OB-Wahlkampfgeflüster: Mit Kuno unterwegs

Kuno Schelmle, Privatier und kommunalpolitisch versierter Müßiggänger, wird ab sofort in loser Folge darüber berichten, was ihm während des OB-Wahlkampfes so alles auffällt. Er schlendert über Wochenmärkte, besucht Veranstaltungen und sperrt dabei Augen und Ohren auf. Hier exklusiv und ungekürzt und kostenlos für seemoz seine gesammelten Recherchen und Eindrücke aus der ersten Wahlkampfphase.

Ehrlich gesagt hätte ich nicht gedacht, dass der bürgerliche Block mal wieder so eine schlechte Vorstellung abgibt. CDU, FDP und FWG wollten sich auf einen Kandidaten einigen – nun haben sie zwei, die sich gegenseitig die Stimmen klauen werden. Kandidatin Sabine Reiser und Kandidat Uli Burchardt. Erstere tourt emsig durch die Stadt und wurde von Anfang an von der Journalistin Waltraud Kässer lokalpolitisch eingenordet. Vielleicht springt da ja im Erfolgsfall ein Job raus, denkt sich die Betreiberin der Internetplattform see-online wohl insgeheim. Reiser, ausgestattet mit einem CDU-Parteibuch, weist bei jeder sich bietenden Gelegenheit darauf hin, dass sie eine völlig unabhängige Kandidatin ist und sich sowieso von keiner Partei hätte aufstellen lassen.

Das klingt für Außenstehende mutig, kämpferisch und eigenständig, ist aber nur die halbe Wahrheit, die Reiser aber ganz geschickt verkauft. In Ungnade gefallen bei einflussreichen Parteifreunden ist die OB-Bewerberin deshalb, weil sie bei einer Landratswahl gegen einen von der CDU bereits fest nominierten Kandidaten antrat. Die Wahl hat sie zwar verloren, aber verziehen hat ihr die CDU bis heute nicht. Dem langjährigen CDU-Rat Alexander Fecker wiederum ist das egal. Den Kandidaten Burchardt, auch er ist CDU-Mitglied, bezeichnet sich aber ebenfalls als unabhängig, hält Fecker kommunalpolitisch für zu unbedarft, er macht fleißig Werbung für Sabine Reiser. Das riecht kräftig nach Zunder unter dem Konstanzer CDU-Dach, denn für andere Konstanzer Schwarzkittel ist Sabine Reiser aus oben erwähnten Gründen eher ein rotes Tuch. Wolfgang Müller-Fehrenbach plädiert für Uli Burchardt, der seine Nominierung dem CDU-Bundestagsabgeordneten Andreas Jung verdankt. Der bundesweit gut vernetzte Strippenzieher bemühte sich nach Kräften über Monate hinweg, einen prominenten OB-Kandidaten aufzutreiben. Nach mehreren Absagen drängte er Burchardt, mit dem er gut befreundet ist, zur Kandidatur.

Auch einige FWG-Promis, unter ihnen Anselm Venedey, setzen sich für Burchardt ein, denn Reiser konnte bei ihrer Vorstellung bei den Freien Wählern nicht punkten. Auf die Frage, warum sie noch Mitglied bei einer Partei sei, von der sie sich immer wieder distanziere, gab es überraschende Antworten. Die CDU sei die einzige politische Kraft, so Reiser, die sich um die Bewahrung der Schöpfung stark mache und für den Atomausstieg gesorgt habe. Vor allem diese Bemerkung soll großes Erstaunen hervor gerufen haben. Gespalten ist auch die FDP. Deren Fraktionsvorsitzender Heinrich Everke trommelt für Burchardt, andere aus seiner Partei halten Reiser für die geeignetere Kandidatin. Burchardt ist gelernter Förster und erstaunlicherweise Mitglied bei der globalisierungskritischen Initiative attac (wie geht das denn zusammen? Sein Parteispezl Müller-Fehrenbach würde attac sofort in die von Linksextremisten beeinflusste Ecke stellen). Klingt irgendwie nach Wahlkampfgag.

Bei der Veranstaltung im Konzil hat Uli „Tango“-Burchardt zumindest tänzerische Fähigkeiten erkennen lassen. Ob das reicht für eine Amtszeit von immerhin acht Jahren? Seine diversen Projekte, mit denen er die Stadt voran bringen möchte, seien alle finanzierbar, erklärte er bei der Kandidatenvorstellung letzte Woche im Brustton der Überzeugung. Da lupfte es dem anwesenden Stadtkämmerer Hartmut Rohloff schier die Schädeldecke. Spannend dürfte es auch werden, wenn Burchardt gegen Ende Juni bei der Bücklein-Show auftritt. Denn Bücklein und Burchardt sind geschäftlich miteinander verbandelt. Wie kommt man aus dieser leicht gschmäcklerischen Nummer raus? Möglich wäre, Burchardt erklärt dem Publikum den Unterschied zwischen einer Föhre und einer Fichte unter Einbeziehung der Brunftzeit bei Hirschen und Auerhähnen. Denn die Show soll ja anders und vor allem lustig und unterhaltsam sein. Ich bin jedenfalls gespannt.

