Politik – Unternehmen – Tourist-Informationen

Corona prägt derzeit nicht nur unseren Alltag, sondern auch unsere Freizeit und nicht zuletzt unser Reiseverhalten. Viele in der Tourismus-Branche träumen zwar noch davon, dass nach Corona alles wieder genauso wird, wie es vor Corona war, aber darin könnten sie sich täuschen. Die derzeitige Situation sollte vielmehr als Gelegenheit verstanden werden, gründlich über die Zukunft des Tourismus auch in der Bodenseeregion nachzudenken und sich neu zu positionieren, meint Thomas Willauer.

Teil II

Dominanz der Politik

„Kommunale Pflichtaufgabe“ heißt nun überhaupt nicht, den Tourismus der Politik zu übertragen, denn zu den hausgemachten Schwierigkeiten des Tourismus gehören die politische Dominanz in den öffentlichen Tourismusstrukturen, die mangelnde Wertschätzung gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den verschiedenen Tourismusorganisationen und die ungenügende Finanzausstattung dieser Organisationen.

Verhängnisvoll ist dabei das operative Eingreifen von (Lokal-) Politikern, die dann durch Aufsichtsratsmandate und führende Funktionen in Gesellschafterversammlungen ihren Einfluss – ohne die entsprechenden touristischen Kompetenzen dafür zu besitzen – absichern. „Wer zahlt, bestimmt“ und „das ist politisch so gewollt“ – in diesem Politikersprech bündelt sich das Grundübel der Tourismusorganisationen.

Ohne Unternehmen kein Tourismus

Die touristischen Unternehmen geben der Bodenseeregion als Attraktionspunkte und auch als Beherbergungsbetriebe das eigentliche touristische Rückgrat. Ohne sie funktioniert der Tourismus nicht.

Das Gemeinsame der Unternehmen und Einrichtungen der Tourismuswirtschaft ist die internationale Außenwahrnehmung der Bodenseeregion, die Gebundenheit der touristischen Unternehmen an den Ort, das große Potential an Erfahrung und Kompetenzen in allen Bereichen der Tourismusentwicklung, des Vertriebs, des Marketings, der Marktbearbeitung, der Unternehmenskooperationen, der Imagewerbung, der Medienarbeit bis hin zu permanenten Innovationserfahrungen.

Obwohl sich die Politik mehrheitlich der Forderung, Tourismus zur kommunalen Pflichtaufgabe zu erklären, verweigert, gehören Kommunen, Land und Bund zu den großen Profiteuren der Tourismuswirtschaft. Für Wachstum und Zukunft im Tourismus sind in erster Linie die touristischen Unternehmen und Einrichtungen verantwortlich, denn sie verdienen die notwendigen Mittel für Innovationen, Investitionen und Marketing. Die touristischen Unternehmen am Bodensee geben im Jahr zig Millionen für Werbung für die internationale Bodenseeregion aus. Die Steuereinnahmen aus Umsatzsteuer, Einkommenssteuer und Unternehmenssteuern belaufen sich auf mehrere hundert Millionen Euro. Setzt man diese Steuereinnahmen in Relation zu den öffentlichen Mitteln der Tourismusförderung, wird erkennbar, wie unangebracht der Anspruch der Politik ist: „Wer zahlt, bestimmt“.

Die Politik zahlt nicht. Sie setzt für den Tourismus nur in geringem Maße Steuergelder ein, die von anderen verdient wurden. Und so ist der Tourismus über die erzielten Steuergelder ein gutes Geschäft für die öffentlichen Kassen. Und dennoch sind die Jobs im öffentlich-rechtlichen Tourismus vielfach schlecht bezahlt. Auch hier sind Veränderungen notwendig.

Viel wäre gewonnen, wenn die Politik akzeptiert, dass sie auch im Bereich der Tourismuswirtschaft dafür da ist, die finanziellen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu schaffen bzw. zu verbessern und sich aus der operativen Arbeit definitiv herauszuhalten. Kommunale Pflichtaufgabe und „Nichteinmischung“ in die inneren Angelegenheiten der touristischen Experten in Unternehmen und Organisationen sind zwei Seiten einer Medaille.

