Nulltarif statt 9-Euro-Ticket

Wollmatingen Bahnhof Bushaltestelle Bahnübergang © PuglieseDie Bundesregierung hat Ende März ein Entlastungspaket beschlossen, das Bürgerinnen und Bürger angesichts hoher Energie- und Lebenshaltungskosten finanziell unterstützen soll. Ein Bestandteil davon ist das sogenannte 9-für-90-Ticket, mit dem jedeR für insgesamt 27 Euro drei Monate lang Bus, Straßenbahn oder Fähre fahren kann. Macht das Sinn?

Bei Landesverkehrsministerinnen und -ministern stieß diese Maßnahme mehrheitlich auf Kritik: die Ampelregierung solle angesichts des administrativen Aufwands lieber ganz auf eine Bezahlung verzichten, zudem sei der Schnellschuss nicht durchdacht. So ist z. B. noch nicht klar, ab wann genau das nur online zu buchende Angebot gilt und wie es in diverse Abo-Strukturen eingebunden werden kann. Für Konstanz, das nach wie vor in schöner Regelmäßigkeit die Bus-Fahrpreise erhöht, wäre dieses Ticket ja fast ein Fortschritt. Die Linkspartei Baden-Württemberg spricht sich jedenfalls in einer Pressemitteilung vom 30. März, die wir nachfolgend dokumentieren, für einen generell ticketfreien ÖPNV aus.

Schnelle und unbürokratische Entlastung nötig

Die LINKE Baden-Württemberg kritisiert die späte Umsetzung der Einführung des 9-Euro-Tickets in den baden-württembergischen Verkehrsverbünden und fordert den Einstieg in einen dauerhaften ticketfreien öffentlichen Nahverkehr. Elwis Capece, Landessprecher der LINKEN Baden-Württemberg, sagt dazu: „Es ist begrüßenswert, dass Verkehrsminister Winfried Hermann statt des 9-Euro-Tickets einen Nulltarif fordert. Doch als Verkehrsminister ist er in der Verantwortung mehr zu tun, als nur Appelle an die Bundesregierung zu richten. Die Umsetzung zum 1. Mai kommt zu spät für die Leute, die jetzt schon nicht mehr wissen, wie sie mit den steigenden Energie- und Lebensmittelpreise über die Runden kommen sollen. Die Entlastung muss bei den Menschen ankommen, die sie wirklich brauchen – und das dauerhaft. Ein einmaliges Entlastungspaket mit zeitlich begrenzten Zuschüssen ist nur ein Strohfeuer, das die entstandenen finanziellen Probleme für viele Menschen nicht lösen wird. Stattdessen braucht es schnelle und dauerhafte Entlastung“.

Und weiter ist in der Pressemitteilung zu lesen: „Wir kritisieren die Pläne, das 9-Euro-Ticket ausschließlich als Online-Ticket anzubieten. Gerade für ältere Menschen, die auch in Baden-Württemberg einem hohen Armutsrisiko ausgesetzt sind, sind die günstigen Tickets damit nicht zugänglich. Das Entlastungspaket darf nicht noch mehr Hürden beim Zugang zum öffentlichen Nahverkehr aufbauen. Deshalb fordern wir eine schnelle Entlastung durch einen ticketfreien ÖPNV, und das ab sofort. Dieses Entlastungspaket muss ein echter Einstieg in eine Verkehrswende sein, die in Baden-Württemberg trotz elf Jahre grün-geführten Verkehrsministeriums gründlich verschlafen wurde. Hermann muss jetzt alle Hebel in Bewegung setzen, dass das Entlastungspaket der Einstieg in den dauerhaften ticketfreien ÖPNV wird. In einem ersten Schritt muss das Land sich dafür einsetzen, dass angekündigte Fahrpreiserhöhungen etwa im Verkehrsverbund Karlsruhe oder dem Verkehrsverbund Stuttgart sofort zurückgenommen werden. Gleichzeitig muss der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs im ländlichen Raum endlich ernsthaft in Angriff genommen werden. Ein Jahr nach der Landtagswahl ist von der angekündigten Verkehrswende im ländlichen Raum nicht viel zu sehen.“

MM/ans
Bild: © O. Pugliese