Peinlich, Peinlich, Bodenseeeforum
Das ist schon ein starkes Stück: Als „Erfolgsübersicht“ bezeichnet Wirtschaftsförderer Friedhelm Schaal, Interims-Geschäftsführer des Bodenseeforums, seinen letzten Quartalsbericht 2016. Pleiten, Pech und Pannen dürfte als Überschrift passender sein. Denn eigentlich ging alles schief mit dem Bodenseeforum (BoFo) – unsere vorläufige Bilanz.
Wir erinnern uns noch gut an die Pannen zur Eröffnung: Das Catering funktionierte nicht, die Toiletten reichten nicht aus und der Geschäftsführer war weg, kaum dass er seine Arbeit aufgenommen hatte. Nun kommt heraus – es ist alles noch viel schlimmer: Nicht genügend Veranstaltungen, keine vernünftige IT-Ausstattung, vorgezogene Steuer-Belastungen und zusätzliche Ausgaben für die technische Ausstattung, die ursprünglich geleast werden sollte, nun aber gekauft werden musste. Das alles kostet: Hochgerechnet muss von einer Budget-Überschreitung von annähernd drei Millionen Euro ausgegangen werden.
Zum Beispiel Veranstaltungen: Schaal selber bilanziert: „Insgesamt sind beim Bodenseeforum zum 01. März 2017 120 Veranstaltungen erfasst.“ Verglichen mit der Bilanz anderer Häuser nimmt sich das schon arg bescheiden aus: Schaut man auf die BoFo-Seite und klickt auf die kommenden Veranstaltungen, sind 17 Termine eingetragen. Im Vergleich dazu kann die Stadthalle Singen jetzt schon auf 33 Termine verweisen, das Milchwerk in Radolfzell auf 35. Woher also der Optimismus?
Zum Beispiel IT-Ausstattung: Die umfangreiche Ausstattung des Bodenseeforums mit verschiedenen IT Systemen sollte über die städtische IT erfolgen, was sich in der Praxis nicht umsetzen ließ. Hat das niemand vorher untersucht? Dies verursachte nach Schaals eigenen Angaben zusätzliche Kosten von 205 000 Euro.
Zum Beispiel das Catering: Das Cateringkonzept musste nach den Anfangspannen geändert werden, jetzt bietet das BoFo die Cateringleistungen über Lieferanten an. Hierfür wurde eine deutlich aufwändigere Küchenausstattung nötig: Zusätzliche Kosten 480 000 Euro.
Zum Beispiel Personalkosten: Nicht nur der Geschäftsführer verabschiedete sich umgehend, auch technische Führungskräfte suchten alsbald das Weite. Das hatte nicht nur Auswirkungen auf die Organisation des laufenden Betriebs (z.B. bei der Akquirierung von Veranstaltungen), sondern schlug selbstredend auch bei den Kosten zu Buche: 260 000 Minus. Wobei das Zahlenwerk keinen Aufschluss darüber gibt, ob die Abfindungen schon einberechnet sind – wir erinnern uns: Beim Arbeitsvertrag des Geschäftsführers hatte man versäumt, eine Probezeit zu vereinbaren, was später selbstverständlich zu zusätzlichen Abfindungsforderungen führte.
Zum Beispiel Steuerlasten: Entgegen der bisherigen Planung muss die Ausstattung des BoFo (Tische, Stühle, Besteck und weitere Gegenstände) steuerrechtlich als geringwertiges Wirtschaftsgut behandelt und deshalb sofort in 2016 abgeschrieben werden. Warum hat niemand vorab einen Steuerberater gefragt? Das bedeutet nämlich auch: Die Erstattung an Vorsteuer steht jetzt nicht mehr zur Deckung der laufenden Bewirtschaftsverluste zu Verfügung, sondern muss nun aus dem laufenden städtischen Haushalt finanziert werden. Dies belastet den Abschluss 2016 zusätzlich mit rund 445 000 Euro.
Es ist schon frech, mit welcher Unverfrorenheit die eklatanten Abweichungen von den Planzahlen schön geredet werden. Geld, das dann in anderen Bereichen wohl eingespart werden muss. Immerhin wird Konstanz, bis alles fertig ist, mindestens 20,6 Millionen Euro investieren müssen, knapp drei Millionen mehr als ursprünglich vorgesehen. Ganz zu schweigen von den laufenden Verlusten, die in 2016 erstmals mit 1,692 Millionen Euro aus dem Haushalt zu finanzieren sind.
