Parken im Paradies – Auge um Auge

Ohne ausgeprägten Überlebensinstinkt ist Parken in Konstanz kaum möglich. Und im Paradies schon gar nicht. Über Tricks und Unverschämtheiten berichtet unsere Autorin, die bei der täglichen Suche nach einem Stellplatz für ihre Karosse schier verzweifelt.

Erst kürzlich wurde ich während der Parkplatzsuche im Paradies (ich bin Anwohnerin und darf einen Bewohnerparkausweis mein Eigen nennen) mit dem parkplatzbezogenen Überlebensinstinkt konfrontiert: Ein junger Schweizer sperrte gerade seinen Wagen mit Thurgauer Kennzeichen ab, als ich ihn im Vorbeifahren darauf aufmerksam machte, dass dies ein Bewohnerparkplatz sei. Das wisse er, aber er wohne ja schon seit einigen Wochen in Konstanz. Die Frage, ob er denn dann auch einen Bewohnerparkausweis vorzuweisen hätte, verneinte er mit der Bemerkung, er hätte diesen bereits bei der Stadt beantragt.

Man kann den Wisch zwar tatsächlich beantragen, um ihn schließlich zugesandt zu bekommen, aber behaupten kann man ja viel… Darüber hinaus riskierte der Kerl mit seinem Verhalten dennoch einen Strafzettel – kein Parkausweis, keine Parkberechtigung und das gibt Knöllchen. Ob beantragt oder nicht, interessiert die Ordnungshüter nicht, solange nicht der grüne Zettel (irgendwie ironisch, die Farbe) hinter der Windschutzscheibe klebt. Dies schien den jungen Mann jedoch nicht weiter zu kümmern. Er drehte sich um und ging.

Heilig’s Blechle

Das Gespräch mit dem Schweizer verlief immerhin höflich. Dies scheint nun nicht mehr selbstverständlich zu sein. Denn es ziehen Wolken auf überm Paradies. Die Parkplatzsituation spitzt sich mehr und mehr zu, insbesondere vor dem Hintergrund der nahenden Vorweihnachtszeit. So kam es, dass ich zusammen mit meinem Partner am Samstagmittag in der Straße um die Ecke unserer Wohnung eine Begegnung urmenschlicher Art hatte. Wir sichteten beide eine große Parklücke an der Seite und steuerten auf diese zu, um festzustellen, dass darin eine ältere Dame mit Regenschirm stand. Diese sah uns zwar den Blinker setzen und auf den Parkplatz zufahren, machte jedoch keinerlei Anstalten, diesen zu verlassen. Ich kurbelte das Fenster hinunter und bat die Dame höflich, zur Seite zu treten, damit wir einparken können. Doch diese dachte nicht daran: Wir wüssten doch selbst, wie das mit den Parkplätzen hier sei und deshalb sollten wir weiterfahren.

So einfach ließen wir uns jedoch nicht unterkriegen, wiesen darauf hin, dass es rechtlich nicht gestattet sei, Parkplätze zu reservieren. Die – dem Habitus nach zu urteilen – sichtlich wohlhabende Frau blieb unbeirrt. Ihr Auto würde in letzter Zeit ständig zerkratzt und sie wohne gleich hier, deshalb müsse ihr Auto hier stehen. Sie behauptete nicht, sie ziehe gerade um und habe schwere Möbel zu schleppen oder müsse Einkäufe abladen oder habe eine Gehbehinderung. Nein, es war schiere Bequemlichkeit. Eine Person, die möglicherweise bei jeder Gelegenheit über die ungesittete „Jugend von heute“ herzieht, bewies keinen Funken Anstand.

Mülltonnen reservieren Parkplätze

Das Wortgefecht zog sich einige Minuten hin. Immer wieder betonte sie, ihr Mann würde nun gleich mit ihrem Auto kommen. Die Szene erinnerte ein bisschen an „Warten auf Godot“ – solange wir neben der Parklücke hielten, erschien besagter Gatte nicht. Schließlich waren wir dumm genug, auf ihre Frage, wo wir denn wohnten, „um die Ecke“ zu antworten, woraufhin sie uns befahl, doch dort weiterzusuchen. Mein Partner hatte das Diskutieren satt. Obgleich die Parkplatzreservierung nicht zulässig ist, ist es den Urteilen mehrerer Oberlandesgerichte nach ebenso unverhältnismäßig, einfach in den Parkplatz zu fahren, während dort eine Person steht. Das Recht auf einen Parkplatz wiegt Körperverletzungen und Nötigung schlicht nicht auf. Diese Tatsache ist jedoch nicht unumstritten – andere Gerichte sehen das anders (wohl abhängig davon, ob der oder die zuständige Vorsitzende ein Autoliebhaber ist oder nicht). Wir suchten also weiter und fanden mit etwas Glück schließlich einen Stellplatz. Zur Wohnung mussten wir noch ein wenig laufen, aber das muss man eben in Kauf nehmen, wenn man in der Innenstadt wohnt und keine eigene Parkmöglichkeit besitzt.

Ich habe schon viele „reservierten Parkplätze“ gesehen: Einen mit Mülltonnen und einem dicken Holzbalken, an dem ein Behindertenausweis hing, einen anderen von Handwerker, die im Nachbarhaus arbeiteten und während dieser Zeit einen Stellplatz mit Farbeimern reservierten oder ein nettes Schild, dass zwischen 12 und 13 Uhr die Holzlieferung käme und deshalb hier bitte nicht geparkt werden sollte. Auch das ist letztendlich nicht legal, aber verständlich. Doch die Begründung „weil ich das so will und die (gesetzlich festgeschriebenen!) Regeln des Zusammenlebens mich kein Stück interessieren“ kann ich für ein derartiges Verhalten nicht gelten lassen.

Parkplatz um Parkplatz – Zahn um Zahn

Anwohnerparkflächen stellen an sich eine öffentliche Lösung des Problems knapper Parkmöglichkeiten in Innenstädten dar. Wenn sich die Betroffenen jedoch nicht an die Regeln halten, werden schnell mal Forderungen nach mehr Parkplätzen laut. Da dies schwere Umweltschäden und Raumknappheit zur Folge hat, sollten jedoch nicht mehr Parkflächen geschaffen, sondern im Zweifel stärkere Sanktionen für Normverstöße verhängt werden.

Dennoch hat die Frechheit in diesem Fall gesiegt und der Golf steht nun unter dem wachenden Auge seines Frauchens an seinem (nicht) angestammten Platz. In Zukunft wird es wohl öfter heißen: Auge um Auge, Zahn um Zahn, Parkplatz um Parkplatz.

Carla Farré