Parkhauserweiterung Lago: Die Rache des Oberbürgermeisters

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„In der Frage der Parkauserweiterung am Lago herrscht die gleiche fatale Augen-zu-und-durch-Mentalität, die schon die Konzerthausbefürworter geleitet hat: Gutachten zur Verkehrssituation werden ignoriert zugunsten eines „Wird schon irgendwie gut gehen“. So eine Presseerklärung der Initiative „Das bessere Verkehrskonzept“. Am Donnerstag fällt die Entscheidung im Gemeinderat. OB Frank will zustimmen

Die Kritiker der Parkhauserweiterung befürchten einen Verkehrskollaps und präsentieren neben Fakten auch erschreckende Zahlen: „Die Praxis und Gutachten zeigen: es wird nicht gehen. Mit dauerhaften 220 bis 250 zusätzlichen Parkplätzen wird der Zustand, der in der Innenstadt bisher nur dann herrscht, wenn die ebenerdige Parkfläche geöffnet ist, zum Normalzustand gemacht.

Dass dann Autofahrer in der Bodanstraße im Stau stehen und die Luft über die Grenzwerte hinaus mit Feinstaub verpesten, ist das Eine, die Preisgabe des verlässlichen, vertakteten Busssystems in Konstanz wiegt jedoch schwerer.

An verkehrsreichen Tagen stehen an ALLEN 240 Bushaltestellen der Stadtwerke – von Paradies bis Dettingen – Leute und warten auf die Busse, die in der Bodanstraße feststecken. In einer Verkehrsuntersuchung der Stadtverwaltung wurden an einem verkehrsreichen Tag im Jahr 2007 180 Busse mit Verspätung durch Stau auf der Bodanstraße gezählt, betroffen alle Linien. Nimmt man an, dass an jeder Bushaltestelle nur fünf Personen warten, dann summiert sich die gemessene durchschnittliche Verspätung von 2,6 Minuten auf 240 x 5 x 180 x 2,6 = 561.600 Minuten oder 9.360 Stunden, also mehr als ein Jahr an Zeit, die die busfahrenden Konstanzerinnen und Konstanzer nur an diesem einen Tag auf verspätete Busse gewartet haben.

Wartezeiten sind das eine, die Vertaktung der öffentlichen Verkehrsmittel ist das andere. Wer wieder und wieder den Seehas, die Fähre oder den Anschlussbus verpasst, auf den der Fahrplan abgestimmt war, der wird das Verkehrsmittel Bus in Konstanz nicht mehr einplanen.

Zitat aus der Verkehrsuntersuchung der Stadt: „Dadurch, dass die Verspätungen zum überwiegenden Anteil nur aufgrund der Verkehrssituation an der Bodanstraße entstanden sind, ist der Nachweis erbracht, dass eine punktuelle Pkw-Überlastung zum Zusammenbruch des ÖPNV führt.“

Wie das Ziel des Verkehrsentwicklungsplanes, mehr Anteil der Fahrten auf den ÖPNV zu verlagern, erreicht werden soll, wenn dieser zum Zusammenbruch gebracht wird, muss wohl das Geheimnis der Stadtverwaltung bleiben. Die Parkplätze am Lago gehen zu Lasten derjenigen, die sich so bewegen, wie es allseits proklamiert und gewünscht: umweltfreundlich und rücksichtsvoll.

2005 war die Stadtverwaltung eigentlich schon weiter, als sie in einer TUA-Vorlage einen „Parkplatzüberhang in der östlichen Altstadt“ feststellte. Jetzt empfiehlt sie eine Erhöhung an genau dieser neuralgischen Stelle, also das Gegenteil zum Beschluss. Deswegen ist es eine Verdrehung der Tatsachen, diejenigen Gemeinderäte, die in der Lage sind, Analysen, Ergebnisse des Scopings, Verkehrszählungen und Gutachten zur Kenntnis zu nehmen, als „Umfaller“ zu bezeichnen. Hoffentlich bleibt die FDP wie angekündigt bei ihrem „besten Verkehrskonzept“ aus dem Kommunalswahlkampf, in dem sie eine Parkhauserweiterung am Lago klar abgelehnt hat.

Dass Investoren enttäuscht sind, wenn Gemeinderäte nicht in ihrem Sinne entscheiden, ist nachvollziehbar. Der Beschluss, das Verfahren einzuleiten, Gutachten zu erstellen und die Träger öffentlicher Belange anzuhören, ist kein Baubeschluss. Wer, wie der Südkurier, findet, nach einem solch langen Verfahren sei anständigerweise nur noch Zustimmung zulässig, zeugt von demokratischem Unverständnis. Wenn das Verfahren Ergebnisse bringt, die eine Ablehnung nahe legen, ist die Ablehnung geboten.