Weiterhin als Favoritin gilt die grüne OB-Kandidatin Sabine Seeliger. Bleibt der Konstanzer OB-Sessel grün? Ihre öffentlichen Auftritte sind professionell und kommen überwiegend glaubhaft rüber. Recht schnell hat Seeliger auch gelernt, wie frau sich wahlkampftaktisch verhalten muss, um beim Stimmenfang in allen Lagern fischen zu können. Als engagierte Mitstreiterin bei der Initiative „Das bessere Verkehrskonzept“ erteilte sie einem weiteren Parkhaus in der Innenstadt eine klare Absage. Nun, als OB-Kandidatin, plädiert sie neuerdings für eine „faire Bewertung aller Ideen“, für die es „keinerlei Denkverbote“ geben dürfte. Das gilt wohl auch für das weiterhin heikle Thema „Konzert- und Kongresshaus“, das letztes Jahr so grandios von den BürgerInnen abgelehnt wurde und nun wieder, etwas abgespeckt, auf der Tagesordnung steht. Seeliger gehörte einst zu den bekanntesten Kritikern des KKH. Deutet sich auch bei diesem Thema ein grüner Spagat an, der für alle Beteiligten auch schmerzlich werden könnte und erneut alte Gräben aufreißt? Momentan hat sich die Kandidatin auch unqualifizierter Attacken zu erwehren. Die von ihr favorisierte City-Maut wird von vielen BürgerInnen kategorisch abgelehnt. Von „Seeligers Wegzoll“ ist die Rede und auch innerhalb der überwiegend strukturkonservativen Konstanzer Grünen trifft die City-Maut auf Skepsis. Bei Gesprächen darüber ist mir allerdings immer wieder aufgefallen: Eine Mehrheit, und zwar quer durch alle Bevölkerungsschichten, hat das vernünftige Konzept einer Verkehrsreduzierung in wesentlichen Punkten gar nicht begriffen. Das finde ich erstaunlich.

Ziemlich ergebnislos bleibt das Stöbern in Wahlkampfprogrammen, wenn man nach Antworten auf soziale Schräglagen sucht. Denn die gibt es auch in der Stadt Konstanz. Knapp neun Prozent unserer Kinder dümpeln nur knapp über der Armutsgrenze. Für Familien nicht nur aus der Leichtlohngruppe wird das Leben in der Stadt am See zunehmend unbezahlbar. Arbeitsplätze gehen verloren, die Schere zwischen arm und reich geht auch hier immer weiter auseinander. Eigentlich ein Thema für den Sozialdemokraten Sven Zylla. Erst spät in den Wahlkampf eingestiegen, könnte das eine Chance für ihn sein, sich von seinen MitbewerberInnen abzusetzen und ein eigenes Profil zu entwickeln. Arbeitnehmerinteressen, Unterstützung für sozial Schwache und benachteiligte Bevölkerungsgruppen – das waren mal Themen, mit denen man die Sozialdemokratie in früheren Zeiten verbunden hat. Mal schauen, ob der Kandidat flott in zumindest rötliche Puschen kommt und sich für die Interessen derer stark macht, die bei allen anderen KandidatInnen offensichtlich nur eine untergeordnete Rolle spielen. Auch die Belange der Studierenden werden nur am Rande erwähnt.

Unter den „Glühwürmchen“, wie sie von seemoz unlängst bezeichnet wurden, tummeln sich mit Martin Luithle und Mykola Neumann zwei Juristen. Haben die gerade Auftragsmangel, dass sie sich – völlig chancenlos – einer wochenlangen Wahlkampfmühle unterziehen, die auch noch jede Menge Zeit und Geld frisst? OB-Kandidat Luithle versucht sich nebenher auch als Kabarettist. Über den Inhalt seiner durchweg grenzwertigen Bemühungen im Bereich der Unterhaltung legen wir mal lieber den Mantel des Schweigens. Nur soviel: Ich habe noch nie erlebt, wie schnell und fassungslos sich ein Publikum vom Acker macht, wenn ein Programm so völlig in die Hose geht wie bei Luithle. Muss man sich wirklich so zum Affen machen?

Mykola Neumann erhoffte sich die Unterstützung der Piratengemeinde und hatte bei deren letzter Versammlung einen halbwegs vernünftigen Auftritt. Nun aber tritt mit Benno Buchczyk einer an, der ebenfalls auf die Stimmen der Piraten zählt, denn schließlich war er mal Kreisvorsitzender der Newcomer. Seltsam ruhig ist´s aber in dieser Ecke. Das wird wohl daran liegen, dass Buchczyk nicht gerade hohes Ansehen genießt in seiner Partei. Die Gründe dafür sind mir allerdings nicht bekannt. Für sachdienliche Hinweise (bitte an die Redaktionsadresse) wäre ich dankbar.

Wer fehlt da noch? Richtig, ein Werbefachmann, ein Narr, ein Student, ein Vielfachkandidat und eine Einzelhändlerin. Ich konnte bisher keinen Wahlkampfstand dieser Bewerber entdecken. Der Pseudo-Kandidat mit esoterischen Verdauungsstörungen von der Insel Reichenau wurde ja erst am vergangenen Freitag auf seemoz vorgestellt und ist somit abgearbeitet.

Aber einer kommt noch. Auf dem Wochenmarkt zu Petershausen lief mir am Gemüsestand ein Zeitgenosse über den Weg, der erst zum zweiten Wahlgang antreten möchte. Der „ momentane Kindergarten“ interessiere ihn nicht. Die nötigen 100 Unterschriften habe er längst zusammen und am 1.Juli würde er seine Kandidatur offiziell bekannt geben. Willkommen im Club.

Autor: Kuno Schelmle