Oh Christenheit, schaue auf Konstanz

Es war augenscheinlich nicht der dräuende Weltuntergang, der den Konstanzer Gemeinderat am gestrigen Donnerstag zu einem atemberaubenden Sprint durch die Tagesordnung veranlasste, sondern das anschließende Weihnachtsessen. Trotz des Zeitdrucks kam es aber zu einigen wegweisenden Diskussionen über die Zukunft der Pflege in Konstanz, den Grünabfall, ein Millionengrab, die Wirtschaftsförderung und das Konziljubiläum, das Konstanz für ein halbes Jahrzehnt zum Nabel der Welt machen soll

Nachdem der Gemeinderat im Sommer anlässlich eines EM-Fußballspieles seine Tagesordnung in geradezu unchristlicher Hast durchgepeitscht hatte, wurde in dieser letzten Sitzung (je nach Sichtweise der letzten des Jahres 2012 oder angesichts des drohenden Weltunterganges der letzten überhaupt) das anschließende Weihnachtsmahl das Zeitmaß aller Dinge. Oberbürgermeister Uli Burchardt schlug vor, die 30 Tagesordnungspunkte des öffentlichen Teils der um 16.00 Uhr beginnenden Sitzung bis 18.45 Uhr abzuhandeln (für gewöhnlich dauert eine solche Tagesordnung bis 21 oder 22 Uhr), damit die Suppe nicht kalt werde. Holger Reile von der Linken Liste Konstanz (LLK) verwies auf seinen bereits in den Vorjahren eingebrachten Vorschlag, Gemeinderatssitzung und Essen nicht mehr am selben Tag stattfinden zu lassen, um die parlamentarische Arbeit nicht im Schweinsgalopp erledigen zu müssen. Ein weiser Vorschlag, denn Gemeinderätinnen und -räte, denen ihr Magen sichtlich näher ist als sogar ihr Parteibuch (vom Gemeinwohl mal ganz zu schweigen), bieten dem spärlich erschienenen Publikum keinen sehr erhebenden Anblick.

Die Ära Boldt geht zu Ende

Claus Boldt, 1. Beigeordneter und bundesweit berühmt geworden beispielsweise durch den Maultaschenfall oder die Kündigung des kritischen Krankenhaus-Arztes Müller-Esch, die die Stadt etwa 850.000 Euro gekostet hat, wird nach Ablauf seiner Amtszeit 2013 nicht wiedergewählt werden. Immerhin, Claus Boldt hat Konstanz in den letzten Jahren mehr bundesweite Aufmerksamkeit verschafft als es etwa ein Konziljubiläum jemals könnte, sofern man dort nicht einen echten Scheiterhaufen rauchen lässt. Die LLK, die im 40-köpfigen Gemeinderat mit zwei Stimmen vertreten ist und teils nur sehr beschränkte Mitwirkungsmöglichkeiten hat, weil es volle parlamentarische Rechte erst für Fraktionen ab drei Gemeinderatsmitgliedern gibt, beantragte für sich volles Rede- und Stimmrecht in der Findungskommission für den Nachfolger von Boldt. Bei einer Nein-Stimme und sechs Enthaltungen wurde dieser Antrag äußerst kollegial von einer breiten Mehrheit quer durch alle Fraktionen angenommen.

