ÖPNV in Litzelstetten auf dem Holzweg
Wer in diesem Konstanzer Vorort am dortigen Ticket-Automaten seine Fahrkarte erwerben möchte, hat Pech gehabt. Der Automat steht zwar noch da, aber dient schon seit langer Zeit unter anderem als Holzlager für kommende Grillabende (siehe Bilder). Da fällt unserem Leser aus dem bekannten Professorendorf nur noch ein sarkastischer Kommentar ein.
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Nun, es ist natürlich viel einfacher und bequemer für den Kurzstreckentarif eine billige Google-App anzupreisen und als Erfolg zu verkaufen, als sich mit den Grundlagen des Verkehrs und der Beförderung à la Konstanz zu beschäftigen.Vor Jahren wurden für teuer Geld Ticket-Automaten an vielen Haltestellen aufgestellt, so auch in Litzelstetten. Der ehemals sehr praktische und sinnvolle Automat, den man einfach um ein Kurzstreckenticket hätte erweitern können, funktioniert aber seit Jahren nicht. Stattdessen liegt seit vielen Monaten ein veritabler Holzklotz im Ticketausgabefach, ja, ein Holzklotz ist die harte Antwort auf die Nachfrage nach einem Ticket hier in Litzelstetten!
Öffentlicher Nahverkehr auf dem Holzweg also. Vor Monaten schon stand ich ziemlich fassungslos vor diesem Automaten mit Brennholzausgabe (da hing noch kein „Erklärungszettel“ dran). Wäre es nicht mal an der Zeit und eine löbliche Aufgabe für Rechnungsprüfer, sich dieses anschaulichen und bezeichnenden Relikts und Monuments einer gescheiterten lokalen Verkehrspolitik anzunehmen?
Ah, ich vergaß: der monumentale Ticketautomat hat weiterhin eine sehr wichtige Funktion, er dient jetzt nämlich als Säule/Stütze/Halter der Bus-Anzeigetafel, die anzeigt, dass alle 30 Min. eine 13/4 in die Stadt fährt. Wer hätte das gewusst? Aber das gibt es ja alles im Netz, warum dann hier die teure Anzeigetafel betreiben, wo es doch diese wunderbare App für ALLE gibt? Hat vielleicht noch jemand eine Idee, wie man den Fahrkartenautomatenschrank weiterhin nutzen kann, außer natürlich für seine eigentliche Bestimmung, den Verkauf von Fahrkarten? (Anregungen nimmt die seemoz-Redaktion gerne entgegen.)
So wie die Wasser hier laufen, bleibt uns das Ticketautomatenungetüm mit seiner ehren- und würdevollen Altersaufgabe als Befestigungs- und Haltesockel, oder auch Kunst im öffentlichen Raum, wahrscheinlich noch ein Leben lang als Erinnerungsstück vertaner Möglichkeiten erhalten. Die Beurteilung der Kosten-Nutzen-Effizienz dieses Schildbürgerstreichs überlasse ich mal den professionellen Stadtökonomen.
Wenn man die Gelder so in den Sand/Beton setzt, dann fehlt es natürlich hinten und vorne, und man kann nicht anders, als die BürgerInnen mit einer primitiven App für eine Kurzstrecke abzuspeisen, die allerdings nur von Smartphone-Besitzern erworben werden kann. Aus frei verfügbaren Bausteinen zusammengefrickelt, kostet sie fast nichts, aber die Kurzstrecke kostet natürlich was, denn die Ticketautomaten müssen ja noch abbezahlt werden. Willkommen im digitalen Dorf!
Atilla Özokyay (Text und Fotos)