No more Rollkoffer – Zweckentfremdungsverbot kommt – knappe Entscheidung im Gemeinderat
Die Bürgerlichen im Konstanzer Gemeinderat haben lange mit allen Tricks einen Nachfolger für das Ende 2006 ausgelaufene Zweckentfremdungsverbot für Wohnraum verhindert. In der letzten Gemeinderatssitzung wurden sie jetzt aber geschlagen: Eine denkbar knappe Mehrheit beschloss für die nächsten fünf Jahre wieder ein Zweckentfremdungsverbot und genehmigte auch die Einrichtung einer entsprechenden Stelle bei der Stadt
Die Lage auf dem Konstanzer Wohnungsmarkt ist für Normalverdiener dramatisch. „Der Wohnraummangel bis 2015 liegt bei ca. 1.900 Wohnungen, für den Zeitraum 2011 bis 2030 bei ca. 5.300 Wohnungen. Zum 31.12.2014 haben sich bei der WOBAK 2.726 Wohnungssuchende beworben,“ so steht es jedenfalls in der Beschlussvorlage. Es sind mehrere Tausend Menschen akut vom Wohnungsmangel betroffen, vor allem solche, die ihre Arbeitskraft Tag für Tag zu Markte tragen müssen. Insbesondere junge Familien und Geringverdiener müssen ins weitere Umland ausweichen und erhebliche Schul- und Arbeitswege in Kauf nehmen, weil sie sich in Konstanz schlichtweg keine Wohnung mehr leisten können.
Daher, so der von der SPD auf den Weg gebrachte Antrag, ist das Ziel eines Zweckentfremdungsverbotes „der Erhalt des Wohnraumangebotes in Gebieten, in denen die Versorgung der Bevölkerung mit ausreichendem Wohnraum zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist und in denen dem Wohnraummangel nicht mit anderen Mitteln abgeholfen werden kann. Es dient also der Bekämpfung von örtlichem Wohnraummangel.“ Möglich wurde das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum durch einen Beschluss des baden-württembergischen Landtages aus dem Dezember 2013, der es den Kommunen erlaubt, eine entsprechende auf fünf Jahre befristete Satzung zu erlassen.
Ferienwohnungen als Turbo für Profite
„No more Rollkoffer“ wird eine immer populärere Devise in vielen von der Umwandlung in Ferienwohnungen betroffenen Szenevierteln deutscher Städte. Und das gilt auch für das bei Reisenden äußerst beliebte Konstanz. In der Tat sind die Profite, die sich aus einer solchen Wohnung herausholen lassen, ganz erheblich. Wenn man für normale Ferienwohnungen Tagessätze ab 50 Euro aufwärts pro Tag erzielen kann, ergibt das selbst bei einer mittelprächtigen ganzjährigen Auslastung immer noch Mieteinnahmen, die weit über denen bei einer normalen Vermietung liegen, selbst wenn der Vermieter durch Möblierung, Reinigung und Werbung höhere Kosten hat. Es ist unbekannt, um wie viele Wohnungen es sich handelt, über die abgeführte Kurtaxe kann man aber von mindestens 421 Wohnungen ausgehen, über einen erheblichen Schwarzmarkt lässt sich nur spekulieren. Außerdem geht es auch um die gewerbliche (Mit-)Nutzung von Wohnraum etwa durch Praxen, Kanzleien oder andere Freiberufler.
Die Abstimmung
Die Debatte brachte nichts Neues. Die größte Fraktion FGL verzichtete auf einen Redebeitrag, und Roger Tscheulin (CDU) sang einmal wieder die so gar nicht zu Herzen gehende Todesarie der Hausbesitzer und Immobilienspekulanten. Er warnte vor dem erheblichen bürokratischen Aufwand, vor langwierigen Rechtsstreitigkeiten sowie den massenhaften Anzeigen von Nachbarn wegen der angeblichen illegalen Vermietung von Wohnraum als Ferienwohnungen. Er stellte den Bau neuer Wohnungen im Rahmen des Handlungsprogramms Wohnen als einzige Möglichkeit dar, der Wohnungsnot zu begegnen.
Auf Betreiben von Herbert Weber (SPD), einem Vorkämpfer der Konstanzer Mieterinteressen, wurde namentlich abgestimmt, getrennt in 1. die Abstimmung über das Zweckentfremdungsverbot als solches und 2. die Einrichtung einer entsprechenden Personalstelle. Der Antrag von Heinrich Everke (FDP), geheim abzustimmen, wurde hingegen mit 18:23 abgelehnt.
Das Ergebnis war denkbar knapp: Die Zweckentfremdungssatzung wurde mit 21:20 Stimmen angenommen. (41 Stimmen kommen im 40-köpfigen Gemeinderat zustande, weil zusätzlich zu den Gemeinderätinnen und -räten auch der Oberbürgermeister mit abstimmen darf.) Es gab bei der Abstimmung eigentlich kaum Überraschungen: Der Grüne Günter Beyer-Köhler (Mitglied im Vorstand des Immobilienbesitzerverbandes Haus und Grund) stimmte dagegen, ebenso wie Gabriele Weiner, die erst jüngst von den Freien Wählern zum Jungen Forum (JFK) gewechselt ist. Der Rest des JFK hingegen stimmte dafür. Auch Oberbürgermeister Uli Burchardt stimmte dagegen, weil er auf die Stadt Prozesse und einen gesteigerten personellen Aufwand zukommen sieht.
Die Folgen
Davon auszugehen, dass das Verbot der Zweckentfremdung in absehbarer Zeit viel für den Wohnungsmarkt bewirkt, wäre blauäugig. Die bisherigen Ferienwohnungen werden nicht angetastet. Lediglich für Gebäude, die bisher schon überwiegend als Ferienwohnungen genutzt werden, muss eine nachträgliche Genehmigung beantragt werden, sofern sie nicht früher einmal genehmigt wurden. Genehmigungspflichtig wird vor allem die künftige Umwandlung von Wohnungen in Ferienwohnungen oder der gänzliche Neubau von Ferienwohnungen. Analog verhält es sich mit der Umwandlung von Wohnraum in gewerblich genutzte Räume.
Die Frage ist natürlich, welche Umwandlungen die Stadt in Zukunft genehmigen wird oder genehmigen muss. Langfristig schafft ein Zweckentfremdungsverbot keinen neuen Wohnraum (das hat auch niemand behauptet, aber Rattenfänger Tscheulin mit großem Getöse bestritten), es kann aber dazu dienen, die Umwandlung von Wohnraum in Gewerbe- oder Ferienwohnungen zu verhindern und damit einem möglicherweise spürbaren Verlust an Wohnraum vorzubeugen.
Das Verbot der Zweckentfremdung gilt nur für fünf Jahre, und niemand weiß, wie dann die Mehrheiten aussehen werden. Roger Tscheulin deutete gar schon mal neckisch an, man könne ja nach der vorgeschriebenen parlamentarischen Schamfrist von sechs Monaten erneut darüber abstimmen lassen. Der Schelm: Von Profiten auf Kosten der Mieter ist bei ihm nie die Rede, aber letztlich geht es bei der ganzen Angelegenheit ja um nichts anderes.
Autor: O. Pugliese