Langsam zeichnet sich ab, in welcher Hinsicht sich der neue OB, der seit September im Amt ist, vom alten unterscheidet: Er ist offener für abweichende Meinungen und lässt umgekehrt seine eigene Meinung deutlicher erkennen, indem er selbst bei fast allen Fragen mit abstimmt (Horst Frank ließ seinen Arm meistens unten und war gern entweder die Sphinx oder gab den allen im Gemeinderat überlegenen Verwaltungsfachmann, der noch ein paar juristische Winkelzüge auf Lager hat – nur wenn’s ums Parkhausbauen ging, hob er als grüne Galionsfigur den Arm pro Parkhausinvestor). Uli Burchardt ist – es mag auch seinem jugendlichen Alter und seinem bubenhaften Aussehen geschuldet sein – offener und ist in allen Fragen, die dem bürgerlichen Lager nicht (!) ans Eingemachte gehen, konzilianter, als es Horst Frank in seinen letzten Jahren war. So ist Uli Burchardt durchaus dafür, den Vorschlag der LLK zu erwägen, Stadtmarketing und TouristInfo (am besten auch gleich auch noch die Wirtschaftsförderung) zusammenzulegen. Uli Burchardt verspricht einen Vorschlag dazu im ersten Halbjahr 2013.

Mehr Geld für gleiche Arbeit? Ja/Nein

Über die geforderte Erhöhung der Vergütung der Aufsichtsräte in Betrieben der Stadtwerke (und das sind fast immer Gemeinderäte und -rätinnen) wurde ausgiebig diskutiert, einige „normale“ Mitglieder des Gemeinderats ohne Aufsichtsratsmandate wiesen aber darauf hin, dass auch ihr eigener Kostenausgleich von 300 Euro pro Monat für etwa 8-10 Ausschuss- und sonstige Sitzungen pro Monat kaum ihre Auslagen decke und es beispielweise einem Menschen mit einen ganz normalen Job von 9 bis 17 Uhr rein zeitlich und finanziell nicht möglich ist, Mitglied des Gemeinderats zu werden, weil er sich’s schlichtweg nicht leisten kann. Damit würden bestimmte Teile der Bevölkerung als mögliche Kandidaten für den Gemeinderat ausgeschlossen. Der Vorschlag des Grünen Günter Beyer-Köhler, demnächst sämtliche Vergütungen unter die Lupe zu nehmen und in Relation zu anderen Vergütungen zu setzen, um zu einem einheitlichen Gehaltsgefüge zu kommen, ging unter. Am Ende wurde die Erhöhung der Gelder für die Aufsichtsrätinnen und -räte beschlossen.

Übrigens, und dies sei nur für die, die’s interessiert, angemerkt, der OB erhält als Vorsitzender des Aufsichtrates der Stadtwerke ein leidlich ansehnliches Salär als monatliche Aufwandsentschädigung plus ein jeweils für tatsächlich stattfindende Sitzungen anfallendes Sitzungsgeld. Nach seinen eigenen Angaben behält er davon aber keinen Cent für sich selbst, da das alles direkt ans Stadtsäckel weitergereicht wird.

Eine neue Stiftung

Aber immerhin: Die Wackeren erhalten ihren Lohn, und so wurde denn SPD-Grande Jürgen Leipold für 40 Jahre Gemeinderatstätigkeit das Verdienstabzeichen des Städtetags Baden-Württemberg in Gold und mit Lorbeerkranz überreicht.

Nicht minder verdient hätte eine solche Auszeichnung sicher die Lehrerin Helga Bernhard, die der Stadt etwa 540.000 Euro vererbte. Nach kurzer Debatte, während der Bilder der Dahingegangenen an die Wand geworfen wurden, entschied sich der Gemeinderat, die Erbschaft anzunehmen und jenen Teil der Mittel, den Helga Bernhard nicht ausdrücklich der Feuerwehr, der Stadtgärtnerei oder – was wirklich rührend ist – den Schulausflügen der Haidelmoosschule zugedacht hat, in eine treuhänderische Stiftung einzubringen. Das heißt, das Kapital fließt nicht in den allgemeinen Haushalt ein, sondern wird hinterlegt, und nur die Zinsen werden für jährlich neu zu bestimmende wohltätige Zwecke verwendet.

