Ohne Filter

Die Covid-19-Fallzahlen schießen seit Wochen wieder in die Höhe, auch in unseren Gefilden. Wie kann die Ausbreitung der Viren wirkungsvoll eingedämmt werden, wenn sich körperliche Nähe kaum vermeiden lässt, wie etwa in Schulzimmern? Nach Meinung mancher Experten sind mobile Raumluftreiniger gut geeignet, den Virentransport per Areosol in den Griff zu bekommen. Die Linke Liste Konstanz (LLK) wollte deshalb von der Stadtverwaltung wissen, ob die Verwaltung beabsichtigt, solche Geräte an Konstanzer Schulen einzusetzen.

In ihrer schriftlichen Anfrage dazu verweist LLK-Stadträtin Anke Schwede stellvertretend auf ein Spiegel-Interview mit dem Wissenschaftler Christian Kähler. Der Leiter des Instituts für Strömungsmechanik und Aerodynamik an der Bundeswehr-Universität in München erforscht mit seinem Team unter anderem die Ausbreitung von Aerosolen. Ihm zufolge gibt es wissenschaftlich erprobte Geräte, „die gut geeignet sind, um Aerosolpartikel und damit auch Viren aus der Luft zu filtern“. Achte man auf ausreichende Filterkapazitäten und -qualitäten sowie Lärmschutz, sorgten solche Luftreiniger dafür, „dass die Virenlast auf einem ganz kleinen Niveau gehalten wird“.

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Mit dieser Meinung steht der Münchener Wissenschaftler beileibe nicht allein. Auch mehrere andere Studien erhärten solche Annahmen. So testete im Oktober etwa ein Team von WissenschaftlerInnen der Frankfurter Goethe-Universität an einer Schule in Wiesbaden die Effekte von Luftfiltern – „mit großem Erfolg“, wie Teamleiter Professor Joachim Curtius in einem Interview berichtet: Mit den Filtern sei es möglich, „die allgemeine Aerosol-Belastung innerhalb einer halben Stunde um mehr als 90 Prozent zu senken“. Curtius findet die Nutzung der Geräte deswegen sinnvoll: „Die Luftfilter verringern das Infektionsrisiko deutlich. Daher halte ich sie für eine praktikable Lösung.“

Bei der Konstanzer Verwaltung lässt man sich von solchen Befunden indes nicht überzeugen. In seiner Antwort auf die LLK-Anfrage sieht Frank Schädler, Leiter des Amtes für Bildung und Sport, derzeit keinen Handlungsbedarf. Das Thema sei „natürlich im Schulbereich angekommen und wird auch in der Arbeitsgruppe im Städtetag BaWü regelmäßig aufgerufen“. Die Wirksamkeit der mobilen Luftreinigungsgeräte sei indes „bislang noch nicht eindeutig nachgewiesen“. Bis das Ergebnis von „notwendigen Prüfungen“ vorliege, halte man sich im Rathaus deshalb an die Empfehlungen des Umweltbundesamts, die sich im Wesentlichen auf regelmäßigen Durchzug beschränken. Schädler wörtlich: „Das Betriebskonzept an unseren Schulen zielt weiter auf die Vorgaben zum Lüften ab.“ Zudem, so der sichtlich um Gegenargumente bemühte Amtsleiter weiter, werfe der „Einsatz von technischen Geräten … Fragen des Arbeitsschutzes und der Gerätesicherheit auf: Geräuschentwicklung, Wartung, Stromversorgung, Filterwechsel (Problemstoff?) …“

Das sind Aussagen, mit denen sich die StadträtInnen und die Öffentlichkeit nicht zufriedengeben sollten. Angesichts der akuten Gefährdungslage muss von der Stadtspitze mehr als Dienst nach Vorschrift und der Verweis auf übergeordnete Institutionen verlangt werden, zumal die für ihr zögerliches Agieren gerade im Schulbereich von vielen Seiten kritisiert werden. Wenn, wovon inzwischen renommierte FachwissenschaftlerInnen überzeugt sind, die Filtergeräte das Infektionsrisiko in den Klassenzimmern senken, stehen die Verantwortlichen in der Pflicht, ihren Einsatz zumindest zu prüfen, statt – zweifellos vorhandere aber gewiss nicht unüberwindliche – organisatorische oder technische Hürden als Ausrede vorzuschieben. Ohnedies dürfte der eigentliche Grund für die derzeitige Untätigkeit an ganz anderer Stelle zu suchen sein. Die Anschaffung von professionellen Geräten für die rund 500 Konstanzer Schulzimmer, das immerhin weiß Amtsleiter Schädler genau, würde die Stadt 2,5 Millionen Euro kosten. Zuviel für die Gesundheit von SchülerInnen, Lehrpersonal und Eltern?

J. Geiger (Bild: Wokandapix auf Pixabay)