Parteien wehren sich gegen Hauruck-Verfahren
SPD und LLK sind noch rechtzeitig vor der heutigen Gemeinderatssitzung (17 Uhr, Ratssaal) an die Öffentlichkeit getreten und haben die Hauruck-Politik des Oberbürgermeisters kritisiert. Stattdessen fordern sie einen baldigen Bürgerentscheid. Wir veröffentlichen den Brief von Jürgen Puchta (SPD) und die Presseerklärung von Holger Reile (Linke Liste Konstanz):
„Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
für die Gemeinderatssitzung am 27.03.2014 liegt der Beschlussantrag zum Erwerb des Anwesens sowie des aufstehenden Gebäudes in der Reichenaustraße 21 vor.
Die SPD-Gemeinderatsfraktion begrüßt grundsätzlich den Vorstoß der Stadtverwaltung. Aufgrund der finanziellen sowie stadtplanerischen Tragweite des Beschlusses sehen wir den engen Abstimmungshorizont allerdings kritisch und fordern von der Stadtverwaltung die nötige Sorgfalt bei der Vorbereitung sowie im Rahmen der Verkaufsverhandlungen zum Wohle der Stadt Konstanz und ihrer Bewohner/innen ein.
Wir knüpfen unsere Zustimmung für diesen Beschlussantrag aus diesem Grund an zwei Bedingungen. So müssen (A) unsere hier aufgelisteten Fragen im Rahmen der Verhandlungen unter Hinzuziehung des Rates einer/s unabhängigen Gutachterin/s (insbesondere für die Fragen 1-12) beantwortet und (B) die Details dem Gemeinderat vorgelegt werden.
Fragenkatalog der SPD-Gemeinderatsfraktion im Rahmen der Verkaufsverhandlungen
1) Welche Mängel liegen im und am Gebäude vor, z.B. Wasserleitungen, Elektrizität, Heizung, Bausubstanz?
2) Welche Kosten entstehen durch Rückbaumaßnahmen, z.B. im Facility-Bereich sowie bei den durch Giftstoffe belasteten Anlagen?
3) Welche baulichen Änderungen müssen aufgrund des modifizierten Nutzungsvorhabens erfolgen, bspw. im Hinblick auf Fluchtwege und die öffentliche Sicherheit?
4) Wie ist die Akustik in den potenziellen Veranstaltungsräumen zu bewerten?
5) Welche Maßnahmen sind zu ergreifen, um eine angemessene Akustik in den Veranstaltungsräumen zu gewährleisten?
6) Wie teuer sind Umbaumaßnahmen, die zu einer Verbesserung der Akustik beitragen?
7) Zu welchem Preis können Schallschutzvorrichtungen installiert werden?
8) Wie viele Besucher/innen bzw. Teilnehmer/innen können in den Veranstaltungsräumen untergebracht werden?
9) Stehen für das Orchester Übungsräume bzw. Räume für Kleinstveranstaltungen zur Verfügung?
10) Welche Umbaumaßnahmen lässt die Statik des Gebäudes auch vor dem Hintergrund des baulichen Untergrundes zu?
11) Welche Kosten entstehen durch die notwendigen Umbaumaßnahmen insgesamt?
12) In welcher Höhe liegen die ständigen Betriebskosten für die Nutzung und Instandhaltung des Gebäudes?
13) Welche baulichen Änderungen werden vom Architekten des Gebäudes mitgetragen?
14) In welcher Höhe entstehen Kosten durch die Hinzuziehung und Abstimmung mit dem Architekten?
15) Gibt es naturschutzrechtliche Argumente, die gegen ein öffentliches Veranstaltungsgebäude am Seerhein sprechen (z.B. Licht, Lärm, Müll)?
16) In welchem Maße können ggf. Bedenken der Anwohner/innen aufgegriffen und ausgeräumt werden?
17) Welche Vertragspartei übernimmt die Kosten/anteiligen Kosten für den Rück- und Umbau, die Sanierung sowie für die Einschaltung der/des unabhängigen Gutachterin/s und die Hinzuziehung des Architekten?
18) Wie würde die Stadt Konstanz die Gesamtkosten finanzieren und welche städtischen Projekte würden durch dieses finanzielle Engagement gefährdet oder müssten kurz-, mittel- und ggf. langfristig verschoben werden?
19) In welchem Verhältnis stehen die Gesamtkosten für das Projekt in Vergleich zu einem Neubau?
Aufgrund des zu erwartenden hohen finanziellen Aufwandes für das Gesamtprojekt beantragt die SPD-Gemeinderatsfraktion die Einberufung einer Sondersitzung des Gemeinderates mit dem Ziel, die Entscheidung zum Erwerb des Anwesens und des aufstehenden Gebäudes Reichenaustraße 21 den Bürger/innen der Stadt zu unterstellen. Der Bürgerentscheid könnte wie die Kommunal- und Europawahl am 25.05.2014 stattfinden und zur Erhöhung der Wahlbeteiligung beitragen.