Pflegeheim wird gebaut

Breiten Raum nahm die Debatte um ein neues Pflegeheim an der Jungerhalde in Allmannsdorf ein. Claus Boldt betonte, es gehe bei dieser Abstimmung nicht um Pflegekonzepte, sondern darum, mehr Fläche als bisher geplant für das Pflegeheim zur Verfügung zu stellen, da nach Meinung der meisten Betreiber die bisher geplante Fläche zu klein sei, um wirtschaftlich arbeiten zu können. Wenn die vergrößerte Fläche beschlossen sei, könne man dann mit Interessenten wie der Arbeiterwohlfahrt, der Diakonie, der Caritas oder der Spitalstiftung darüber sprechen, welche Konzepte sie für das neue Pflegeheim anzubieten hätten.

Insbesondere Roland Wallisch(FGL) war aber an einer sehr grundsätzlichen Debatte über Pflegekonzepte gelegen, weil er bezweifelte, dass angesichts neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse das Konzept von 60 Pflegeplätzen zukunftsfähig sei, vielmehr brauche man in Zukunft neue Ansätze für ambulante und stationäre Pflege ebenso wie für betreutes Wohnen, deshalb müsse man die Planung komplett neu aufrollen.

Auf erbitterten Widerstand stieß er dabei bei Jürgen Leipold. Leipold wies auf den akuten Mangel an Pflegeplätzen in Konstanz hin und forderte, auch das neue vergrößerte Konzept jetzt ohne weitere Diskussionen mit den bisherigen Interessenten Wobak als Erbauer und Arbeiterwohlfahrt als Betreiber zu verwirklichen. Nach einer Vergrößerung der Fläche mit all jenen Anbietern, die bisher kein Interesse gezeigt hätten, neu zu verhandeln, hielt er angesichts des Pflegenotstandes für reine Zeitverschwendung. Auch Vera Hemm (LLK) forderte, den geplanten Mix aus Pflege, Kindertageseinrichtung und Schule jetzt endlich zügig zu verwirklichen.

Nun geht der Weltgeist aber manchmal wunderliche Wege und man beschloss, die Abstimmung zu splitten und 1. darüber abzustimmen, ob die Wobak die neue Einrichtung erbauen soll, 2. darüber zu befinden, ob die Arbeiterwohlfahrt die Einrichtung betreiben soll und 3. über das Gesamtkonzept zu beschließen. Das Abstimmungsergebnis verblüffte selbst alte Hasen: 1. Die Wobak soll Erbauer der Pflegeeinrichtung sein, 2. die Arbeiterwohlfahrt wurde als Betreiber nicht angenommen, der Betreiber muss also mit allen Interessenten neu ausgehandelt werden, 3. wurde der Bau der Einrichtung aber einhellig beschlossen.

Nochmals um die Pflege ging es, als der Gemeinderat in seiner Eigenschaft als Stiftungsrat der Spitalstiftung über den Wirtschaftsplan der Pflegeeinrichtungen zu befinden hatte. Vera Hemm (LLK) begründete die Ablehnung des Planes durch die Linke Liste damit, dass die Aussichten für die Pflege in Konstanz derzeit erschreckend seien. Die Angehörigen zu Pflegender seien über die Zustände zutiefst besorgt, und das Personal leide unter unerträglicher Hektik, nicht nur, wenn mal ein Mitarbeiter krankheitsbedingt ausfalle. Sie forderte, mehr Personal einzustellen. Gegen die gängige Behauptung, es sei in Konstanz kein Pflegepersonal zu bekommen, weil es dank der dort besseren Bezahlung in die Schweiz abwandere, verwies Vera Hemm darauf, dass die Spitalstiftung Millionen auf der hohen Kante habe, mit denen man das Personal durchaus angemessen bezahlen und an Konstanz binden könne. Auch könne man die Pflegekräfte durch kleine Aufmerksamkeiten wie etwa Freifahrscheine für die städtischen Busse belohnen. Der Mangel an Pflegepersonal jedenfalls sei hausgemacht und logische Konsequenz eines Wirtschaftlichkeitsmythos‘, der die Kernaufgabe der Stiftung, nämlich die Daseinsvorsorge für die Konstanzer, längst verdrängt habe.