Übrigens: An dem guten Geschäft für die öffentliche Hand ändert auch die Corona-Krise nichts. Die Mittel zu Unterstützung von touristischen Betrieben sind nichts anderes als die Absicherung von sprudelnden Steuerquellen in der Zukunft. Denn ohne erfolgreiche touristische Unternehmen funktioniert Tourismus nicht. Mittelkürzungen im Bereich der öffentlich-rechtlichen Tourismusorganisationen – insbesondere im Marketing – sind in diesem Zusammenhang kontraproduktiv.

Rahmenbedingungen und Abhängigkeiten

Nach wie vor unberücksichtigt bleiben die strukturellen Rahmenbedingungen der touristischen Unternehmen. Touristische Unternehmen haben, da standortgebunden, weniger eigenständige Entwicklungsoptionen als Unternehmen anderer Branchen. Hinzu kommt, dass touristische Unternehmen und Einrichtungen in besonderem Maße in ein Netzwerk politischer, staatlicher, jedenfalls von der öffentlichen Hand finanzierter touristischer Organisationen eingebunden sind. Die Standortgebundenheit und die damit verbundenen Abhängigkeiten von tourismuspolitischen Entscheidungen staatlicher Gremien verschärfen sich zusätzlich dadurch, dass touristische Unternehmen, gerne tituliert als „Leistungsträger“, meist erst am Ende der touristischen Angebotsentwicklung von Tourismusorganisationen stehen und dann vor allem zur Finanzierung dieser Angebote gepresst werden. Das strategische Expertenwissen der Unternehmen wird so gut wie nicht genutzt.

Rolle der Tourist-Informationen am Ort

Tourist-Informationen stehen vielfach unter permanentem Legitimationsdruck. Sie werden oft nur als Kostenfaktor für Städte und Gemeinden gesehen, deren Budgets dann Jahr für Jahr zur Disposition stehen.

Für die touristischen Unternehmen sind die Tourist-Informationen natürliche Partner für eine Zusammenarbeit, auch destinations- und grenzüberschreitend. Die Tourist-Informationen sind lokale/regionale Dienstleister für die Gäste. Zu ihren Aufgaben gehören die Information vor Ort und die Entwicklung touristischer Erlebnismöglichkeiten. Eine ausreichende finanzielle Ausstattung und ihre Eigenständigkeit sind zu erhalten und auszubauen.

Die Menschen in den Unternehmen und den Tourist-Informationen, das sind die Professionals. Dieser englische Begriff vereint alles, was dazugehört: Gut ausgebildete, mit aktuellem Wissen ausgestattete, erfahrene Kolleginnen und Kollegen mit viel gutem Willen, vielen Ideen, viel Engagement und viel Herzblut.

Tourismusberater verhindern Nachhaltigkeit

Berater und Wissenschaftler werden im Gegensatz zu den Tourismusexperten vor Ort zur Legitimation politischen Handelns eingesetzt und finanziell meist großzügig ausgestattet. Statt eines kontinuierlichen Diskussionsprozesses der touristischen Experten vor Ort besteht das Geschäftsmodell der Tourismusberater darin, mit kurzfristig wechselnden Weisheiten immer wieder staunen zu machen. Ist der Berater dann wieder weg, ist oft Ebbe im Marketingtopf und die Ratlosigkeit bis zum nächsten Beratertermin groß. Die Auftritte von Tourismusberatern sind oftmals an Peinlichkeiten nicht zu überbieten: „Qualität kommt von quälen“ (Beraterweisheit).

In der Zusammenarbeit mit den Expertinnen und Experten vor Ort gilt es, das Verständnis der lokalen und regionalen Besonderheiten zu definieren, statt in der übrigen Tourismuswelt nach Konzepten zu suchen oder Tourismusberatern hinterherzulaufen. So ist das, was getan werden muss, zunächst die Wertschätzung des Hiesigen, ohne dass die bunte, faszinierende, inspirierende Welt da draußen vernachlässigt wird, für die externe Interpreten und deren Geschäftsmodell nicht gebraucht werden.

Thomas Willauer (Foto: privat)