OB-Wahlkampf kommt auf Touren. Oder doch nicht?
Während OB-Kandidaten durch Konstanz wuseln, keinen Wochenmarkt und keinen Termin auslassen – bei der gestrigen Stolperstein-Verlegung ließen sich mit Sabine Seeliger und Thomas Linz (fast ganztägig) und Sabine Reiser und Sven Zylla (bei der letzten Station) immerhin vier KandidatInnen sehen -, während sich mit Werbeprofi Henning Tartsch ein zehnter Bewerber meldet, während der unvermeidliche Tobias Bücklein eine Kandidaten-Show auf seine Bühne bringt – bleibt da noch Zeit für Information?
Immerhin macht die unabhängige Kandidatin Sabine Reiser einen Anfang: Sie startet in der kommenden Woche eine Kennenlern-Tour durch Konstanz. An fünf Abenden lädt sie die Bürgerinnen und Bürger zu Informationsveranstaltungen ein (und wer zahlt die Getränke?) Die Tour beginnt schon am nächsten Montag, 21. Mai, um 19.30, im Barbarossa am Konstanzer Obermarkt.
Die Kandidatin (s. Foto) möchte sich an den Abenden allen Interessierten persönlich vorstellen und einen Überblick über ihre wichtigsten politischen Ziele und Themen geben. Und natürlich will sie die Abende nutzen, um in Dialog mit möglichst vielen Konstanzerinnen und Konstanzern zu treten, sich bekannt zu machen. Wünsche und Anregungen von Bürgerinnen und Bürgern will sie in ihr Wahlprogramm aufnehmen. Und das dürfte dann ein Sammelsurium von Begehrlichkeiten werden – man darf auf die endgültige Fassung des Programms gespannt sein.
Reisers Kennenlern-Tour macht Station am Montag, 21., Mai, 19.30, Barbarossa; Freitag, 25. Mai, 19.30, Linde Wollmatingen; Mittwoch, 30. Mai, 19.30, Seeschau Dingelsdorf; Montag, 4. Juni, 19.30, Kreuz Dettingen, und am Mittwoch, 6. Juni, 20, Viva Litzelstetten.
Die geschätzten WählerInnen dürften Probleme bekommen, wenn alle zehn Bewerber um den OB-Sessel zu ähnlichen Info-Touren laden sollten. Oder war das mit den zehn Kandidaten gar nicht so gemeint, eher ein Hirngespinst aus dem gläsernen Redaktionsgeschäft? Denn von den meisten Anwärtern hört man wenig und sieht fast nichts – womöglich wollten sich manche nur einen Scherz erlauben, nur ihren Namen gelesen sehen. Und einige Schreiberlinge sind dann darauf herein gefallen.
Autor: PM/hpk
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Lieber Denis Riehle,
schon gut, dass wir über den Südkurier hier im Magazin diskutieren können, denn umgekehrt hätte der Südkurier bestimmt etwas dagegen, denn Seemoz wir erst gar nicht erwähnt.
Natürlich ist es für unser Demokratieverständnis wichtig, dass sich auch Aussenseiter bewerben können. Wie sich auf einer gestrigen Diskussionsveranstaltung mit den Bewerbern zeigte, ist es doch sehr anstrengend, wenn alle Bewerber zu den Themen ihren Kommentar abgeben, obwohl man die Zeit bräuchte, um fundierte, tiefere Stellungnahmen von potenteren Kandidaten zu hören. Wie macht man es wohl allen recht?
Mit seinem gestrigen Kommentar „Es wird bizarr“ erweist SÜDKURIER-Lokalchef Jörg-Peter Rau der Demokratie keinen guten Dienst. Er kritisiert die steigende Zahl an Kandidaten im OB-Wahlkampf in Konstanz und meint, viele der zur Wahl anstehenden Personen hätten sich lediglich aus Selbstprofilierung beworben. Inhaltlich überzeugen könnten nur wenige – denn viele hätten gar kein Wahlprogramm. Dass Rau damit Stimmung für die macht, die sich wieder einmal Plakate (mehr oder weniger aussagekräftig und professionell) erlauben können, den Rückhalt von Parteien oder Bürgerbewegungen hinter sich haben und sich auf eine eigene oder durch Spenden und Sponsoren gefütterten Wahlkampfzuschuss stützen dürfen, ist offensichtlich. Nein, es ist wichtig, dass Bürger mitten aus dem Volk antreten: Es gibt gute Beispiele, die zeigen, dass ein OB eben nicht aus den elitären Schichten kommen, Verwaltungserfahrung oder politische Karriere gemacht haben muss.
Viele der nun anstehenden Kandidaten kennt man aus dem Stadtbild: Thomas Linz aus dem Kulturzentrum, Sylvia Grossmann aus ihrem Ladengeschäft am Bahnhofplatz oder Martin Luithle durch seine Theater-Leidenschaft. Sie stemmen ihren Wahlkampf großteils aus eigenen Mitteln, bleiben unabhängig und sind ebenso ernst zu nehmen wie die, die nur Klientel oder politische Richtungen vertreten. Rau hat gerade dann nicht recht, wenn er den Quereinsteigern schmähend und herablassend vorwirft, sie brächten „Farbe“ in den Wahlkampf. Nein, nicht Farbe, sondern Bodenständigkeit lassen die einfließen, denen Rau scheinbar nicht wohlgesonnen gegenüber steht. Diese klare Positionierung gegen die „Außenseiter“ und für gewisse Kandidaten, welchen er mit Verständnis für ihre Wut über die begegnet, die die OB-Wahl in die „Lächerlichkeit“ zögen, steht einer neutralen Zeitung auch in einem Kommentar nicht gut zu Gesicht.
Außerdem zeigt Rau mit seiner Haltung, dass er selbst offenkundig die Oberbürgermeisterwahl nicht als das verstanden hat, was sie wirklich ist: Eine für jeden Kandidaten offen zugängliche Abstimmung, bei der Persönlichkeit und Visionen präsentiert werden können. Dass hier Manches zunächst wenig praktikabel oder weltfremd wirken mag, ist Aushängeschild für ein modernes Verständnis von gesellschaftlicher Partizipation. Tatsächlich wird sich jeder Wähler ein Bild machen – und es ist wahrlich gut, dass es Abwechslung gibt. Nicht die Unübersichtlichkeit schadet der Wahl, sondern Vorschusslorbeeren für die, die am besten in das Bild des adretten und ansehnlichen Kandidaten passen, den man sich in gut bürgerlichen Kreisen vorstellt. K(l)assen-Wahlkampf war gestern – Pluralismus ist heute.
Nein, manche Kandidat/innen müssen mit ihrer Omnipräsenz eher Informationslücken schließen. Das nennt man dann „Dialog“. Aber blinder Eifer schadet bekanntlich nur, und im Märchen hat der Igel gewonnen und nicht der Hase.
Es ist doch nur zu begrüßen, wenn sich KandidatInnen im Wahlkampf richtig ins Zeug legen. Wer da schon nicht den Hintern hochbekommt, wird es als OB auch nicht mehr schaffen.