OB-Wahl: Nun gilt’s. Erstmal.
Diesen Sonntag wird noch nicht klar sein, wer in den kommenden langen acht Jahren im Konstanzer Rathaus das Sagen hat. Wir lehnen uns ein Stück weit aus dem Fenster und sind uns eigentlich ziemlich sicher, dass erst ein zweiter Wahlgang ein Ergebnis bringt. Doch was passiert nach dem ersten? Wer bleibt im Rennen, wer zieht zurück und empfiehlt eventuell einen Kandidaten, der bessere Chancen hat? Riecht es nach Wechsel, oder bleibt alles wie gehabt? Unser Kommentator wagt eine Prognose.
Auch ohne die kommunalpolitische Glaskugel zu bemühen, ist für mich klar: Am Sonntag trennt sich die Spreu vom Weizen und die Kandidaten Burchardt und Pantisano werden knapp hintereinander das Zielband überqueren. Alle anderen Bewerber dahinter, und zwar mit passablem Abstand. Wer sich die vergangenen Wochen in der Stadtgesellschaft umgehört hat, kommt wahrscheinlich zu einer ähnlichen Einschätzung. Ist sie realistisch?
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Jury Martin, der Paradiesler, dürfte der erste sein, der am Sonntag die Segel streicht. Er war von Anfang an ein Außenseiter, dem anzurechnen ist, dass er zumindest ein klein wenig Farbe in einen eher etwas drögen Wahlkampf gebracht hat, der natürlich auch durch die Corona-Maßnahmen empfindlich beeinträchtigt war. Das wird es dann aber auch gewesen für Martin, und somit zurück an den gemütlichen Stammtisch.
Der parteilose Andreas Matt gibt sich weiterhin überaus kämpferisch und glaubt, seine Chancen, den OB-Sessel zu erobern, seien bestens. Doch vor allem in den vergangenen Wochen fiel auf, dass er auf Umfragen von durchaus wichtigen Verbänden und Initiativen nicht reagiert hat. Anfragen der Umweltverbände hat er unbeantwortet gelassen, ebenso die von ver.di und auch der Fragenkatalog der Seebrücke hat ihn offensichtlich nicht die Bohne interessiert. Das wiederum hat breite Schichten der Bevölkerung doch nachhaltig irritiert und die Frage aufgeworfen, wie ernst es der Kandidat mit seiner Bewerbung überhaupt meint. Hat er darauf Antworten oder setzt er auf ein völlig anderes Klientel?
SPD-Kandidat Andreas Hennemann hofft zuvorderst auf umfänglichen Zuspruch seiner ParteifreundInnen. Doch die örtlichen Sozialdemokraten haben in den vergangenen Jahren einen ähnlichen Niedergang verzeichnet wie ihre GenossInnen auf Landes- und Bundesebene. Wenn Hennemann bei 15 oder 18 Prozent aufschlägt, darf er das gerne zum Erfolg erklären. Auch die JungsozialistInnen vor Ort halten sich eher bedeckt bis ablehnend, Begeisterung für einen Kandidaten aus ihrem Stall sieht völlig anders aus. Hennemann wirbt mit seinem Slogan „Die ganze Stadt im Blick“ – eine professionelle Wahlkampfagentur hätte ihm sicher Pfiffigeres empfohlen. Sein Parteikollege und SPD-Stadtrat Jan Welsch ist dennoch der Überzeugung, hat er kürzlich auf Twitter verlauten lassen, dass der nächste Konstanzer Oberbürgermeister Hennemann heißt. Woher Welsch diese Zuversicht hat, bleibt sein Geheimnis. Die Frage bei Hennemann wird wohl eher sein: Bleibt er bei einem vermutlich mäßigen Ergebnis im Spiel, oder wirft er den Bettel hin und ruft zur Wahl eines anderen Kandidaten auf?
