Osners Demontage

So einig waren sich die Gemeinderatsfraktionen noch nie: Unisono verurteilten sie gestern Kultur-Bürgermeister Osner wegen seiner „Gutachten-Affäre“. In der Sondersitzung des Kulturausschusses zeigte sich Osner nur wenig selbstkritisch und überwiegend uneinsichtig. Festzuhalten ist: Andreas Osner ist schwer beschädigt, doch die Schelte der RätInnen bleibt – bis auf weiteres – folgenlos.

Der Publikumsandrang war beispiellos: Betagte Damen und hüftschwere Herren schleppten ihre Stühle eigenhändig in den Ratssaal, um doch noch ein Plätzchen in dieser mit Spannung erwarteten Sitzung zu ergattern. Und ihre Sensationslust wurde nicht enttäuscht: Vor Eintritt in die Diskussion forderte Roland Wallisch (FGL) eine Verschiebung des Themas in die nächste Sitzung des Gemeinderates, denn es könne nicht sein, dass ein „Betroffener als Sitzungsleiter fungiert“, schließlich gehe es nicht um das Gutachten, sondern um das Verhalten Osners. Holger Reile (LLK) und verschiedene andere Ausschussmitglieder sprachen sich gegen eine Vertagung aus – man wolle die zahlreich erschienenen BürgerInnen nicht ohne Stimmungsbild der Fraktionen nach Hause entlassen. Auch Anselm Venedeys (FWK) Vorschlag, dann wenigstens die Sitzungsleitung zu ändern, fand keine Mehrheit.

Missratene Rechtfertigung des Bürgermeisters

In einer sorgsam formulierten und penibel verlesenen Erklärung versuchte Bürgermeister Osner, sein Vorgehen im April, als „Mein Kampf“ seine Premiere hatte und von einem Marketing-Gag um Hakenkreuze und Judensterne begleitet wurde, zu erklären. In einer „Kommunikationskrise“ habe sich die ganze Stadt damals befunden, 1300 Artikel hätten sich weltweit mit dem Thema beschäftigt, der gute Ruf der Stadt habe auf dem Spiel gestanden, so des Bürgermeisters Einschätzung. Deshalb habe er – „der verwaltungsinternen Reflexion wegen“ – dieses Gutachten, das Uni und städtische Pressestelle zu erstellen abgelehnt hatten, extern in Auftrag gegeben.

Selbstkritisch merkte er an, dass eine vorherige Abstimmung mit dem Kulturausschuss sinnvoll gewesen wäre – das nähme er auf seine Kappe. Noch enger wurde es allerdings für Osner, als mehr gesprächsweise ans Licht kam, dass man für das Gutachten nicht nur 13.000, wie bislang bekannt, sondern mehr als 17.000 Euro hingeblättert hat – finanziert aus einer Rückzahlung des Landratsamtes an die Konstanzer Sozialbehörde. Das sei so Usus und fuße auf einer internen Dienstanweisung, versicherte Kämmerer Schwarz.

„Kunst muss provokant sein und darf skandalisieren“

In seiner Replik auf den Rechtfertigungsversuch des Bürgermeisters überraschte Wolfgang Müller-Fehrenbach (CDU) mit einem Plädoyer für die Freiheit der Kunst: „Kunst muss provokant sein und darf skandalisieren“, schmetterte er in den Ratssaal. „Die nachträgliche Prüfung durch das Osner-Gutachten widerspricht diesem Verständnis, zu dem sich Konstanz in jahrzehntelanger Tradition bekennt“. Das Gutachten sei unnötig, wertlos, nicht zukunftsweisend und habe den Grundsatz „Kunst braucht Freiheit“ ungebührlich eingeschränkt.

Alle RednerInnen aller Fraktionen schlossen sich dieser Einschätzung an. Sahide Zarikas von der SPD: „Der Streit zweier streitsüchtiger Männer bringt uns nicht weiter. Aber wie soll es weitergehen in den nächsten zwei Jahren, in denen Nix noch Intendant ist?“ Matthias Schäfer (JFK): „Meine Söhne schlagen sich auch die Köpfe ein, aber in der Politik geht das gar nicht.“ Von einem „veritablen Bock“, den Osner da geschossen habe, sprach Holger Reile von der Linken Liste, und „von einem persönlichen Rachefeldzug gegen den Theaterintendanten, den er sich auch noch vom Steuerzahler hat finanzieren lassen.“ Und legte noch einen drauf: „Wer so fahrlässig mit öffentlichen Geldern umgeht, muss sich schon die Frage stellen, ob er für diesen verantwortungsvollen Job überhaupt noch geeignet ist.“ Er schlug „einen Abgang in halben Ehren“ vor und forderte die Kulturverantwortlichen der Stadt auf, jetzt auch öffentlich Stellung zu beziehen: „Gab es Warnungen an die Adresse des Kulturbürgermeisters?“

Mutige Stellungnahmen

Die ließen sich nicht allzu lange bitten: Tobias Engelsing, Chef der städtischen Museen, berichtete von einer Sitzung des Arbeitskreises Kultur vom 20. April, in der das Werbe-Tamtam rund um die „Mein Kampf“-Aufführung zwar kritisiert, aber über die Absicht, ein Gutachten erstellen zu lassen, nicht informiert wurde. Diese Einschätzung bestätigte Stadtarchivar Jürgen Klöckler anhand handschriftlicher Protokoll-Notizen. Später aber wurde bekannt, dass Sarah Müssig, Leiterin des Konstanzer Kulturamtes und ebenfalls Mitglied im Arbeitskreis, sehr wohl vor einem solchen Gutachten-Auftrag abgeraten hatte. Auch Walter Rügert, Presssprecher der Stadt Konstanz, stellte klar, dass er eine solche Untersuchung inhaltlich nicht gutgeheißen habe – mutige Einschätzungen von Verwaltungs-Verantwortlichen – die Illoyalität vermeidend, der Wahrheit verpflichtet.

Wie geht es mit Osner weiter?

Bleibt festzuhalten: Andreas Osner wurde gestern empfindlich demontiert – der Wahrheitsgehalt mancher seiner Aussagen wurde infrage gestellt, seine Rechtfertigung nicht ernst genommen und die Steuergeld-Verschwendung nicht aufgeklärt. Da fragt man sich schon, wie Konstanz diesen Bürgermeister weiterhin aushalten soll. Und man fragt sich, wie lange der Gemeinderat sich das noch bieten lassen will. Bevor ich es vergesse: Im Mai 2019 gibt es Kommunalwahlen.

hpk