Öffentlicher Dienst: Bessere Bezahlung erkämpft

Warnstreiks und Straßenproteste haben offenkundig gefruchtet: Im öffentlichen Dienst einigten sich die Tarifparteien Ende letzter Woche auf einen Abschluss, der vor allem für Beschäftigte in den unteren Einkommensgruppen und im Gesundheitswesen deutliche Einkommenssteigerungen vorsieht. Das Kalkül der Arbeitgeber, im Windschatten der Corona-Krise ein Angebot durchzudrücken, das auf drei Jahre verteilt noch nicht einmal die Teuerungsrate kompensiert hätte, ist nicht aufgegangen.

Ein „akzeptables Ergebnis“ nennt der Konstanzer ver.di-Gewerkschaftssekretär Thomas Weisz den Tarifvertrag, auf den sich die Verhandlungskommission von Kommunen und Bund mit der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di am 23. 10. in Potsdam geeinigt hatten. In der Tat mussten sich vor allem die Arbeitgeber bewegen. Sie wollten den ÖD-Beschäftigten in den kommenden zwei Jahren jeweils 1 Prozent, in den dritten zwölf Monaten 1,5 Prozent mehr zugestehen, was eingedenk der Inflationsrate ein reales Schrumpfen der Einkünfte bedeutet hätte. Die Hoffnung der Emissäre von Kommunen und Bund, einen corona-geschwächten Verhandlungspartner über den Tisch ziehen zu können, erwies sich indes schnell als trügerisch. Die oft schlecht bezahlten Staatsdiener demonstrierten mit Warnstreiks und Demos Kampfstärke, allen Pandemie-Einschränkungen zum Trotz.

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Den Beleg dafür liefert der jetzt geschlossene Vertrag, demzufolge die Einkommen immerhin um 4,5 Prozent in der niedrigsten Entgeltgruppe und -stufe und noch um 3,2 Prozent in der höchsten Eingruppierung steigen. Für Personal in der Pflege konnte eine Steigerung von 8,7 Prozent erreicht werden, Intensivkräfte bekommen rund 10 Prozent mehr. Alle Beschäftigten erhalten zudem noch eine umgekehrt zu den Entgeltgruppen abgestufte Corona-Prämie zwischen 300 und 600 Euro, Auszubildende 225 Euro (Bund 200 Euro). Frank Werneke, Bundesvorsitzender der Dienstleistungsgewerkschaft, hebt zu Recht als besonders erfreulichen Aspekt hervor, „dass es uns gelungen ist, deutliche Verbesserungen für untere und mittlere Einkommensgruppen sowie für den Bereich Pflege und Gesundheit durchzusetzen“. Wermutstropfen allerdings: Die Vereinbarung gilt nicht wie von ver.di angestrebt ein Jahr, sondern läuft bis zum 31. Dezember 2022.

Dass das jetzt erzielte Ergebnis von Gewerkschaftsseite – sie wollte 4,8 Prozent mehr, mindestens aber 150 Euro – unter dem Strich als Erfolg verbucht wird, hängt auch mit den Ausgangsbedingungen zusammen. Selbst in den eigenen Reihen, berichtet Thomas Weisz, in Konstanz für das Gesundheitswesen zuständig, habe zu Beginn Unsicherheit bestanden, welche Schlagkraft eine Kampagne für überfällige Einkommensverbesserungen unter Corona-Bedingungen entfalten könnte. Die sei allerdings schnell gewichen. Die Rückmeldungen aus den Abteilungen, so Weisz, „sind größtenteils positiv gewesen“, die Bereitschaft groß, dafür auch in den Ausstand zu gehen. Reaktionen, die auch Pauline Sanne bestätigen kann, die sich in Konstanz als ver.di-Sekretärin seit Kurzem um Beschäftigte bei Job-Centern und Gemeinden sowie in Einrichtungen von Bund und Ländern kümmert.

Die Bodensee-Stadt bildet dabei keine Ausnahme: Bundesweit folgten Zehntausende den ver.di-Aufrufen zu Warnstreiks und Protestaktionen, um den Forderungen nach anständiger Bezahlung Nachdruck zu verleihen. Die Grenze der Leidensbereitschaft von ArbeiterInnen, Angestellten und BeamtInnen bei systemrelevanten öffentlichen Einrichtungen wie Krankenhäusern, Kitas, Müllabfuhr oder Verwaltungen ist offenbar erreicht, zumal sie es sind, die während der Pandemie häufig genug den Kopf hinhalten müssen.

jüg (Foto: P. Wuhrer)

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