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Ich bleibe dabei: Entscheiden wird sich die Wahl zwischen Burchardt und Pantisano. Letzterer ist seit Monaten rund um die Uhr unterwegs und hat die Unterstützung der Gemeinderatsfraktionen von FGL, JFK und LLK, drei Fraktionen also, die bei der vergangenen Kommunalwahl zusammen genommen knapp über 50 Prozent der abgegebenen Stimmen für sich verbuchen konnten. Doch so einfach ist die Rechnung beileibe nicht, OB-Wahlen lagern in einer eigenen Kategorie. Burchardt hat lange gedacht, seine Wiederwahl sei quasi schon in trockenen Tüchern. Doch nun hat er gemerkt, dass es eng werden könnte, denn Pantisano punktet auch zunehmend in bürgerlich-liberalen Kreisen und erfährt viel Zuspruch. Eilig ließ der noch amtierende Oberschultes dieser Tage verlauten, er habe „alle seine Wahlkampfversprechen eingehalten“. Das ist mutig und falsch zugleich, denn bei Themen, die für viele BürgerInnen von vorrangigem Interesse waren und weiterhin sind – Stichworte: bezahlbarer Wohnraum und/oder Verkehrsproblematik, um nur wenige zu nennen – hat er innerhalb von acht Jahren kaum etwas zustande gebracht. Besonderes Engagement war bei ihm nur dann zu erkennen, wenn es galt, privaten Investoren und finanzstarken Verbänden den roten Teppich auszurollen. Auch sein Marketing-Gag Klimanotstand ist längst verpufft und hat aufgrund seiner diesbezüglichen Rosstäuscherei lediglich dazu geführt, dass er sich beim Thema Umwelt nicht nur bei JungwählerInnen ins Abseits manövriert hat. Sein Programm war meist: Den Ameisen ein paar Brotbrocken über die Tischkante zu kehren, verbunden mit der Hoffnung, die gäben sich auch weiterhin damit zufrieden. Tun sie das?
So gesehen war es nur eine Frage der Zeit, bis er und seine konservative Anhängerschar die Rote-Socken-Kampagne aus der Gruft holen würden, untertänigst unterstützt vom Südkurier. Mit Pantisano bekäme die Stadt, so schallt es neuerdings laut und hysterisch-schrill aus der Ecke der Burchardt-Unterstützer, einen „kommunistischen Oberbürgermeister“. Eine durchweg hochnotpeinliche Wahlkampftaktik. Mit Verlaub: Luigi Pantisano ist wohl näher bei linken Sozialdemokraten, wie es sie früher einmal gab, und hat zudem ein deutliches sozial-ökologisches Profil mit im Angebot, das der Stadt Konstanz sehr gut zu Gesicht stünde. Das wäre ja schon mal was.
Alle Spekulationen und damit verbundenen Hoffnungen ohne Gewähr.
H. Reile (Foto: privat)
Michael Meininger/Ernst gemeint; an welchem Rad dreht Luigi Pantisano denn ? Etwa „am Rad der Zeit“ ? Bezüglich des Klimawandels vielleicht? Dieses kann man leider nicht mehr zurückdrehen, um rechtzeitig in die Gänge zu kommen, wir können froh sein, wenn wir die kleine Chance bekommen, noch zu retten, was zu retten ist.Sonst werden wir nämlich alle früher oder später durch“drehen“. Aber seit heute Abend gibt es tatsächlich Hoffnung.
„For Bürgermeister“ ist nicht „for President“ – Ein neu gewählter Bürgermeister bewirkt erstmal nichts. Allmacht wie ein President oder manches Staatsoberhaupt hat der Kommunenhäuptling nicht. Wenn man weiß, was man tun muss, kann man aber doch viel bewegen. Aber dazu braucht es Umsetzungswille. Der amtierende OB ist bislang insoweit nicht besonders aufgefallen, ein Cuomo war er nicht. Pantisano dreht für viele am falschen Rad. Andreas Matt und Andreas Hennemann sollten Umsetzungschancen bekommen. Aber eine Stichwahl zwischen Andreas und Andreas wird es kaum geben
@ Harald Volk
Sie haben natürlich recht mit dem Engagement von Andreas Matt. Ich hatte auch mehrfach das Vergnügen ihm auf dem Markt gegenüber zu stehen und kam gelegentlich mit ihm ins Gespräch.
Warum sie dann, nach berechtigter Kritik, aber gleich ebenfalls eine Bohne bringen verstehe ich nicht. Ich war bspw. Fr/Sa auf dem Markt und kann ihnen berichten, dass nicht alle Kandidaten anwesend waren. Luigi Pantisano war da, trotz schlechtem Wetter. Mag sein, dass das mit der Schönwetterfraktion gesagt wurde, zum einen stimmt es nicht, zum anderen sicherlich nicht von „DEN MarktbetreiberN“. Ein anderer Kandidat ist heute mit dem Satz „es interessiert sich heute eh keiner mehr für die OB-Wahl“ nach Hause gegangen.
