„OB Burchardt, springen Sie endlich!“

Während die Konstanzer Gruppe der Letzten Generation gerade ihre nächsten (Klebe-)Aktionen vorbereitet, erinnert Fridays for Future am 2. Mai mit einer Demo daran, dass sich seit vier Jahren nichts getan hat. Was damit gemeint ist, erläuterte Ende März Kiki Köffle vor dem Gemeinderat. Da die meisten Stadträt:innen ihre Botschaft möglicherweise wieder vergessen haben, kommt sie hier nun schriftlich.

Am 30. März besprach der Konstanzer Gemeinderat den siebten Klimaschutzbericht. Im Vorfeld hatte Fridays for Future (FFF) über die Fraktion der Grünen beantragt, zu diesem Thema reden zu dürfen. Da es zwischen den Fraktionen unterschiedliche Positionen gab, wurde erst während der Sitzung selbst darüber abgestimmt, ob FFF offiziell reden darf oder nicht. Eine Mehrheit des Rats – bestehend aus den Fraktionen von CDU, FW, FDP, SPD und dem Oberbürgermeister (OB) stimmten dagegen. Allerdings nutzte FFF die anschließende Bürgerfragestunde – und hielt die vorbereitete Rede doch noch, allerdings in verkürzter Form. Im Folgenden das Skript der vorbereiteten Rede:

„Am 2. Mai 2019, vor fast vier Jahren, haben Sie, der Gemeinderat der Stadt Konstanz, einstimmig die Ausrufung des deutschlandweit ersten Klimanotstands beschlossen. Das hat bundesweit Aufsehen erregt und VertreterInnen der Stadt erwähnen es bei fast jeder sich bietenden Gelegenheit. Mit der Klimaschutzstrategie vom ifeu-Institut haben wir zudem wissenschaftlich untermauerte, sinnvolle und auch machbare Maßnahmen an die Hand bekommen, um die Klimaneutralität bis 2035 zu erreichen. Dafür gab es ja extra eine Machbarkeitsstudie.

Wer den aktuellen Klimaschutzbericht liest, erfährt ausführlich, was alles für den Klimaschutz getan wurde: eine neue Photovoltaik-Anlage hier, ein paar E-Busse da, Klimabäume in Neuauflage, Informationsveranstaltungen und so manches mehr. Es wird versucht, zu zeigen: Klimaschutz läuft in Konstanz.

Und auch heute in der Sitzung haben wir wieder viele große Worte gehört.

Zu wenig zu langsam

Das Problem ist: Wenn man sich dann die Fakten anschaut, die Zahlen und Statistiken, ist dieser Eindruck recht schnell wieder weg.

Sehr geehrte Mitglieder des Gemeinderats, sehr geehrte Pressemenschen und alle anderen: Es ist Zeit, den Tatsachen ins Auge zu sehen: Klimaschutz „läuft“ absolut nicht in Konstanz. Statt den angestrebten 23 Prozent Emmissionsreduktion haben wir gerade mal 4 Prozent erreicht.

Und wir haben auch entgegen dem, was hier heute schon behauptet wurde, noch nicht alles vorbereitet, um richtig durchzustarten. Wir freuen uns zwar über Ihre grundsätzliche Zusicherungen – aber leider geht es (abgesehen von Symbolpolitik) bei den großen Themen Wärmewende, Energiewende und Verkehrswende gar nicht oder viel zu langsam voran.

Manches wurde heute vielfach gesagt:
– Die Photovoltaik-Ausbau-Rate ist viel zu niedrig!
– Für keinen einzigen Stadtteil wurde bisher ein Wärmenetz geplant, geschweige denn gebaut.
– Die Anzahl der Pkw steigt weiter an, obwohl sie sich halbieren müsste. Und die Zahl der Parkplätze konnte nicht reduziert werden.
– Und klimaneutrale städtische Gebäude, ein Ende von fossilen Heizungen und Richtlinien für ökologische Baustoffe sind noch in weiter Ferne.

Was das bedeutet? Die Klimaschutzstrategie, die Sie beschlossen haben, halten Sie nicht ein.

Das lange Warten

Herr Burchhardt, Sie haben 2021 in der Tgeszeitung taz behauptet: „Wenn die Fridays for Future gesagt haben: ‚Wir wollen, dass ihr springt‘, haben wir das getan. Kopfüber.“ Dieses Zitat ist etwas schlecht gealtert. Was war das denn für ein Sprung? Sind Sie überhaupt schon abgesprungen?

