Öffentlicher Verkehrsbetrieb soll Bus-Chaos beenden
Paukenschlag beim regionalen Nahverkehr: Das Landratsamt will künftig die Buslinien im Kreis in Eigenregie betreiben. Damit zieht die Verwaltung die Konsequenzen aus dem heillosen Chaos, das die „Stadtbus Tuttlingen Klink GmbH“ in den vergangenen Monaten im ÖPNV angerichtet hat. Schneller als erhofft macht Landrat Zeno Danner damit die Forderung der Kreistagsfraktion der Linken wahr, einen landkreiseigenen Verkehrsbetrieb zu schaffen.
Anfang der Woche gab der Landrat im Technischen und Umweltausschuss des Kreistags völlig überraschend bekannt, die Kreisverwaltung wolle dem Tuttlinger Verkehrsbetrieb den Auftrag entziehen. Noch wenige Tage zuvor, am 23.1. hatte das ganz anders geklungen In einer Pressemitteilung aus dem Landratsamt war von sich abzeichnenden Verbesserungen die Rede gewesen. Das Amt habe „alle Schritte unternommen, dass sich die Verhältnisse weiter verbessern beziehungsweise einen ‚Normalzustand‘ erreichen“. Pfeifen im Walde, wie sich zeigt, jetzt zieht man angesichts der dramatischen Lage also die Reißleine. Ein eigener Verkehrsbetrieb soll künftig die Haltestellen im Landkreis bedienen.
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2000 Beschwerden
Dass es nicht so weitergehen kann mit dem regionalen Busverkehr, dürfte nach einem wahren Proteststurm von Betroffenen auch den nicht eben dünn gesäten Privatisierungs-Fans in Verwaltung und Politik gedämmert haben. Rund 2000 Beschwerden gingen beim Landratsamt ein. So häuften sich etwa die Klagen verzweifelter Eltern, die ihre Kinder selbst in die Schule bringen müssen, weil die Busse nicht fahren. Verspätungen entwickeln sich zur Regel, viele Haltestellen werden erst gar nicht angefahren. Busse verkehren mit falscher Linienbezeichnung, veraltete Technik und unzureichende Sprachkenntnisse der ortsunkundigen Busfahrer komplettieren das Desaster. Kurz: Die Firma Stadtbus Tuttlingen Klink, die bei der turnusmäßigen Neuausschreibung des Kreis-ÖPNV im Frühjahr 2019 vom Kreistag den Zuschlag erhalten hatte, ist offenkundig auf ganzer Linie überfordert.
KritikerInnen neoliberaler Dogmen sehen im Fall Klink ein Musterbeispiel für die negativen Folgen der Privatisierungspolitik (nicht nur) im öffentlichen Regionalverkehr. Zur Erinnerung: Ausschlaggebendes Kriterium bei der Neuvergabe Anfang 2019 war die „Wirtschaftlichkeit“, sprich das billigste Angebot. Die bisherige Betreiber-Gesellschaft SBG etwa, eine Bahn-Tochter, hatte erst gar nicht den Hut in den Ring geworfen, weil sie sich angesichts der Ausschreibungskriterien keinerlei Chancen ausrechnete. So fehlten etwa Vorgaben für Mindeststandards zum Schutz der Beschäftigten, zu deren Einhaltung die SBG sich indes vertraglich verpflichtet hat.
Schon damals kritisierte ein Linke-Sprecher, der Landkreis signalisiere damit, er nehme Lohndrückerei und Arbeitshetze billigend in Kauf, „eine zynische Haltung für eine der öffentlichen Daseinsvorsorge verpflichteten Institution“. Für die erdrückende Mehrheit im Kreistag indes zählte beim Zuschlag, trotz wortreicher Bekenntnisse zur ökologischen und sozialen Bedeutung des ÖPNV, letztlich das Kostenkriterium. Der Scherbenhaufen, der jetzt aufgekehrt werden muss, geht also aufs Konto von Kreisverwaltung und -parteien selbst.
„Engagierte Entscheidung“
Für die Linken im Kreistag kommt das Bus-Chaos deshalb alles andere als überraschend. Schon vor Jahresbeginn sei absehbar gewesen, schreiben sie in einer kurz vor dem jetzigen Vorstoß des Landrats veröffentlichten Mitteilung, „dass der Betreiber Klink dem Auftrag nicht gewachsen ist“. So hätten „bereits im Vorfeld deutliche Worte gewählt werden“ müssen, um den an seine vertraglichen Pflichten zu erinnern. „Offensichtlich sind Worte jedoch nicht genug.“
Linke-Fraktionssprecherin Sibylle Röth macht den Fehler im System aus. Der Fall Klink sei sicherlich ein Extrem, niemand könne aber garantieren, „dass sich derartiges bei weiteren Ausschreibungsrunden nicht wiederholt.“ Für Röth ist klar: „Mobilität ist keine Ware und sollte nicht den Gewinnmaximierungsinteressen einzelner Unternehmer und den damit einhergehenden Risiken überantwortet werden. Deswegen gehört der öffentliche Nahverkehr nach unserem Verständnis zu denjenigen Dienstleistungen, die die öffentliche Hand am besten selbst erbringt.“
Eine Forderung, die nun schneller zur Realität werden könnte, als selbst die kühnsten OptimistInnen im linken Lager sich hätten träumen lassen. Wen wunderts, dass die Kreis-Linken die „engagierte Entscheidung“ von Landrat Danner ausdrücklich begrüßen.
J. Geiger (Symbolbild: Pixabay)