend seien. Die derzeitigen Arbeitsbedingungen aber schreckten den Nachwuchs ab.
Mit dem aufgeführten Sketch (s. Foto) wurde der Alltag einer Sozialarbeiterin veranschaulicht, genauso wie das Arbeitspensum, und der generell hohe Aufwand bei vielfach kritischen Fällen. Das Spektrum der Tätigkeiten ist äußerst groß. Es reicht von der Unterstützung von problematischen Kindern und Jugendlichen über die Aufnahme und Betreuung von minderjährigen Flüchtlingen bis hin zu konkreten Kindeswohl-Gefährdungen, bei denen Hausbesuche notwendig sind. Viele Fälle bedürften einer schnellen Bearbeitung. Hinzu kämen Beratungsgespräche mit überforderten Eltern, Beratung bei Scheidungsfällen und die Begleitung bei Gerichtsverhandlungen. Auch schriftliche Arbeiten, etwa das Anfertigen von Hilfeplänen, die Dokumentation oder Auswertung der geleisteten Arbeit, stehen auf der Agenda.
Kein Schmerzensgeld, sondern leistungsgerechte Bezahlung
Da leuchtet die Forderung nach vernünftigen Rahmenbedingungen, auch für eventuelle körperliche und seelische Belastung und Krankheit, ein. Man wolle „kein Schmerzensgeld, sondern leistungsgerechte Bezahlung“. Er empfiehlt, Druck bei Ämtern der Stadt ausüben. Denn schon einmal brachte eine Überlastungsanzeige in Konstanz eine zusätzliche Stelle.
Stefan Kitzmann ist beim Sozial und Jugendamt Konstanz in der Fachstelle für Kinder-und Jugendbetreuung angestellt. Auch er streikt heute. Warum? „Ich bin noch jung und habe noch ein langes Berufsleben vor mir. Da ist es wichtig, dass man sich für seine Zukunft einsetzt“. Er macht das, obwohl er in keiner Gewerkschaft organisiert ist und somit auch kein Streikgeld erhält.
Man merkt, dass hier jede(r) überzeugt ist. Schon die Urabstimmung bei ver.di entschied sich mit über 93 Prozent für den Arbeitskampf. Die Arbeitgeber hingegen halten die Forderungen für nicht gerechtfertigt und haben bisher nicht eingelenkt. „Wenn notwendig, werden wir auch länger Streiken.“, sagt Johan Sattelmeier gegen Ende seiner Rede und erntet Beifall.
Es wird bis Pfingsten zunächst nur an einzelnen Tagen gestreikt, sollte bis dahin keine Einigung erzielt werden, ist es möglich, dass auch größere Zeiträume bestreikt werden. Allerdings wird dies rechtzeitig bekanntgegeben.
Rafael Cueva-Garcia