Bürger fordern mehr Transparenz

In der Bürgerfragestunde traten dieses Mal gleich zwei Bürger in die Bütt. Der eine bat darum, vor jeder einzelnen Abstimmung des Gemeinderates den Bürgern 3-5 Minuten lang die Gelegenheit zu geben, ihre Meinung zum jeweiligen Abstimmungsthema zu sagen. Der andere forderte die Verwaltung auf, der Öffentlichkeit den gesamten Haushaltsentwurf per Internet zugänglich zu machen, aber Stadtkämmerer Hartmut Rohloff meinte, das sei wegen der schieren Datenmenge nicht möglich.

Grünabfälle und ein Millionenloch

Die Debatte über den Wirtschaftsplan der Entsorgungsbetriebe Konstanz weckte die Lebensgeister des Gemeinderates. Klaus-Peter Kossmehl(CDU) begründete seine Ablehnung des Wirtschaftsplans damit, dass man mit fragwürdigen, höchst spekulativen Geschäften in Schweizer Franken etwa zwei Millionen Euro in den Sand gesetzt und zudem Rückstellungen für unsinnige Dinge ausgegeben habe. Auch andere Räte und Rätinnen murrten hörbar über diese Verluste. Jürgen Ruff(SPD) allerdings meinte, der Gebührenzahler habe früher von diesen Geschäften in Form von Zinsgewinnen profitiert, deshalb müsse er jetzt auch für Verluste durch höhere Gebühren aufkommen. Er forderte vor allem, Entscheidungen über solche Geschäfte in Zukunft wieder vom Gemeinderat und dessen Haupt- und Finanzausschuss fällen zu lassen. Insgesamt kleinlauter wurden die Kritiker allerdings, als der Oberbürgermeister sie daran erinnerte, dass der Gemeinderat selbst vor Jahren diese Geschäfte mehrheitlich beschlossen habe. Die Gemeinderätinnen und -räte gelobten sich nach diesem Hinweis einhellig, nie wieder undurchsichtige Spekulationsgeschäfte zu genehmigen und auch nie wieder die städtische Kläranlage in die USA oder sonst wohin zu verkaufen.

Eine Alternative zur Deckung der aus den Fremdwährungsgeschäften entstandenen Verluste zeigte Ulrike Hertig,die Betriebsleisterin der Entsorgungsbetriebe, auf. Statt die Gebühren zu erhöhen und so alle Bürger dafür aufkommen zu lassen, könne der Gemeinderat die Verluste natürlich auch durch eine Unterstützung aus dem Haushalt der Stadt ausgleichen. Dieser Vorschlag ging aber erstaunlicherweise gänzlich ungehört und ohne Diskussion gleich wieder unter.

Ach ja, da es die Gemüter von Grundstücks- und Gartenbesitzern scheint’s so sehr bewegt: Sowohl Rasenschnitt als auch Grünabfälle dürfen in die Biotonne geworfen werden, bis sie voll ist. Die Entsorgungsbetriebe arbeiten aber auch an einem Konzept, solche Abfälle in Zukunft bei den Betroffenen abzuholen, damit die armen Gartenkosaken ihre Grünabfälle, die über den Rand der Biotonne hinausquellen, in Zukunft nicht mehr mit dem Auto auf den Bettenberg fahren müssen. Am Ende ging der Wirtschaftsplan der Entsorgungsbetriebe bei einer erklecklichen Zahl an Gegenstimmen durch.

