Nissenbaums lassen Villa weiterhin verrotten

Seit Wochen suchen viele StudentInnen verzweifelt Wohnraum in Konstanz. Dieser ist knapp und oft unbezahlbar. Trotzdem lassen manche Haus- oder Wohnungsbesitzer ihre Immobilien lieber vergammeln,  auch aus Spekulationsgründen. Wie zum Beispiel die Familie Nissenbaum, die anscheinend nur darauf wartet, dass die prachtvolle Villa in der Neuhauserstraße 19 in sich zusammen fällt. Schon im Juli 2011 hat seemoz darüber berichtet, doch passiert ist seitdem nichts.

Neuhauserstraße 19. Keine schlechte Wohngegend. Das Seeufer liegt um die Ecke, das Quartier zählt zu den besten und begehrtesten Wohngegenden in der Stadt. Hier steht seit Jahrzehnten eine prächtige Villa leer, die der Familie Nissenbaum gehört. Die Fenster und Türen sind mit Billigholz zugenagelt, die Zäune weggebrochen, der große Garten verwildert. Ein seemoz-Besichtigungstermin vor rund einem Jahr trieb neugierige Anwohner vor die Türe. Warum man das Haus fotografiere, wurde gefragt. Ja, die Besitzer, so die zögerliche Auskunft, ließen das Gebäude systematisch vergammeln, mehr möchte man allerdings auf keinen Fall sagen, sonst habe man „schnell einen Prozess am Hals, da kennt die Familie Nissenbaum nichts“. Ein anderer wurde unlängst deutlicher: „Das hier ist eine Riesenschweinerei, aber ich halte mich da raus. Das ist ein heikles Thema in der Stadt und ich habe keine Lust, mir noch einen Antisemitismusvorwurf einzufangen.“

Ein architektonisches Kleinod

Das 1910 im Auftrag des Fabrikdirektors Eugen Blank von den bekannten Architekten Friedrich Bauer und Hans Dahme gebaute Haus gilt als Kulturdenkmal. Vor allem Friedrich Bauers Name steht für mehrere herrliche Villen in der Gegend. Bis vor etwa 30 Jahren, so die ehemalige FGL-Stadträtin Inge Egler vergangenen Juli, habe in der Neuhauserstraße noch eine alleinstehende alte Dame gewohnt. Des öfteren, so die rüstige Altstadträtin Egler, „habe ich während der letzten Jahre die Stadt mehrmals darauf aufmerksam gemacht, dass hier ein schönes Gebäude verkommt und man dagegen etwas unternehmen sollte“. Doch immer habe man ihr erklärt, dass da nichts zu machen sei.

Die vergessene Kommission

Vor Jahren schon, damals hieß der Baubürgermeister noch Volker Fouquet, gründete sich eine Kommission, die sich vorgenommen hat, den jeweiligen Zustand der Villa in der Neuhauserstraße 19 regelmäßig zu überprüfen. Doch irgendwann, so FWG-Stadtrat Alexander Stiegeler, der den Verfall des Gebäudes ebenfalls mit großer Sorge betrachtet, sei diese Initiative wohl eingeschlafen. Auch Frank Mienhardt von der Unteren Denkmalschutzbehörde kann sich nicht erinnern, dass es in jüngster Zeit eine Begehung gegeben hätte. Mehrmals aber habe man den Besitzer auffordern müssen, im Winter zumindest die Fenster zu schließen, um größere Schäden im Inneren des Anwesens zu vermeiden. So die Auskünfte im Sommer 2011. Eine umgehende Anregung der LLK, einen schnellen Besichtigungstermin mit dem Hausbesitzer zu vereinbaren, tropfte an der behördlichen Schreibtischkante ab.

Warten auf die Bagger

Es ist wohl nur eine Frage von wenigen Jahren, bis die Villa nicht mehr zu retten ist. Das dürfte ganz im Sinne des Besitzers sein, der anscheinend nur darauf wartet, bis ein Abriss des Kulturdenkmals unumgänglich sein wird. Alleine der Grundstückswert in dieser Lage dürfte bei mindestens einer Million Euro liegen. Als das Zweckentfremdungsverbot noch galt, war es möglich, derlei Spekulationstreiben einen Riegel vorzuschieben. Vermieter konnten dazu gezwungen werden, leerstehenden Wohnraum wieder zu vermieten. Erst kürzlich aber hat der Konstanzer Gemeinderat beschlossen, die Landesregierung aufzufordern, dieses Zweckentfremdungsverbot wieder flächendeckend einzuführen. Doch das kann dauern. Die LLK kritisierte während dieser Sitzung erneut den untragbaren Zustand in der Hinterhauserstraße und auch der Südkurier berichtete anderntags darüber.

Kommt es zu einer Instandbesetzung?

Seit mehreren Wochen kursiert auf einer Internetseite für wohnungssuchende StudentInnen der Hinweis, dass die Villa in der Hinterhauserstraße leer steht und auf Mieter wartet. Mehrere Wohngemeinschaften hätten dort Platz, wird gemunkelt. Eventuell könnte eine spontane Besichtigung der Räumlichkeiten darüber Aufschluss geben, ob mit überschaubaren Instandsetzungskosten eine Bewohnung möglich wäre. Wie auch immer: seemoz bittet um frühzeitige Nachricht etwaiger Aktivitäten rund um das Objekt. Alle Informationen im Vorfeld werden selbstverständlich vertraulich behandelt. Versprochen.

Autor: Holger Reile