Parkhaus: Hoffentlich erleben wir das noch

Es ist kaum zu glauben, in welch langen Zeiträumen StädteplanerInnen teils denken. Das müssen sie auch, ganz besonders, wenn sie es mit der Bahn zu tun bekommen. Immerhin scheint sich jetzt Großes zu tun: Bahn und Stadt haben ihre Absicht bekundet, irgendwann gemeinsam die architektonisch eigenwillige Ladenzeile neben dem Konstanzer Bahnhof abzureißen und durch einen Neubau zu ersetzen, der über anderem ein Fahrrad­parkhaus beherbergt. Auch dem Schweizer Bahnhof droht dann die Abrissbirne.

Immer wenn in den letzten Jahren das Gespräch auf den Bahnhof kam, spürte man bei den Zuständigen eine gewisse innere Vereisung – Verhandlungen mit der Bahn scheinen etwas zu sein, das mensch selbst seinem besten Feind nur insgeheim wünscht. Doch wie auch immer, die Konstanzer Bahnhofsgegend ist insgesamt kein Schmuckstück und funktioniert nicht richtig. Gerade ältere Menschen wissen kaum, wie sie lebend über die Straße zum Bus kommen sollen, die Ausstiegszone zwischen Bahnhof und Bäckerei hat den Charme eines Truppenübungsplatzes, die Bushaltestelle ist ein Schlag ins Antlitz der Mitmenschlichkeit, und allüberall stehen Fahrräder, sichtlich geplagt von Verlustängsten, herum.

Seit 2008 geht es schlagartig voran

Das soll jetzt besser werden, sagten sich Stadt und Bahn schon 2008 und begannen, miteinander über die Zukunft des Bahnhofsareals zu reden. Bereits 2009 wurde nach mehreren Workshops der Rahmenplan „Bahnhof Konstanz“ verabschiedet. Nur wenige Wochen später, im Jahre des Heils 2017, konkretisierte die Bahn dann ihre Vorstellungen zu Ladenzeile und Schweizer Bahnhof, in denen natürlich an ein Fahrradparkhaus nicht gedacht war, aber das konnte Konstanz der Bahn dann doch noch irgendwie schmackhaft machen – vermutlich durch Geldzusagen, denn das ist die Sprache, die die Bahn am besten versteht.

Kurzum, in der Vorlage für die Sitzung des Technischen und Umweltausschusses (TUA) am morgigen Dienstag heißt es, es solle „ein Fahrradparkhaus mit Servicestation ermöglicht werden, wie es auch in der Gesamtstrategie ‚Fahrradparken im Bahnhofsumfeld‘ der Stadt Konstanz festgehalten ist. Darin gilt der Bau eines Fahrradparkhauses mit mindestens 600 Stellplätzen als zentraler Baustein, um langfristig die Bedarfe nach wettergeschützten und zugangsgesicherten Abstellplätzen für Fahrradfahrer decken zu können.“

Absichtsgekuschel

Die Stadt und die DB Station & Service haben jetzt eine Absichtserklärung („Letter of Intent LOI“ heißt die übrigens richtig, denn vornehm geht die Welt zugrunde) erarbeitet, die aber niemanden zu etwas verpflichtet. Klar ist, dass die Bahn, deren Bahnhöfe ja entweder vergammeln oder zu Konsumtempeln mit atmosphärisch dichten Lautsprecherdurchsagen umgebaut wurden, mit der neuen Ladenzeile möglichst viel Geld verdienen will, und das ist mit Fahrradparken wohl kaum zu scheffeln. „Im Neubau der Ladenzeile soll nach Vorstellung der Bahn ein Nutzungsmix für Bahnreisende, bestehend aus bis zu drei Einzelhandels-/Gastronomiekonzepten mit einer Größe bis zu 500 m² je Einheit (konzeptabhängig), realisiert werden. Zudem ist ein öffentliches WC für Reisende vorgesehen.“ (Letzteres ist auch bitter nötig, wenn man sich nach einer dieser typisch gewordenen Bahnreisen, auf denen nichts funktionierte und es keinerlei verwertbare Ansagen gab, mal so richtig auskotzen möchte.)

Im Erdgeschoss sind außerdem 250 m² für Fahrradservice und ein Fahrradgeschäft geplant und irgendwo sollen dann auch noch 150 m² Nebenflächen für Büro, Sozialraum, WC und Lager gebaut werden. Die Idee ist naheliegend: Pendler können ihr Fahrrad morgens auf dem Weg zur Arbeit direkt am Bahnhof zu Reparatur und Wartung abgeben und es abends dort wieder abholen. Vielleicht nicht gerade am selben Abend, aber immerhin am Abend …

Nicht ganz billig, der Spaß

Dieser Neubau soll ein Ensemble mit dem Bahnhof bilden, er soll vorn in einer Linie mit dem Bahnhof abschließen und dessen Traufhöhe von 9,60 nicht überschreiten; damit bleiben etwa 4,50 m Höhe für Restaurants und Laden zu ebener Erde plus etwa 3,50 m für das aufgesetzte Fahrradparkhaus, das über eine breite Rampe zu erreichen sein soll. Es steht zu hoffen, dass diese Rampe tatsächlich nur so steil ausfällt, dass mensch sie bequem hochradeln kann. Müssten die Fahrräder zu den Parkplätzen hochgeschoben werden, dürfte das die Akzeptanz der Einrichtung erheblich mindern. Ideal wäre natürlich auch ein fahrradtauglicher Fahrstuhl – das zeigt etwa der Haltepunkt Fürstenberg, an dem der Fahrstuhl vom Bahnsteig auf die Brücke nicht nur von Bahnreisenden, sondern auch vom Fahrrad-Durchgangsverkehr rege frequentiert wird.