Der Scheiterhaufen soll wieder rauchen

Jesus kommt aus Nazareth? Mag sein, aber wen interessiert dieses unansehnliche Kaff in Galiläa schon? Konstanz hingegen ist der wahre Nabel der Christenheit, und diese Tatsache will die Stadt zum 600. Jubiläum des Konstanzer Konzils den Christenmenschen in aller Welt mit Macht in Erinnerung rufen. Die Stadt am Bodensee, der es an Pflegeplätzen gebricht und die gern über das teure Personal stöhnt, ist gern bereit, zusätzlich zu den bewilligten Landesmitteln mindestens sechs Millionen Euro aus dem Stadtsäckel für das Konziljubiläum auszugeben und dieses von 2014 bis 2018 ganze fünf Jahre lang aufwändig zu feiern.

Man erinnere sich: Bis zum Konstanzer Konzil 1414-1418 gab es jahrzehntelang mehrere Päpste, die sich aus typisch christlicher Nächstenliebe gegenseitig exkommunizierten, so dass ein normaler Gläubiger nicht mehr wissen konnte, wer denn nun der wirkliche Stellvertreter Gottes auf Erden und wer nur ein hundsgewöhnlicher Gernegroß war. Das Konstanzer Konzil setzte damals alle Päpste ab, wählte einen einzigen Mann zum neuen Papst und beendete damit die Spaltung der Christenheit unter verschiedenen Päpsten, also das abendländische Schisma. Um die Einheit des Christenvolkes vollends sicherzustellen, lockte man auch gleich noch einige frühe Kirchenreformer wie Jan Hus, denen es ganz unchristlich mehr um Religion als um weltliche Macht und Geld ging, unter dem Vorwand des freien Geleites nach Konstanz und verbrannte sie dort nach urchristlichem Brauch als Ketzer. Konstanz war also 1414 bis 1418 für ein paar Jahre ein Ort, an dem über das künftige Schicksal des Papsttums mitentschieden wurde.

Was aber ist daran zu feiern, und vor allem in welcher Form? Der zu diesem Zweck von der Stadt gegründete Eigenbetrieb Konzilstadt Konstanz unter Leitung von Ruth Bader hat ein Konzept für diese Feierlichkeiten vorgelegt, das viele Gemeinderäte und -rätinnen wie Dorothee Jacobs-Krahnen von der FGL als Erfolgsrezept für eine gelungene Innen- und Außendarstellung der Stadt Konstanz lobten. Wolfgang Müller-Fehrenbach (CDU) gar, einer der wackersten Verteidiger kirchlicher Interessen im Gemeinderat, will durch die ausführlichen Festlichkeiten das europäische Bewusstsein wecken, indem Bildung, Kirche und Tourismus vorbildhaft vernetzt werden. Hanna Binder (SPD) – als Ehefrau von Peter Friedrich, dem baden-württembergischen Minister für Bundesrat, Europa und internationale Angelegenheiten quasi von Haus aus dem Europagedanken verpflichtet – schloss sich dem Lob auf das Konzept von fünf Jubeljahren an, bemängelte aber, dass man bisher noch keine wirklich griffige Formel dafür gefunden habe, warum man denn überhaupt dieses historische Ereignis so ausgiebig feiere.

Weite Teile des Gemeinderates sind ähnlich wie in Sachen Konzert- und Kongresshaus wieder einmal wie besoffen von der Idee, Konstanz mit viel städtischem Geld als Nabel der Welt zu präsentieren, und das, obwohl Antworten auf die Frage, was man denn in diesen fünf Jahren überhaupt anstellen wolle, um Konstanz im öffentlichen Bewusstsein zu verankern, recht nebulös ausfallen – außer dass es richtig teuer werden wird, weiß man nichts Konkretes. Dahinter steht neben einem überheblichen Lokalpatriotismus, der immer gern bereit ist, Konstanz als weltweit bedeutende kulturelle Metropole zu feiern, auch die Überzeugung, ein solches Ereignis könne wahre Touristenmassen nach Konstanz locken, die hier viel Geld liegen ließen, so dass die Ausgabe der städtischen Millionen sich letztlich schon irgendwie rechnen werde.