Ich verbleibe mit freundlichen Grüßen
Jürgen Puchta, SPD-Fraktionsvorsitzender“
Veranstaltungshaus Konstanz: Linke Liste warnt vor überstürzten Entscheidungen
Dem Vorschlag der Verwaltung, der Gemeinderat möge auf der Gemeinderatssitzung am kommenden Donnerstag der Stadt den Auftrag erteilen, zusammen mit der IHK die Centrotherm-Immobilie zu erwerben, werden wir nicht zustimmen. Bei diesem Projekt scheint uns das Pferd von hinten aufgezäumt. Das hektische Agieren des OB, der dem Gemeinderat die Pistole auf die Brust setzen will, erweckt bei uns böse Ahnungen.
Sollen hier Fakten geschaffen werden, ohne dass die Möglichkeit besteht, sich gründlich mit der Thematik auseinanderzusetzen? Will man wieder einmal die Bürgerinnen und Bürger bei der Entscheidungsfindung außen vor halten? Für die Linke Liste Konstanz (LLK) haben jedenfalls andere Themen absolute Priorität: Vor allem im Bereich Wohnen und Verkehr. Die Eile, die jetzt in Sachen Centrotherm an den Tag gelegt werden soll, muss gerade für diejenigen wie Hohn erscheinen, die seit Jahren aufgrund städtischer Untätigkeit unter der Wohnungsnot zu leiden haben.
Unserer Meinung nach gibt es keinerlei Anlass, für das Centrotherm-Gebäude überstürzt viel Geld in die Hand zu nehmen. Was soll es, inklusive Umbau, überhaupt kosten? Wer darüber schon länger als zwei Monate verhandelt, müsste in der Lage sein, halbwegs konkrete Zahlen zu nennen.
Erstaunlich auch und nicht zu akzeptieren ist die massive Hektik, mit der dieses fragwürdige Projekt auf den Weg gebracht werden soll – sozusagen im Schnelldurchgang. Bis Ende April hätte man nur noch Zeit, um das Vorhaben zu realisieren, so die „Begründung“ von OB Burchardt. Die Gründe dafür sind äußerst fadenscheinig. Wenn überhaupt, dann wäre es wohl angebrachter, den neuen Gemeinderat darüber beratschlagen zu lassen. Vorher aber sollten die BürgerInnen gefragt werden. Denn schließlich geht es bei dem Gesamtprojekt sicherlich um einen Millionenbetrag in zweistelliger Höhe.
Auch, dass der Deal einfach so mal mit dem Rückkauf des Nachbargrundstücks für den Bau einer großen Veranstaltungshalle verknüpft werden soll, ist nicht akzeptabel. Auch dazu liegen keine Zahlen vor. Wir fragen: Zu welchem Preis wurde es einst verkauft und zu welchem Preis soll es nunmehr zurück erworben werden? Was würde dieser Bau kosten? Wer hat die Stellungnahmen in Auftrag gegeben, von denen nebulös die Rede ist?
Fragen über Fragen, und wir können uns des Eindrucks nicht erwehren, dass dieses Projekt mit sehr heißer Nadel gestrickt ist und man ohne eine breite öffentliche Erörterung in der Bürgerschaft davon besser die Finger lassen sollte.[modal id=“19250″ style=button color=default size=default][/modal]
Holger Reile, Linke Liste Konstanz
Überall wird gewarnt, dass man bei ‚plötzlicher Dringlichkeit eines Geschäftsabschlusses‘ sehr skeptisch werden soll. Nur die genannten Gemeinderäte haben davon noch nichts mitbekommen? Willkommen als willfähriges Spielzeug der Manipulation.
Richtig, warum diese Eile? Im Beschlussantrag zu TOP 6.1.2 heißt es unter anderem:
„1. Der Gemeinderat beauftragt die Verwaltung, den gemeinsamen Erwerb des Anwesens „Reichenaustraße 21“ (…) mit dem Eigentümer auszuverhandeln, sowie die hierzu erforderlichen Kaufverträge unterschriftsreif vorzubereiten. (…)
3. Der Gemeinderat beauftragt die Verwaltung, vor der Gemeinderatssitzung am 29.04.2014 eine Bürgerinformationsveranstaltung zur städtischen Nutzung durchzuführen.“
Wie soll man sich da des Eindrucks erwehren, dass die vielzitierte Bürgerbeteiligung nur als Feigenblatt für die eigenen Interessen benutzt wird? Wir erinnern uns: OB Burchardt setzte unmittelbar nach seinem Amtsantritt den Neubeginn des Projektes „Veranstaltungshaus für Konstanz“ auf die Tagesordnung der Gemeinderatssitzung vom Januar 2013. Schon damals war klar, dass diese Ankündigung Kräfte in der Stadtverwaltung binden sowie Kosten verursachen würde. 2010 belief sich die grandios gescheiterte Goodwill-Aktion „Konstanz gibt den Ton an“ auf einen sechsstelligen Betrag aufwärts (nebenbei: beauftragt war eine Hamburger Werbeagentur, die für die Elbphilharmonie-Kampagne verantwortlich zeichnete). Wurden eigentlich jemals die tatsächlichen Kosten genannt?
Und: ja, Konstanz hat andere Probleme. Außer dem Topthema „fehlender bezahlbarer Wohnraum“ seien hier der Personalmangel in den städtischen Pflege- und Altenheimen, dem Klinikum und der Verwaltung genannt sowie die besorgniserregend wachsende Wohnungslosigkeit und Armut in unserem schmucken Städtchen.
P.S. Anm.hpk: Wer auf den Namen „Anke Schwede“ klickt, wird auf facebook weiter geleitet.