Und das mit dem Fahrrad erklärt sich ganz einfach dadurch, dass regelmäßig direkte Anschlusstermine stattfinden. Bspw. Podien oder Demos. Wenn sie das Interesse an Luigi Pantisano auf dem Markt mitbekommen haben, dann wissen sie auch warum er regelmäßig knapp dran ist um die Termine einzuhalten. Würden sie dann noch die korrekte Bezeichnung WahlkampfHELFER, anstatt Jünger verwenden, dann würde ihnen auch auffallen, warum auch Andere das Fahrrad hin- bzw. wegbringen.
@ Thomas Martin
Dass sich das Gelände in Privatbesitz befindet hätte man ändern können (bereits lange vor der Amtszeit von OB Burchardt). Dass hier das Recht des Investors zu respektieren ist stimmt natürlich. Gleichzeitig ist das aber keine Einbahnstrasse. Und genau daran hapert es. Es wurde von Seiten der Verwaltung aktiv gegen entsprechende Bürgerbegehren gearbeitet und gleichzeitig nahm man es bei der Einhaltung des Bebauungsplans dann etwas lockerer.
Es stimmt schlicht nicht, dass ein OB nicht viel bewirken kann. Um ein Beispiel zu geben: In einem aktuellen Youtube Video spricht OB Burchardt davon, dass man das Baurecht entsprechend anpassen muss und die Stadt Konstanz somit ihre Interessen in Sachen Stadtentwicklung durchsetzen kann. Da frage ich mich doch was genau hier das Interesse der Stadt war. Und ob dieses Interesse tatsächlich der Meinung der Anwohner und der Mehrheit der restlichen Bevölkerung entsprach.
Kann man sich selber ins Knie schiessen ?
Hier eine Bitte meinerseits an alle den Südkurier vom 23. September aufzuschlagen und die Rubrik, „Das meinen unsere Leser zur OB-Wahl“, in aller Ruhe zu lesen. Mir persönlich fiel ein Name ein – nämlich Michael Lünstroth.
Zur Erinnerung, am 12. Juli 2016 konnte man u.a. folgendes vernehmen.
Mit ihrer Vorgehensweise in der Personalie Michael Lünstroth haben Chefredakteur Stefan Lutz und Lokalchef und Regionalleiter Jörg-Peter Rau dem „Südkurier“ einen schweren Imageschaden zugefügt. Quelle: https://mmm.verdi.de/beruf/suedkurier-weiter-unter-druck-gemassregelter-redakteur-geht-32693
Menschen machen Medien.
Franz Zeller
Maxi Schmidbauer: Gut erkannt, OB Uli muss weg. Ihr Art der Wahltaktik jedoch verstehe ich nicht: haben Sie Herr Hennemann gewählt, weil er kleiner und kompakter ist und Sie misstrauisch sind, das Herr Pantisano ebenfalls groß und schlank ist? Oder hat Sie sein Wahlprogramm mehr überzeugt? Denn rein aus taktischen Gründen sollte man jenen Kandidaten wählen, der die größten Chancen hat, den aktuellen Amtsinhaber vom Thron zu fegen. Und wer als Kandidat nach dem 1. Wahlgang prozentual wenig(er) Chancen hat, sollte fair genug, im zweiten Wahlgang gar nicht mehr anzutreten und seine Stimmen freizugeben. Wer jetzt nicht direkt U. Burchhardt wählt, wird dies wohl im 2. Wahlgang auch nicht tun. So oder so: ich wünsche uns allen, die einen Wechsel befürworten, viel Erfolg – letztendlich sollte der gesunde Menschenverstand entscheiden – aber auch diesbezüglich gehen die Meinungen auseinander.