Die Vorsteuererstattung muss jetzt im Baubudget wegen Kostenüberschreitungen verbleiben. Alle künftigen Verluste des Bodenseeforums belasten direkt den städtischen Haushalt, da dies ein Eigenbetrieb der Stadt Konstanz ist. Wie hoch werden die Verluste sein und in welchen Bereichen muss dann die Stadt Einsparungen vornehmen? Fragen, auf die Schaals „Erfolgsübersicht“ keine Antworten gibt. Und OB Burchardt schon gar nicht – vielleicht aber doch gezwungenermaßen auf der morgigen Sitzung des Betriebsausschusses Bodenseeforum.
hpk
Herr Ries, da bekomme ich ja physische Schmerzen beim Lesen ihres Kommentars. Bis zum Ende habe ich nach der Ironie geschaut, aber Sie scheinen das ja tatsächlich ernst zu meinen.
Sie bezeichnen es ja als „Jahrhundertidee“ und das mag, wenn man aus Konstanz nicht raus kommt, so sein, aber aus konspirativen Gespräche mit Menschen aus Frankfurt, Leipzig, München, Köln und Berlin habe ich erfahren, dass es dort auch Tagungshäuser gibt. Manche hatten diese „Jahrhundertidee“ tatsächlich gar einige Jahrhunderte eher.
Und dass Sie das Bodenseeforum mit der Erfindung des Automobils vergleichen, kann man ja schon nicht mehr als Apfel-und-Birne-Vergleich bezeichnen. Kleiner gings nicht?
Aber wenigstens kann ich Ihnen nachhelfen: Henry Ford hat auch das Automobil nicht erfunden. Er hat die Fließbandfertigung perfektioniert und damit die Massenverfügbarkeit von Autos ermöglicht.
Und ja, ich kann mir schon vorstellen, wie Google, Siemens, BP, Allianz und Mercedes alle Schlange standen beim Bodenseeforum und unbedingt hier ihre Kongresse abhalten wollten, aber dann haben Sie über diese Jahrhundertidee etwas Schlechtes im Internet gelesen und dann ist den Herren und Damen da glatt das Monokel heruntergefallen und sie haben sich schnell anders entschieden. Genau so wird es gewesen sein!
Also man mag ja zum Bodenseeforum stehen, wie man will (und Kritik ist angesichts dieses Abschlusses ja wohl mehr als erlaubt; bei anderen wäre auch nicht eine solche Nachsicht zu erwarten, wie Herr Nix richtigerweise klarstellt), aber eine solch unsinnige Lobhudelei hilft nun wirklich keinem. Auch nicht den Befürwortern.
Ich stimme Ihnen absolut zu, Herr Ries. Auch ich kenne ein namhaftes Unternehmen aus Timbuktu, das sich mittels der weltweit bekannten Onlineplattform seemoz.de über das Bodenseeforum kundig gemacht-, und sich aufgrund der dort zahlreich veröffentlichten Kampfschriften gegen dieses einmalige Jahrhundertbauwerk dann doch für Bottighofen entschieden hat. Smile.
Ich denke, dass diese Darstellung hier sehr einseitig ist und in die falsche Richtung geht. Man muss bedenken, dass eine Jahrhundertidee wie das Bodenseeforum immer längere Zeit braucht, um sich durchzusetzen, so ist das nun mal mit neuen Ideen. Henry Ford, einer der Erfinder des Automobils, sagte „Hätte ich die Menschen gefragt, was sie brauchen, hätten sie sich ein schnelleres Pferd gewünscht.“
Dass dieses wundervolle Haus sich noch nicht so gut entwickelt hat wie geplant, ist nicht auf ein falsches Konzept oder ein ungeschickte Geschäftsführung zurückzuführen, sondern hat andere Ursachen.