Beim Klimaschutz gibt es viele Herausforderungen, aber die größte ist sicherlich die Zeit. Wir müssen weitreichende Veränderungen in sehr kurzer Zeit umsetzen – sonst verletzen wir die Generationengerechtigkeit, wie auch das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat.

Um diese zeitliche Herausforderung zu meistern, bräuchten wir wirklich dringend einen Sprung. Auf den warten wir seit 2019.

Je mehr CO2 wir ausstoßen, umso mehr überhitzt unser einziger Planet und umso mehr Menschen werden daran sterben. Ich hoffe, Sie haben den Bericht des Weltklimarats IPCC gelesen. Wir in der Stadt Konstanz haben eine Mitverantwortung bei der Bekämpfung des Klimawandels. Gerade durch den hochgelobten Klimanotstand schauen mindestens deutschlandweit viele andere Kommunen auf uns.

Wir von FFF Konstanz fragen uns: Verdrängen Sie das? Oder ist es Ihnen egal?

Schluss mit Weiter-so!

Mit der Klimaschutzstrategie haben wir eigentlich einen Plan und alle Fraktionen haben diesem Plan auch schon zugestimmt, aber der wird einfach nicht umgesetzt. Das muss sich jetzt konsequent, vollständig und zeitnah ändern. Was das bedeutet, haben Sie gerade von Herrn Heublein gehört:
– Den Photovoltaikausbau deutlich beschleunigen.
– Wir müssen das Parken verteuern und es muss endlich wieder möglich sein, Parkplätze zu reduzieren, statt sie in neu betonierte Parkhäuser zu verlagern
– In 12 Jahren muss im ganzen Stadtgebiet klimaneutrales Heizen möglich sein. Bis dahin müssen alle Wärmenetze fertig gebaut sein.

Wichtig ist der Fokus auf die großen Themen. Kleinvieh macht auch Mist, aber eben nicht schnell genug.

Das bedeutet auch: Wir müssen jetzt alles unterlassen, was zu mehr CO2-Ausstoß führt, also Schluss mit Weiter-wie-bisher!Wir müssen die Ressourcen in Verwaltung und beim Handwerk richtig einsetzen, nämlich bei der energetischen Sanierung von älteren Gebäuden.

„Sie sind es Ihren Wähler:innen schuldig!“

Das alles sind keine radikalen Aktivisti-Forderungen, die Sie einfach abtun können, sondern Ihr höchsteigener Beschluss, an den wir sie hier nochmal in aller Nachdrücklichkeit erinnern möchten. Beweisen Sie uns, dass die Politik auch mit dieser Krise fertig werden kann und dass Sie alle zu Ihren Worten stehen können.

Die Zivilgesellschaft lässt sich nicht mit schönen Worten abspeisen und Sie alle sind es Ihren Wählerinnen und Wählern schuldig, Verantwortung zu übernehmen.

Laut Klimanotstand ist dem Klimaschutz oberste Priorität einzuräumen. Wir sind in einem Notstand, nicht in einem Wettstreit um die beste PR-Kampagne. Es geht um Zahlen und um den Umbau von Energieversorgung und Verkehr, nicht darum, sich als Kommune zu profilieren. Ihr Zögern sendet falsche Signale. Alles, was wir jetzt versäumen, müssen zukünftige Generationen ausbaden.

Es wäre so viel schöner, hier zu stehen und über die Details der Umsetzung von nötigen Maßnahmen zu diskutieren, anstatt wieder und wieder erklären zu müssen, worum es überhaupt geht.

Ein Privileg

Ja, es sind große Herausforderungen. Um die Klimaschutzstrategie konsequent umzusetzen, werden manche Fraktionen auch mal über ihren eigenen Schatten springen müssen. Aber die falsche Entscheidung oder der Versuch, diesen Entscheidungen auszuweichen, bedeutet dass mehr Menschen sterben werden.

In Konstanz haben wir das Privileg, dass der Großteil der Bevölkerung mit an Bord ist. Nutzen Sie dieses Privileg! Und lassen Sie sich von anderen Kommunen inspirieren, zum Beispiel von Tübingen.

Besinnen wir uns auf unsere gemeinsamen Werte, insbesondere darauf, dass die Menschenwürde unantastbar ist. Und gehen wir diese Herausforderung gemeinsam an, zum Wohle aller Menschen: Springen Sie endlich ab, nach vier Jahren! Halten Sie sich an die Klimaschutzstrategie!“

Text: Kiki Köffle. Fotos von der Letzte-Generation-Aktion in Konstanz und der Klimastreik-Demo in Radolfzell: Pit Wuhrer