Zum roten Schild am Beginn des Artikels:
Vor dem Hintergrund der Ballermann-Verhältnisse am Seerhein (Herose- und Schänzleareal) ist mir ein Luxushotel im Büdingenpark bedeutend lieber. Der Beginn der Seestrasse gleicht im Übrigen auch bereits einer Schinkenstrasse; da schließt das Büdingen-Areal direkt daran an. Außerdem war das Areal immer noch in Privatbesitz, was zu respektieren ist. Der OB konnte hier nicht viel bewirken, da kann man Herrn Burchardt nun wirklich kein Versagen vorwerfen.
Herr Pantisano hat schließlich Stuttgart 2010 auch nicht verhindern können – also so massiv scheinen dort seine Protestanstrengungen nicht gewesen zu sein. Auch die Wähler eines mutmaßlich linken OB-Kandidaten werden nach der Wahl die Diskrepanz zwischen Wahlversprechen und Realitäten hinnehmen müssen. Ich glaube eher, dass da tiefer Schnee fällt, falls es soweit kommen sollte.
@ Holger Reile
Lieber Herr Reile, Herr Matt ist nicht mein Kandidat sondern ein Kandidat. Ein Hinweis auf die fehlenden Einlassungen hätte genügt, die Bohne war überflüssig.
@Harald Volk
Jetzt aber mal langsam, Herr Volk. Dass Ihr Kandidat Andreas Matt auf wichtige Fragen – ver.di/Arbeitnehmerinteressen, Seebrücke/Flüchtlingsfrage, Umweltverbände/Klimawandel – nicht geantwortet hat, führte dazu, dass viele KonstanzerInnen auch bei uns anfragten, ob wir eventuell seine Einlassungen nicht berücksichtigt haben. Und das, obwohl er von eben diesen Organisationen mehrmals gebeten wurde, doch endlich ein Statement abzugeben. Aber da kam halt nichts. Mag ja sein, dass ein Einzelkämpfer überfordert ist, aber das interessiert die WählerInnen nicht wirklich. Also ist auch unser Hinweis nicht unverschämt, sondern Ausdruck einer berechtigten Verwunderung, denn bei diesen Fragen geht es ja um Themen, die auch in unserer Stadt von elementarer Bedeutung sind.
Auf keinen Fall soll Burchardt gewinnen. Der hatte seine Chance und hat sie nicht genutzt, er hat enttäuscht. Er hat auch nicht die (Aus)Bildung für ein solches Amt. Ein Mann, um die 40 und 1,85 groß zu sein, ist eben dann doch nicht wirklich qualifizierend. Da haben wir uns 2012 täuschen lassen.
Meine Strategie: ich habe Hennemann gewählt. Er soll ermutigt werden, im 2. Wahlgang -den es mit Sicherheit geben wird- erneut anzutreten. Er wird letztendlich nicht gewinnen, aber als bürgerlicher Kandidat Stimmen von Burchardt abziehen. Burchardt wir nicht gewinnen, Ziel erreicht.
Lieber Herr Reile, der Tag von Andreas Matt hat auch nur 24 Stunden. Er arbeitet hart, er fährt sein Kampagnenrad morgens selbst auf den Markt ist immer der erste und mittags der letzte. Herr Pantisano lässt sich das Rad von seinen Jüngern auf den Markt fahren und erscheint dann irgendwann, bei den ersten Regentropfen verschwindet er. Die Marktbetreiber kommentieren das dann so “ die Schönwetterfraktion haut ab“. Von den 25.000 verteilten Flyern hat Herr Matt die meisten selbst verteilt. Er ist tagelang durch Konstanz, vom Mühlenweg bis zur Mozartstrasse, gewandert und hat unzählige Gespräche an Haustüren und Gartentoren geführt. Er hätte es sich sicher auch einfacher machen können und mit gekauften Adressen einen Postversand starten können. Er hat an vielen Veranstaltungen teilgenommen und unzählige Anfragen beantwortet. Aber irgendwann ist die Grenze erreicht. Ihm zu unterstellen, dass ihn diverse Anfragen nicht die Bohne interessieren ist unverschämt.
Steile These:
Die SPD entscheidet die Wahl in Konstanz. Sie wird ihre Stimmen dem Kandidaten andienen, der im Gegenzug verspricht, Herrn Osner eine weitere Amtszeit zu ermöglichen. Und ich habe schon eine Idee, welcher der beiden Favoriten sich auf einen solchen faulen Deal einlässt. Ich hoffe nur, die SPD-Anhänger durchhauen diese Mauschelei…