Mittlerweile finden sich selbst im bürgerlichen Lager erste Zweifler. Jürgen Wiedemann (UFG) merkte an, dass er eine Ausstrahlung des Konziljubiläums nach ganz Europa bezweifle, und Günter Beyer-Köhlervon der Freien Grünen Liste (die mittlerweile gespalten ist wie die christliche Kirche während des Schismas vor dem Konstanzer Konzil) findet die Kosten viel zu hoch und bezweifelt, dass irgendein nachhaltiger Effekt über die eigentlichen Veranstaltungen der Jubeljahre hinaus zu erwarten sei. Fundamentale Kritik kam von Holger Reile von der LLK, der die Planungen in einer fulminanten Rede als Wolkenschieberei geißelte und forderte, die städtischen Ausgaben für dieses Event auf zwei Millionen Euro zu begrenzen und sich auf einige zentrale Veranstaltungen wie beispielsweise die Landesausstellung im Konzil sowie eine Ausstellung im Rosgartenmuseum zu beschränken. Er schlug auch vor, die Kirche könne sich ja angesichts der religiösen Bedeutung des Ereignisses großzügig an den Kosten beteiligen, zumal bisher ansonsten keine der von den Veranstaltern beschworenen Sponsoren in Sicht seien. (Wegen der grundsätzlichen Bedeutung dieser Frage für die nächsten Jahre in Konstanz werden wir in den nächsten Tagen Reiles Rede vollständig dokumentieren).

In der Tat klingen die Argumente der Befürworter eines jahrelangen Großereignisses nach Wahnvorstellungen, denn woher sollen die Massen der religionsbegeisterten Touristen kommen in Zeiten, in denen die Kirchen leerstehen und sich außerhalb von Konstanz nun wirklich niemand mehr an das Konstanzer Konzil erinnert oder für diese (kirchen-)politische Langzeitveranstaltung des 15. Jahrhunderts sonst wie begeistern kann? Die Kraft des christlichen Glaubens reicht ja nicht mal mehr dazu aus, auch nur ein paar Tausend Männer dazu zu bewegen, im Urlaub einen zünftigen Kreuzzug nach Konstantinopel zu unternehmen, wie soll derselbe Glaube dann wahre Menschenmassen nach Konstanz führen? Wie auch immer, die Mehrheit des Gemeinderates stimmte der Planung zu, und so darf man damit rechnen, dass man sich im Gemeinderat in einigen Jahren wieder gegenseitig die Schuld für eine Millionenverschwendung zuschiebt.

Synagoge und Wirtschaft

Holger Reile fragte bei der Verwaltung nach, wie sich denn die Angelegenheit mit dem Synagogenbau an der Sigismundstraße entwickele, und der OB berichtete, er habe vor einigen Wochen mit einem Rechtsanwalt des Landesverbandes der jüdischen Gemeinden gesprochen, der einen baldigen Baubeginn zugesagt habe. Damit geht diese unendliche Geschichte wie gehabt in eine neue Runde.

OB Uli Burchardt informierte außerdem den Gemeinderat darüber, dass er Wirtschaftsthemen aus dem Haupt- und Finanzausschuss ausgliedern und einen eigenen beratenden Ausschuss für Wirtschaftsfragen gründen will, dem auch externer Sachverstand, etwa Unternehmer, angehören können. Dieser Ausschuss soll etwa viermal jährlich tagen und das eventuell auch vor Ort in Unternehmen. Von der Teilnahme von Betriebsräten oder Beschäftigten war übrigens nicht die Rede, und man braucht wahrlich kein Prophet zu sein, wenn man vorhersieht, dass auch im endgültigen Plan für den Wirtschaftsausschuss von den Menschen, die die Arbeit machen, nicht die Rede sein wird.

Aber was soll’s? Jetzt freuen wir uns erst mal auf einen spektakulären Weltuntergang!

Autor: O. Pugliese