„Nur die Linke legt sich mit den Mächtigen an“

Nach einem Wahlkampf-Auftritt im mit 250 ZuhörerInnen überfüllten Sigismund-Saal nahm sich Dietmar Bartsch am Dienstag­abend im Konstanzer Konzil noch Zeit für ein Pressegespräch. Ergebnis ist dieses Interview mit dem Vorsitzenden der Links­fraktion, der – zusammen mit Sahra Wagen­knecht – als Spitzenkandidat der Partei DIE LINKE zur Bundestagswahl in zehn Tagen antritt. Im Anschluss ein Kurzbericht über den Auftritt von Dietmar Bartsch.

Die Wahl scheint gelaufen – spannend einzig: Wer wird die größte Oppositionspartei? Diesen Platz nimmt bisher DIE LINKE ein. Ihr Ziel also: Wieder dritte Kraft im Bundestag?
Klar wollen wir diesen Platz verteidigen und mindestens den Oppositionsführer stellen. Denn das hat auch parlamentarische Vorteile: Der Oppositionsführer hat das Recht, als erster nach dem Regierungschef zu sprechen, die stärkste Oppositionspartei erhält automatisch den Vorsitz im Haushaltsausschuss – das sind Pfunde im Parlament.

Und wir wollen ein zweistelliges Wahlergebnis. Das ist immer noch möglich. Auf Wählerumfragen gebe ich nicht viel – schauen Sie sich doch die letzten Wahlergebnisse an: Ob bei der NRW-Wahl, ob bei den US-Wahlen oder der Brexit-Abstimmung: Jedes Mal lagen die Meinungsforschungs-Institute noch am Wahltag daneben – jeder hätte Frau Krafft die Wiederwahl, jeder Frau Clinton den Wahlsieg zugetraut – es kam anders. Auch bei unserer Wahl in zehn Tagen rechne ich durchaus noch mit Überraschungen.

Auch bei Ihrem persönlichen Wahlziel, dem Direktmandat in Rostock?
(lacht) Das wird schwierig, denn auf dem Wahlzettel des Wahlbezirks steht der Name Angela Merkel; Rostock ist Merkel-Land. Aber richtig ist: Wir wollen mindestens unsere vier Direktmandate, alle in Berlin, verteidigen. Und man darf nicht vergessen, dass die LINKE im Osten eine Volkspartei ist, die dort immer besser als die SPD abgeschnitten hat.

Dennoch hat Ihre Partei manche Wähler an die AfD verloren …
… wir stehen für eine gänzlich andere Politik, wir stehen für soziale Gerechtigkeit, was man der AfD nun wirklich nicht nachsagen kann. Übrigens ist die Zulaufrate zur AfD gerade im Osten, in Sachsen zum Beispiel, deutlich rückläufig. Ich mache mir da keine übertriebenen Sorgen.

Mit Simon Pschorr stellt Ihre Partei den jüngsten Kandidaten in unserem Wahlkreis Konstanz. Ein Einzelfall?
Keineswegs. Ich stelle eine tiefgreifende Politisierung unter den jungen Leuten fest. Schon in meiner Zeit als Bundesgeschäftsführer meiner Partei habe ich darauf gedrungen, junge KandidatInnen aufzustellen und zu fördern. Simon ist ein gutes Beispiel für diesen kreativen und klugen Nachwuchs. Und die jungen Leute haben Zeit – klappt es dieses Mal nicht, klappt es bei der nächsten Wahl.

Baden-Württemberg zählt nicht zu den Hochburgen der Linken, um es einmal dezent auszudrücken. Wo also sollen die Stimmen herkommen?
Anders als bei den Landtagswahlen, wo wir ja den Sprung ins Parlament verpasst haben, ist für den 24. September klar: Die Linke kommt so oder so in den Bundestag, keine Stimme, vor allem keine Zweitstimme, für uns ist eine verlorene Stimme. Und die WählerInnen haben zwei Stimmen – die erste für Simon Pschorr, die zweite für Wagenknecht und Bartsch und die KollegInnen auf der Landesliste. Da lohnt sich der Gang zur Wahlurne immer und in jedem Fall.

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Der Wahlkampf-Auftritt von Dietmar Bartsch im Konstanzer Konzil

Im vollbesetzten Sigismund-Saal absolvierte der Spitzenkandidat und Fraktionsvorsitzende der Partei Die LINKE einen Wahlkampf-Auftritt voller Witz und Schlagfertigkeit. Sein Motto: „Die Linke macht den Unterschied“. Zum Beispiel beim Kampf gegen den „öbzönen Reichtum“. Nur die Linke habe den „Mut zu einer großen Steuerreform“, die Gutverdienende ab 7100 Euro Monatseinkommen stärker besteuern würde und „die 13 Millionen Arme in unserem Land besser stellen soll“. Bartsch verglich etwa das Erbschaftssteuer-Aufkommen mit dem der USA: „Würden wir deren Modell anwenden, kämen bei uns 50 Milliarden an und nicht nur sechs“.

Scharf ins Gericht ging er mit Finanzminister Schäuble, dem er die Begünstigung von Steuerhinterziehern vorwarf: „Weder bei der Aufdeckung der Panama-Geschäfte noch bei den Cum-Cum-Tricks der Banken hat Schäuble reagiert – großmäuligen Ankündigungen folgten nie Taten“. Dem Fiskus gingen durch Steuerflucht jährlich 50 Milliarden Euro verloren: „Die teuersten Flüchtlinge sind die Steuerflüchtlinge“.

Weitere Themen seiner Ansprache und der Diskussion mit dem Publikum waren der Stopp von Rüstungsexporten  („Deutschland sollte Kriegsdienst-Verweigerer werden“), der Diesel-Skandal („Wir werden von Abzockern abgezockt“), die Europa-Politik („Wir müssen eine Balance zwischen Nord und Süd erreichen“) oder auch das Verhalten gegenüber der Türkei: „Konsequenz ist angesagt“, den Worten Merkels und Gabriels müssten endlich Taten folgen, die militärische und wirtschaftliche Unterstützung Erdogans gestoppt werden.

Der Bundesregierung warf er vor, „in den letzten 12 Jahren nur verwaltet und nicht regiert zu haben“ – das zeige sich bei den Renten und in der Steuerpolitik und sogar bei den TTIP-Verhandlungen oder beim Kohle-Ausstieg. Sein Fazit: „Um solche Missstände abzubauen, braucht es den Mut, sich mit den Mächtigen anzulegen. Und den bringt nur die LINKE auf.“

hpk (Fotos: hpk/Daniel Schröder. Das Pressegespräch fand zusammen mit dem Südkurier-Mitarbeiter Benjamin Brumm – links im Bild – statt)