Die Art, wie im Konstanzer Gemeinderat und auf seemoz über das Bodenseeforum gesprochen wurde, ließ bei Wirtschaftsförderern und Tourismusmanagern weltweit die Korken knallen, nur nicht in Konstanz: Diese große Idee wurde (typisch Konstanz!) von Miesmachern und Verhinderern kleingeredet, und das wurde von der Konkurrenz in anderen Städten erfreut zur Kenntnis genommen. Das ist die eigentliche Ursache für die vorübergehenden wirtschaftlichen Probleme, die es im letzten Jahr mit dem Bodenseeforum gab und vielleicht auch noch in den nächsten Jahren geben wird. Ich kenne persönlich viele wichtige Unternehmen, die mit ihren Kongressen gern nach Konstanz gekommen wären. Sie haben sich aber vorher schlau gemacht, ob sie hier auch wirklich willkommen sind. Bei einem Blick ins Internet konnten sie schnell den Eindruck bekommen, dass sie es nicht sind. Gerade seemoz, aber auch viele andere waren sich für keine noch so billige Propaganda gegen dieses Haus zu schade.
Eigentlich müsste man die Gegner dieses Projektes im Gemeinderat und anderswo persönlich für die Verluste haftbar machen, denn sie haben schließlich die vielen Interessenten aus aller Welt vergrault, die ihr Geld jetzt lieber woanders hintragen als an unseren schönen Bodensee.
Hätte das Theater Konstanz oder sein Intendant jemals ein solches Ergebnis präsentiert, so wären alle Künstler mit Schimpf und Schande vom Hof gejagt worden. Stattdessen wird das Theater seit Monaten klein und restriktiv gehalten und – hier beginnt der Irrsinn – mit dem Vorwurf konfrontiert, einen Überschuss erwirtschaftet zu haben, der jetzt mit Hilfe der eigenen Verwaltungsleitung in das Forumsloch fließen soll.
Ach, wären wir nur in Schilda, da würden die Bürger aufstehen und laut weinen, so aber bleibt es still: stilles Land, wüstes Land, Verhältnisse auf den Kopf gestellt.
Die Realität ist m.E. noch schlimmer als im Artikel beschrieben:- geplanter Verlust 21.10.2016 – 31.12.2016 897 T€, tatsächlicher Verlust 1.692 T€, der jetzt nicht aus einer Steuererstattung vom Finanzamt, sondern direkt aus dem städtischen Haushalt finanziert werden muss. Grund sind bislang NICHT genehmigte Kostenüberschreitungen bei Baubudget für das Bodenseeforum. Geplante Kosten incl. Kaufpreis: 17,5 Mio., tatsächliche Kosten werden sich auf mindestens 20,4 Mio Euro belaufen (ohne Umsatzsteuer). Diese Mehrkosten lagen ausserhalb des vom Gemeinrat genehmigten Budgets. Das Ganze wird dann in einer „Erfolgsübersicht“ verpackt. Kein Wort darüber wie viele Millionen Konstanz aus anderen Bereichen in den nächsten Jahren künftig abdrücken muss, damit das „Haus sehr gut auf dem Tagungs- und Veranstaltungsmarkt positionieren und damit in eine gute Zukunft führen“. So sieht neoliberale Kommunalpolitik aus: Bei Sozialem, der Bildung und den Vereinen sparen und dafür umso mehr bei Prestige- und Protzprojekten zum Fenster rausschmeißen !
In seinem Partyraum haben Ullis Freunde schon damals auf fremde Kosten gefeiert. Verlängerte Schulzeit. Mit dem Unterschied, dass jetzt die erste Reihe für sie freigehalten wird ☺
Wir haben hier in unserer Stadt schon einige Fehleinschätzungen seitens der Verwaltung erlebt und immer kostet so etwas dann auch noch sehr viel Geld. Zum Beispiel: 41 gesunde, mächtige Pappeln absägen lassen, dann wieder neue dafür einpflanzen. Oder: Wettbewerbe und Planungen für den Bahnhof durchführen und dann so lange warten, bis immer wieder andere Bedingungen herrschen und wir mit jedem Jahr schlechter dastehen.
Und nun dieser Flop mit einem Gebäude, das vom ersten Tag an nur Probleme anhäufte und uns jetzt als Erfolgsprojekt verkauft werden soll.
Übrigens: Alle drei Beispiele kommen aus dem Baudezernat.
Dank dem Seemoz für die klare Schilderung der Tatsachen!