Für Gemeinderäte und die Stadtverwaltung gilt: von sonntäglichem Geschwafel über „notwendige Verhaltensänderungen“ und grünen Wohlfühlbekenntnissen zum ÖPNV hat niemand etwas, wenn bei konkreten Entscheidungen das Gegenteil in Kraft gesetzt wird. „Walk the talk“ heißt es im Englischen – auf Worte Taten folgen lassen: Die Beschlüsse zur Reduzierung des Individualverkehrs zugunsten des ÖPNV umsetzen und nicht durch Druck von Investoren umfallen!“

(hr) Das sind in der Tat beängstigende Zahlen. Die Hoffnung, die Mehrheit des Gemeinderates hätte nach dem Bürgerentscheid gegen das KKH ein wenig dazu gelernt, könnte sich als fataler Trugschluss erweisen. Eine Erweiterung des Lago-Parkhauses wäre ein Rückfall in eine Verkehrspolitik ohne Sinn und Verstand. Wenn die Einzelhändlervereinigung „Treffpunkt“ nun befürchtet, bei einer Ablehnung der Parkhauserweiterung wären mehr als 1000 Arbeitsplätze gefährdet, betreibt sie unverantwortliche Panikmache.

Die Hoffnung der Initiative „Das bessere Verkehrskonzept“, die FDP bleibt bei ihrer früheren Ablehnung einer Erweiterung, wird sich wohl nicht erfüllen. Bei Gesprächen während der Klausurtagung in Ittingen war eher das Gegenteil herauszuhören. Wahrscheinlich kommt es am Donnerstag, vorausgesetzt, alle RätInnen sind anwesend, zu folgender Konstellation: FGL, SPD, Linke Liste und FuF lehnen das Projekt ab und sammeln damit 20 Nein-Stimmen. CDU, FWG,FDP und NLK stimmen geschlossen dafür und kämen ebenfalls auf 20 Stimmen. So wird die Stimme des Konstanzer Oberbürgermeisters Horst Frank ausschlaggebend sein. Votiert das grüne Stadtoberhaupt, wie angekündigt, tatsächlich für eine Erweiterung des Parkhauses am Lago, käme das einer kommunalpolitischen  Bankrotterklärung gleich. Es wäre nicht seine erste. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sich das Stadtoberhaupt für die KKH-Klatsche rächen will. Man hat ihm sein Spielzeug verweigert, nun schlägt er gnadenlos zurück.

Anzumerken bliebe noch, dass der von vielen erhoffte Umbau des Bahnhofplatzes kein Thema mehr ist. Es fehlt schlicht und einfach an dementsprechenden Finanzmitteln. Die hochgestochenen Pläne fielen bei Sichtung der Haushaltslage zusammen wie ein Kartenhaus. Was von der ursprünglichen Idee noch bleiben wird, dürfte allenfalls bei Kabarettisten Lachattacken auslösen. Geplant ist nun ein „verkehrsberuhigter Geschäftsbereich“. Will heißen: Zwei Schilder werden aufgestellt, auf denen man die Automobilisten darum bitten will, etwas vom Gas runter zu gehen und sich im Schritttempo zu bewegen. Das war es dann aber auch.

Die kostenintensive Sparklausur in der benachbarten Schweiz hat viel Kritik hervor gerufen. Angeblich, so die Mehrheit der Entscheidungsträger, bekäme man fernab von heimatlicher Scholle einen „freieren Kopf“. Die Resultate dieser Kopffreiheit werden Anfang der Woche vom städtischen Presseamt bekannt gegeben. Schon im Vorfeld war des öfteren die Forderung zu hören, die Verwaltung möge endlich eine bürgernahe Informationspollitik betreiben und die Steuerzahler schon im Vorfeld der Beratungen darauf hinweisen, was alles auf sie zukommen wird. Eher widerwillig und nur auf Druck kommt man nun diesem Wunsch nach.

Wie es anders gehen kann, zeigt ein Blick Richtung Westen. Auch die Singener BürgerInnen stehen vor harten Zeiten. Das Hegaustädtchen ist nahezu pleite. Kommendes Wochenende begeben sich die RätInnen ebenfalls in eine Haushaltsklausur, üben sich aber, was die Beratungsstätte angeht, in sympathischer Bescheidenheit. Die Debatte findet in der Mensa des örtlichen Friedrich-Wöhler-Gymnasiums statt und direkt anschließend wird die Presse über die Ergebnisse informiert.

Autor: Holger Reile