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Alle Technik soll übrigens ins Gebäude integriert werden, um herausragende Lüftungsrohre etc. zu vermeiden. Das könnte allerdings auch den Nachteil haben, dass es im nördlichen Bahnsteigsbereich nicht mehr intensiv nach Fritteuse riecht – ein Geruch, den passionierte BahnfahrerInnen kaum mehr missen mögen.

Stadt und Bahn wollen das Projekt irgendwie gemeinsam entwickeln und sich die Entwicklungskosten teilen, vielleicht soll die Stadt gar Eigentümerin des Fahrradparkdecks werden, während der DB die Gewerbeflächen darunter gehören (ähnlich ist es ja mit dem Bofo: Der Stadt gehört der untere Teil, und der obere der IHK). Nach heutigen Schätzungen geht es bei dem allen zwar nicht gerade um Peanuts, aber es scheint erschwinglich zu sein: Für den Neubau der Ladenzeile inklusive Fahrradparkhaus rechnet die DB Station & Service mit 10,6–13,8 Mio. Euro brutto, der Anteil für das Fahrradparkhaus inklusive Servicestation könnte sich dabei auf 6,3–8,2 Mio. Euro belaufen, also ca. 10.500–13.700 Euro pro Stellplatz. Es ist vermutlich eine innovative Idee, das durch einen Solidaritätszuschlag an den Auto-Parkuhren in der Innenstadt mitzufinanzieren und das Radeln so noch attraktiver zu machen.

Rumms – Da ist der Bahnhof weg

Während bei der Ladenzeile gemeinsame Sache gemacht werden soll, will die Bahn den Schweizer Bahnhof eigenverantwortlich abreißen und neu bauen, und die Stadt übernimmt die Alleinverantwortung für den Bahnhofsplatz. Der neue Schweizer Bahnhof soll allerdings in seinen Dimensionen auf Ladenzeile und Bahnhof abgestimmt werden – vermutlich müssten sich Stadt und Bahn wohl auf ein einziges Architekturbüro einigen, um ein echtes Ensemble sicherzustellen, das Bahnhof und Fürstenpavillion (ehemaliger Wartesaal 0. Klasse, heute die Bäckerei an der Bushaltestelle) seitlich abschließt. „Im Neubau des Schweizer Bahnhofes soll ein Nutzungsmix für Bahnreisende bestehend aus Einzelhandels-/Gastronomiekonzepten mit einer Größe von bis zu 800 m² je Geschoss realisiert werden. Büronutzungen – insbesondere die des Schweizer Zolls – können den Nutzungsmix des Gebäudes ergänzen.“

In der Absichtserklärung heißt es übrigens auch: „Im Bereich des Schweizer Bahnhofes werden keine Fahrradstellplätze berücksichtigt, da diese zentral in der Ladenzeile verortet sind.“ Auch am neuen Schweizer Bahnhof werden also rudelweise wild herumlungernde Stahlrösser anzutreffen sein, denn kein normal veranlagter Mensch parkt sein Fahrrad rund 250 m weiter am entgegengesetzten, marktstättenseitigen Ende des deutschen Bahnhofs im Fahrradparkhaus, wenn er vom Schweizer Bahnhof aus abfahren will. Allerdings stellt in diesem Monat der Radverkehrsbeauftragte Gregor Gaffga seine Konzept „Fahrradparken am Bahnhof Konstanz“ zur Abstimmung, das Abhilfe versprechen könnte.

Aber wann?

Natürlich ist diese Idee eines Fahrradparkhauses bestechend. Bisher stand Gleis 1 mit Fahrrädern voll, und im gesamten Bahnhofsumfeld drücken sich die Schmalrösser verschämt wie DrogenkleinhändlerInnen in allen möglichen Pissecken herum. Dass ihnen schon bald ein besseres Schicksal zuteil wird, darf aber getrost bezweifelt werden, dazu sind noch zu viele Fragen offen, von den Eigentumsverhältnissen und der Kostenaufteilung bis hin zu eventuellen Betreiber- und Nutzungsmodellen: Wie viele Ladestationen für E-Bikes braucht es, gibt es einen direkten Zugang zu den Bahnsteigen, welche Art der Sicherung insbesondere teurerer Fahrräder ist möglich und nötig, können sich Pendler feste Stellplätze reservieren, sollen Parkgebühren erhoben werden usw., also Fragen über Fragen. Allerdings gibt es in anderen Städten, selbst in Deutschland (kein Witz!), schon Erfahrungen mit Fahrradparkhäusern, die Antwort auf die viele dieser Fragen geben können. Konstanz muss in dieser Hinsicht das Rad also nicht unbedingt neu erfinden.

Ende 2021 sollen die ersten Planungen anlaufen, und über den Startschuss hinaus ist in den Unterlagen nichts zum Zeitplan zu lesen, außerdem können beide Seiten auch jederzeit wieder aussteigen, wenn ihnen etwas nicht passt – oder es Streit über die Kosten oder die Architektur gibt. Es werden also noch ganz viele Fahrradschläuche geflickt werden müssen, ehe das erste Fahrrad eines Tages ins Parkhaus rollt.

O. Pugliese (Text und Bild)


Was, wann & wo: Öffentliche Sitzung des Technischen und Umweltausschusses am Dienstag, 15.06.2021, ab 16:00 Uhr im Bodenseeforum, Reichenaustraße 21, 78467 Konstanz.